In Österreich kürzt das Frauenministerium die Mittel für frauenpolitische und migrantische Projekte. Viele Organisationen sind damit in ihrer Existenz bedroht. Was bedeutet das für die Gesellschaft?
Konsequenzen des Rechtsrucks in Österreich
Die Situation für feministische Organisationen und Projekte in Österreich ist sowieso schon alles andere als rosig: Die Organisationen arbeiten mit wenig Geld und viel ehrenamtlicher Arbeit. Nun kürzt das Frauenministerium seine Förderungen aber noch einmal entscheidend und sorgt damit für Existenzängste. Konkret wurde das Budget für 2018 bereits um 179.000 Euro gekürzt. 2019 sollen noch einmal 230.000 Euro wegfallen. Damit beläuft sich die Fördersumme dann auf insgesamt 5,3 Millionen Euro. Zum Vergleich: 2017 waren es noch 6,1 Millionen Euro.
Bei vielen Organisationen geht es um Fördersummen im vierstelligen Bereich, keine großen Summen also – und dennoch genug, um ihre Arbeit insgesamt zu gefährden. Ein bekanntes Beispiel ist das feministische Magazin „Anschläge”: „Ein Großteil unserer eh sehr prekären Stellen mit viel zu wenig Stunden wurde immer durch die Förderung des ,Frauenministeriums‘ gedeckt”, sagt Katharina Payk, leitende Redakteurin beim Magazin. Die Anschläge-Redaktion hatte schon nach den Wahlen 2017 mit einer Kürzung gerechnet und deshalb ein erfolgreiches Crowdfunding durchgeführt, das es ihnen ermöglichte, ein weiteres Jahr zu bestehen. Durch die Kürzungen ist nun aber ungewiss, was nach dem Jahr passieren wird: „Nach 35 Jahren erfolgreicher Magazingeschichte stehen wir dann vielleicht vor der Frage, ob es überhaupt weitergehen kann.”
Mehr Geld für den Gewaltschutz?
So wie dem Magazin geht es vielen anderen Vereinen. Christian Berger und Andrea Hladky vom Frauenvolksbegehren in Österreich bewerten die Kürzungen deshalb auch insgesamt verheerend: „Das Frauen- und Familienministerium verfügt an sich schon über das geringste Budget aller Ressorts in Österreich. Die für dieses und nächstes Jahr vorgesehenen Kürzungen um bis zu 1,3 Millionen Euro stellt für viele Frauenvereine und Frauen- und Familienberatungsstellen eine existenzbedrohende Maßnahme da.” Und das bedeute, dass viele Frauen und Familien in Not alleingelassen werden.
Während bei diesen Projekten gekürzt wird, soll der Gewaltschutz stärker gefördert werden: „Der Schutz und die Hilfe für von Gewalt betroffene Frauen stehen für mich ganz oben auf der politischen Agenda“, betonte die Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß in einer Pressemitteilung vom 9. August 2018. Die Verschiebung des Geldes in den direkten Gewaltschutz wirft auch noch einige Fragezeichen auf. So kritisieren Expert*innen aus dem Gewaltschutz, dass die Mehrsumme hauptsächlich die Inflation und damit verbundene steigende Gehälter ausgleichen würde und man somit kaum von einer erhöhten Förderung sprechen könne. Darüber hinaus ist noch nicht klar, an welche Organisationen das Geld konkret fließen soll. Das Geld ist nur „bedarfsorientiert” eingeplant und laut dem Ministerium lediglich für den Gewaltschutz reserviert. Ob und wo die 100 neuen Frauenhäuserplätze, die die Regierung zu Beginn des Jahres 2018 angekündigt hatte, geschaffen werden, soll laut „Standard“ bis 2022 geklärt sein.
„Seit etwa zehn Jahren gibt es einen anschwellenden anti-feministischen Diskurs in Europa, aber auch darüber hinaus” – Birgit Sauer, Universität Wien
Österreich als Beispiel für eine europäische Entwicklung
Die Kürzungen in Österreich stehen, analysiert die Politikwissenschaftlerin Birgit Sauer, die an der Universität Wien lehrt, symptomatisch für einen antifeministischen Rechtsruck, den man an vielen Stellen in Europa in den letzten Jahren beobachten konnte und kann: Seit etwa zehn Jahren gäbe es einen anschwellenden anti-feministischen Diskurs in Europa, aber auch darüber hinaus, etwa in den USA und in Russland.
Das Feindbild dieser Bewegung ist klar, sagt Sauer: „Dieser neue Anti-Feminismus richtet sich insbesondere gegen ,Gender’ – die Vertreter*innen bezeichnen sich daher auch selbst als ,Anti-Genderisten’, da sie mit dem Konzept Gender sowohl die aus ihrer Sicht ablehnungswürdige Gleichstellungspolitik wie auch sexuelle Diversität verknüpfen.” Und für die rechten Parteien und Regierungen sind, so Sauer, feministische Projekte deshalb eine Gefahr, „eine Gefahr für tradierte Geschlechterrollen und tradierte geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und für die traditionelle heterosexuelle Familie.”
Und in Österreich zeigt sich nun der Erfolg der Bewegung, denn nach dem jahrelang geführten Anti-Gender-Diskurs, der von rechten Akteur*innen, aber auch von weiten Teilen der liberalen Mitte unterstützt wurde, seien nun die rechten Akteur*innen an der Macht und in der Lage, ihren Diskurs in konkrete politische Maßnahmen zu übersetzen. Die Kürzungen zeigen also vielleicht auch, wohin eine Diskursverschiebung in der Konsequenz führen kann. Eine Entwicklung, die auch für Deutschland zu denken geben sollte.
Innere Sicherheit als Rechtfertigung für rassistische Politik
Deshalb ist auch die Verlagerung in den Gewaltschutz durch die rechte Regierung problematisch für Sauer. Die Orientierung in den Gewaltschutz ist für sie eigentlich etwas Positives, die Gründe dafür allerdings nicht. In den 1990er-Jahren wurde die Einführung des Gewaltschutzgesetzes von Konservativen und rechten Politiker*innen noch vehement als Eingriff in die Privatsphäre bekämpft. Der Wandel wurde mit einem Sicherheitsdiskurs verknüpft, „der gut anschließbar an generelle Sicherheitsdebatten oder besser: Verunsicherungsdebatten, etwa im Kontext von Migration und Integration, ist“, sagt Sauer. „Das ,Polizieren‘ – also die Regulierung durch die Polizei – von Geschlechterverhältnissen ist deshalb für konservative und rechte Akteur*innen attraktiv, weil sie damit ihren Law-and-order-Diskurs propagieren können.” Damit würde das Gefühl unterstützt, dass (innere) Sicherheit das momentan drängendste Problem sei und soziale Fragen in den Hintergrund gedrängt.
„Bogner-Strauß nimmt mit ihrer Politik vielen frauen- und gleichstellungspolitischen Vereinen und Initiativen die materielle Existenzgrundlage.” – Andrea Hladky und Christian Berger, Frauenvolksbegehren
Dazu passt auch, dass die Kürzungen laut dem Frauenvolksbegehren nichts mit tatsächlich notwendigen finanziellen Einsparungen zu tun haben: „Jahrzehntelang aufgebaute, feministische und soziale Projekte werden so kaputtgespart, einige müssen aufhören oder sich zusätzliche private Geldgeber suchen. Geld, das sich ein reiches Land wie Österreich sehr einfach leisten kann. Wenn der politische Wille da wäre”, sagt Andrea Hladky vom „Frauenvolksbegehren“. Die Initiative hat deshalb eine klare Forderung: den Rücktritt der Frauenministerin. Ihre Begründung: „Bogner-Strauß nimmt mit ihrer Politik vielen frauen- und gleichstellungspolitischen Vereinen und Initiativen die materielle Existenzgrundlage. Sie verwüstet ein über viele Jahre mit Herzblut und unzähligen ehrenamtlichen Arbeitsstunden aufgebautes zivilgesellschaftliches Unterstützungs-, Beratungs- und Bildungssystem für Frauen sowie wichtige feministische Publikationsorgane wie die ,an.schläge’. Sie betont zwar regelmäßig, dass es sich lediglich um ,Umschichtungen‘ zugunsten des Gewaltschutzes handeln würde. Wofür umgeschichtet werden soll, ist nach wie vor unklar.”
„Feministinnen betreiben Widerstand, tun sich zusammen und erstarken – jetzt erst recht!” – Katharina Payk, Anschläge
Was es nun braucht? Solidarität
Und die Bedrohung endet nicht bei frauenpolitischen Themen: „Die Politik der rechtskonservativen Regierung richtet sich nicht nur gegen die allermeisten Frauen und Alleinerziehende, Geflüchtete und Menschen ohne österreichischer Staatsbürgerschaft, sondern auch gegen prekär arbeitende abhängig Beschäftigte, Selbstständige und Künstler*innen, und den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt”, sagt Hladky.
Die feministischen Projekte werde nicht aufgeben und sind bereits dabei, sich gegen die Kürzungen zu wehren, da ist sich Katharina Payk sicher: „Feministinnen betreiben Widerstand, tun sich zusammen und erstarken – jetzt erst recht!” Bei dem, was auf dem Spiel steht, brauchen sie allerdings Unterstützung, mahnt das Frauenvolksbegehren an: „Wir sind überzeugt, dass es möglichst breite, gesellschaftliche Allianzen braucht, die sich gegen diese neoliberal-rechte Wende und für Pluralismus, fundamentale Rechte und die liberale Demokratie überhaupt zusammenschließen.”
Mehr bei EDITION F
Warum der 12-Stunden-Tag in Österreich nicht mehr Flexibilität sondern Ausbeutung bedeutet. Weiterlesen
Frauenvolksbegehren in Österreich: „Es ist höchste Zeit, dass sich hier etwas ändert.” Weiterlesen
Linke Politik ist nur zukunftsfähig, wenn sie feministische Themen endlich ernsthaft einbindet. Weiterlesen