Foto: NVC public relations

„Manchmal wird man von den eigenen Emotionen übermannt“

Verena und Nadine haben in München ihre eigene PR-Agentur gegründet und schreiben von den Höhen und Tiefen der ersten Monate der Selbstständigkeit.

 

Ein emotionales Auf und Ab

Von langer Hand geplant, eingehend geprüft, endlich gewagt – Mitte des vergangenen Jahres haben wir, Nadine Bieda und Verena Bürstl, uns zusammengetan und den Schritt vom sicheren Angestelltenverhältnis in die unsichere Selbstständigkeit gewagt. Mit der Agentur haben wir uns einen Traum erfüllt, mitten im schönen Schwabing gegründet. Mittlerweile bertreuen wir – neben anderen spannenden Projekten – drei Bestandskunden aus den unterschiedlichsten Branchen. Gerade die ersten Monate waren manchmal emotional ein ziemliches Auf und Ab….

Yeahhh! Nie wieder ein Vertrag, der einem vorschreibt, wie lange man im Büro zu sitzen hat!

Okay. Aber was, wenn plötzlich an einem Wochenende Krisen-PR gefragt ist und man komplett eigenverantwortlich agieren und alle Entscheidungen alleine verantworten muss?

Juhuuuuu, heute ist ein guter Tag – ein spannender Neukunde in Sicht!

Oje. Wenn jetzt aber ganz unvorhergesehen zwei Bestandskunden auf einmal kündigen – was dann? Gibt es uns dann überhaupt noch?

Wow! Endlich arbeitet man nur in seine eigene Tasche und verdient, was man verdient.

Oh, oh. Post vom Finanzamt. „Geben Sie unverzüglich eine ZM ab, sonst droht eine Geldstrafe von bis zu 25.000 Euro.“ Na klar, machen wir … sobald wir gegoogelt haben, was eine „ZM“ ist.

Ja, Engelchen und Teufelchen geben sich auf dem manchmal steinigen Weg in die Selbstständigkeit oft die Klinke in die Hand. Nicht umsonst haben wir uns – ganz getreu unseres Sicherheitsdenkens, das uns von klein auf eingeimpft wurde – akribisch auf das vorbereitet, was uns erwartet:

  1. Alle Vor- und Nachteile einer möglichen Selbstständigkeit abwägen.
  2. Sich die (typischen) Aussagen der Familie und Freunde zu Herzen nehmen: Nie wieder Urlaub. Selbst und ständig. Denkt an die private Altersvorsorge.
  3. Einen Businessplan mit Rentabilitätsvorschau für drei Jahre aufstellen.
  4. Versicherungen abschließen.

Und so weiter, und so fort…

Hm. Und dann haben wir erstmal gar nichts gemacht.

Vielleicht war es genau dieses Schlüsselerlebnis, das wir gebraucht haben, um endlich alle Zweifel auszuräumen, unsere letzten Bedenken über Bord zu werfen und einfach mutig den nächsten Schritt einzuläuten: Es war an einem sonnigen Nachmittag, strahlender Sonnenschein begleitete uns auf unserem Stadtbummel durch die kleine Boutiquen der Maxvorstadt. Ganz angetan standen wir irgendwann vor einer Vitrine mit wunderschönen Ringen, wie wir sie nur aus New York kannten. Sie stammten von einem hier ansässigen Schmucklabel, das uns sofort begeisterte. Im Gespräch verriet uns die nette Verkäuferin die Ladenadresse der Münchner Goldschmiedin – ein Laden, so zauberhaft wie aus einem Roman. Der Zettel an der Tür stach uns beiden sofort ins Auge: „Ladenraum zu vermieten – rufen Sie uns an.“ Wir blickten uns an – der gleiche Gedanke: „Genau so ein Büro wollen wir auch.“

Planung in Kontrollfreak-Manier

Eine Woche später reichten wir unsere Kündigungen ein. Uns war natürlich bewusst, dass der Schritt in die Selbstständigkeit nicht einfach und von vielen Höhen und Tiefen begleitet sein würde. Wir stellten uns also – ganz in Kontrollfreak-Manier – bestmöglich darauf ein, dass gerade am Anfang noch nicht alles reibungslos laufen würde und nahmen uns fest vor, immer cool zu bleiben und nie die Flinte ins Korn zu werfen. Leichter gesagt, als getan. Niemand bereitet junge Unternehmerinnen darauf vor, dass Kunden zu spät bezahlen, dass das Internet plötzlich von der einen auf die andere Sekunde ausfällt, nie wiederkommt und kein IT-Spezialist zur Hand ist, der den Fehler schnell behebt, dass die Kontoübersicht plötzlich nur noch Ausgänge verzeichnet, man nicht mal eine Kreditkarte erhält, weil man (noch) kein regelmäßiges Einkommen vorzuweisen hat oder einem sein einziger Kunde plötzlich mitteilt, dass er den Vertrag nicht verlängern wird, weil er das ganze Unternehmen verkauft – nein, da greift leider auch kein von langer Hand erstellter Masterplan, dann ist man erstmal überrascht, dann wütend und irgendwann nur noch sehr verzweifelt.

Das Fatale an unvorhergesehenen Situationen wie diesen ist die Tatsache, dass man manchmal von seinen eigenen Emotionen übermannt wird. In der einen Sekunde platzt man noch vor Stolz auf ein ausgeklügeltes Konzept, souverän geführte Vertragsverhandlungen oder einen gewonnenen Pitch, während man sich nur eine Stunde später zum siebten Mal in der Warteschleife des Internetanbieters wiederfindet und einfach nur noch in Tränen ausbricht, sobald die Melodie ertönt, die man schon seit Tagen im Schlaf summt. Zum Glück relativieren sich viele Dinge rückblickend. Heute lachen wir darüber, wenn wir daran zurückdenken, wie wir im Juli 2014 die erste Bankmitteilung erhielten, dass die Handygrundgebühr von 10,99 Euro leider nicht vom Konto abgebucht werden konnte.

Aller Anfang ist schwer. Wir sind Perfektionistinnen. Und ja – es wird noch viele Momente geben, in denen Lachen und Weinen näher beieinander liegen, als es uns manchmal lieb ist: Wir werden wieder mal Tage und Nächte damit verbringen, Probleme zu wälzen und uns Lösungen zu überlegen, wir werden enttäuscht sein und womöglich auch Kunden verlieren, für die wir alles gegeben und Nächte durchgearbeitet haben. Und doch können wir zum jetzigen Zeitpunkt eines mit Gewissheit sagen: Was wir in den vergangenen acht Monaten gelernt haben, ist unbezahlbar. Die vielen Glücksmomente überwiegen deutlich – und den kleinen und großen Herausforderungen stellen wir uns jeden Tag gerne – mit einem gesundem Ehrgeiz und ganz viel Herzblut. Wir lieben unser Büro, wir lieben unsere Kunden, wir lieben das Gefühl, selbstbestimmt arbeiten und leben zu können. Würden wir noch einmal vor dem schönen Laden stehen, an dem damals der Zettel „Ladenraum zu vermieten“ hing – wir würden sofort wieder anrufen.

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