Jede Branche hat ihre eigenen modischen Regeln. Gerade für Berufsanfänger ist es manchmal schwer, diese zu entschlüsseln. Eine Notfall-Hilfe.
Fehl am Platz
Als sich die Türen des Aufzugs öffnen, wird der Blick auf ein weitläufiges Großraumbüro frei. In ihm Männer in teuren Anzügen und Frauen, die gerade einer Modestrecke entsprungen zu sein scheinen. Auf dem Weg zum Empfangstresen gehe ich gedanklich meine äußere Erscheinung durch. Was beim morgendlichen Ankleiden noch nach perfekter Wahl aussah, erinnert auf einmal mehr an Schulhof als an Medienbranche. Ich komme mir fehl am Platz vor. Es ist der erste Tag meines Praktikums bei einem Frauenmagazin.
Am ersten Tag im Büro ist die Vorstellung von Business-Mode meist eher vage. In meinem Kopf formte sich bei dem Gedanken daran grauer Zwirn zu einer erschreckend langen Reihe, erschreckend einfallsloser Anzüge. Hätte es mich in eine Bank oder eine Anwaltskanzlei verschlagen, dann wäre das möglicherweise erst einmal Realität geworden. Zumindest wäre das Mysterium Business-Outfit leichter greifbar gewesen. Doch dazu kam es nicht.
Nach der Station beim Frauenmagazin folgte ein großes Unternehmen. Anders als zuvor zeigte sich hier der modische Anspruch konventioneller, als es mein studentischer Kleiderschrank zuließ. Doch ich lernte schnell: Mit einem einfachen schwarzen Blazer und Pumps fällt man zumindest nicht durchs Raster. Kaum verschlug es mich zu einer überregionalen Zeitung, musste aber auch diese These wieder überdacht werden. Denn auch hier wartete modisch wieder ein neues Terrain, das sich weniger durch Akkuratesse als durch Bequemlichkeit beschreiben lassen kann. Drei Stationen, drei vollkommen unterschiedliche Erfahrungen. Was also lässt sich nun mit dem Begriff Business-Mode anfangen? Ich kam nicht richtig weiter.
Modische Codes entschlüsseln
Zu Beginn reichte die Strategie: Abkupfern und durchkommen. Denn zählt nicht viel mehr, mit guten Ideen und nicht mit roten Pumps zu glänzen? Natürlich – und die roten Pumps im Laden zu lassen fiel mir auch nicht gar so schwer. Mich bei der Arbeit jeden Tag zu einem gewissen Grad zu verstellen irgendwann aber schon. Es dauerte eine Weile bis ich verstand: Ein gelungener Business-Look hat viel mit dem Job, der Position, aber vor allem auch der eigenen Persönlichkeit zu tun. Wer bin ich, was macht mich aus und was will ich ausstrahlen, das sind sehr viel wichtigere Fragen, als die, was der Chef wohl beim nächsten Termin für angebracht halten würde.
Business-Mode zeigt sich naturgemäß so unterschiedlich, wie es die Berufe selbst sind. Jede Branche hat ihre eigenen modischen Code die, wenn schon nicht immer ein Muss für die Mitarbeiter, zumindest wahrnehmbar sind. Der Umgang damit ist genauso erlernbar wie die Erstellung einer Powerpoint-Präsentation und hat letztlich weniger mit der von mir zunächst vermuteten Eingliederung in die Masse, als mit der eigenen Entwicklung als berufstätiger Mensch zu tun. Wer bei einem Business-Outfit den Mut und die Muße hat individuell zu sein, erzählt immer auch etwas von sich. So kann Mode wesentlich effektiver genutzt werde, als lediglich mitzuteilen: Ich gehöre dazu. Das beweist Offenheit, Selbstbewusstsein und Sinn für Kreativität. Und nicht zuletzt den Mut, (vermeintlich) tradierte Bedingungen auch mal anzuzweifeln.
Selektieren und umdeuten
Aber wie nähert sich ein Berufsanfänger dem Thema nun an? Ist eine Umgebung noch neu, sind das Beobachten und ein anschließendes Adaptieren tatsächlich keine schlechten Tipps. Doch dann geht es daran, einzelne Elemente zu selektieren und sie in den eigenen Stil zu übersetzen. Hat man eine Vorliebe für die 1960er und ist auf Anzüge angewiesen, dann wertet ein Schößchen-Oberteil den Look um oder es lässt sich mit der Kombination von Bleistiftrock zu Kurzjacke ein bürotaugliches Vintage-Outfit kreieren. Soll es eher sportlich sein, eigenen sich etwa hochwertige Sneaker und ein schlichtes Shirt zum Blazer. Steht der Jobbeginn noch an, lohnt sich der Blick auf die Website des Unternehmens. Hier finden sich in der Regel Bilder der Mitarbeiter und noch wesentlich aufschlussreicher, Videos von Konferenzen oder Events, die eine erste Orientierung geben. Wer auf Nummer sicher gehen will, hält sich an das Notfall-Set:
1. Shiftdress von Topshop, 2. Ballerinas mit spitzer Form von SPM, 3. figurnaher Blazer in Creme von Topshop, 4. Kleid mit Bindegürtel von Sandwich, 5. Lässiger Blazer von Carine Wester, 6. Pumps von Buffalo. Happy Shopping und viel Erfolg beim ersten Arbeitstag.