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Frauen shoppen, Männer kaufen

So müssten digitale Shops aussehen, um die Ansprüche von Frauen wirklich zu erfüllen.

 

Retourenraten bei Frauen viel höher

Darüber wurde schon viel geschrieben und viel vermutet: Frauen, die online shoppen, haben andere Bedürfnisse und Erwartungen als Männer. Einige Händler und Marken haben das bereits erkannt und gestalten ihre Shops entsprechend. Aber noch sind die meisten Shops klar auf männliche Kunden ausgerichtet. Dass die Retourenraten bei Frauen so viel höher sind als bei Männern, liegt schlichtweg daran, dass nicht auf ihre Bedürfnisse eingegangen wird.

Ein Beispiel: Anne will sich online eine neue Bluse kaufen und landet über die Suchfunktion schnell in der Kategorie Blusen. Sie klickt sich durch viele freigestellte Bildchen im Shop, entscheidet sie schließlich für eine der Blusen und legt sie in den Warenkorb. Dann sieht sie aber auf einer anderen Seite eine Handtasche und eine Lederjacke, vertieft sich in diese Kategorie – und entdeckt ihre Traumschuhe. Ein guter Fund! Aber ob das zu den anderen Sachen zu Hause im Kleiderschrank passt?

Frauen shoppen, Männer kaufen

Solche Situation kennen viele Frauen, die kurz vor dem Kauf aufgeben. Dabei hätten schon ein paar Features ausgereicht, damit Anne zur glücklichen Online-Käuferin wird: Statt freigestellter Bilder der Blusen sollten Shops lieber das Produkt an einem Model darstellen, Beispiele für Styles und Kombinationsmöglichkeiten geben sowie eine Teilfunktion für Pinterest oder Facebook bieten.

Denn Shopping ist für Frauen mehr, als eine Einkaufsliste abzuarbeiten. Sie verbinden damit ein emotionales Erlebnis und Spaß, sie wollen stöbern und sich inspirieren lassen – im echten Laden ebenso wie online. Vor allem suchen sie beim Einkauf aber die „perfekte Lösung“ und sammeln dafür eine Auswahl von Produkten, um sich zu entscheiden, sobald sie einen umfassenden Überblick über das Angebot haben. Dabei kann es vorkommen, dass sie mitten im Einkauf ihre Auswahlkriterien verändern oder ergänzen. Dann drehen sie bei ihrem vielschichtigen Kaufentscheidungsprozess – von der Aktivierung bis zur Befürwortung – auch mal eine Extrarunde:

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Da Frauen nicht nur für sich einkaufen, sondern für ihren ganzen „Tribe”, also für die Familie oder Freunde, spielen soziale Aspekte – wie die Meinung ihrer Lieben – ebenfalls eine große Rolle. Zudem hängt die Kaufentscheidung von Frauen oft vom Kontext ab: Für sie steht der Nutzen eines Produkts im Vordergrund.

Bei Männern sieht das anders aus. Sie kaufen ein, wenn sie etwas ganz konkret benötigen. Auf dem Weg zu einer „guten Lösung“ prüfen sie, ob die Auswahl zu ihren Kriterien passt und sind zufrieden, wenn das gelingt. Ihr Entscheidungsprozess läuft linear ab: Schritt für Schritt gehen sie zu ihrem Ziel, ohne sich ablenken zu lassen – und nutzen dafür im Web Produktkategorien und Preissuchmaschinen. Für den Online-Einkauf ist dieses Verhalten ideal, denn meist muss man schon wissen, was man will. Dann tippt man das einfach bei Amazon oder Zalando ein und am nächsten Tag klingelt der Paketbote.

Der ideale Shop

Wie sollten digitale Shops also aussehen, um die Ansprüche von Frauen zu erfüllen? Statt einfallslos Produkte aneinanderzureihen, die man mit Filtern durchforsten kann, sollten die Shops mehr auf den Stöber- und Inspirationsgedanken eingehen. Und außerdem Produkte in Aktion und im Kontext zeigen. Die Nutzerinnen wollen sehen, was eine Frau mit einem Gerät machen kann oder wie viele Wasserkästen in einen Kofferraum passen. Kommen dann noch Geschichten, Bewertungen und Userkommentare hinzu, wird das Produkt für Frauen noch interessanter und sie werden in ihrer Kaufentscheidung bestärkt – insbesondere wenn die Tipps oder die Beratung von Frauen kommen.

Einige Shops gehen mit gutem Beispiel voran: Der Baur Versand macht den Einkauf zum multimedialen Erlebnis. Mit Video, Musik und thematischen Schwerpunkten trifft er genau die Einkaufsbedürfnisse von Frauen. Das bewährte Katalogformat wurde erfolgreich digital übersetzt.

Die Shopping Community von Vente Privee regt ihre registrierten Mitglieder mittels Newsletter zu zeitlich begrenzten Verkaufs-Aktionen an. So wird insbesondere das Bedürfnis von Frauen angesprochen, zu stöbern und sich inspirieren zu lassen.

Leider nicht mehr live ist die Slide Show von Tabio, einem japanischen Sockenhersteller, der das Sockensortiment in einen fantasievollen Film einbindet: Man kann durch die Socken sliden und direkt im Video das gewünschte Produkt anklicken und bestellen. Das ist die perfekte Synergie zwischen Storytelling und E-Commerce.

Trotz dieser positiven Beispiele bleibt es dabei, dass digitale Shops hauptsächlich das Such- und Kaufentscheidungsverhalten von Männern bedienen. Das liegt daran, dass die Shopsysteme, also die Software, auf denen die Shops basiert, sehr ähnlich sind – und daran, dass die Shops hauptsächlich von Männern konzipiert werden. Gerade die Internetbranche ist stark von Männern geprägt: Hier arbeiten 86 Prozent Männer und nur knapp 14 Prozent Frauen. Seit den letzten Jahren ist der Anteil der Frauen in diesem Bereich sogar wieder gesunken.

Frauen, erobert die Technik!

Shops angesichts dieser Situation stärker auf das Einkaufsverhalten von Frauen auszurichten, bedeutet nicht, alles pink zu machen oder Männer auszuschließen, weil sie sich nicht mehr zurechtfinden. Zumal es nicht die typische Frau und den typischen Mann, sehr wohl aber Tendenzen zu bestimmten Verhaltensweisen gibt. Männer profitieren beispielsweise ebenso wie Frauen davon, wenn die Funktionsweise und der Nutzen von Produkten besser dargestellt werden.

Als Digitalagentur wünschen wir uns, dass Frauen den digitalen Raum stärker in Besitz nehmen und mitgestalten. Wenn die IT-Branche vermehrt Frauen einstellt und sich mehr Frauen in die Technik-Berufe trauen, können sie dazu beitragen, das Internet weiblicher zu machen, damit es wirklich „offen” für alle wird.

Anmerkung der Autorin

Dieser Artikel zeigt auf, wie sich Zielgruppen nur nach Geschlecht abgrenzen und im Internet sehr zielgerichtet ansprechen lassen. Mit den Begriffen „Frau”, „Mann”, „weiblich” und „männlich” wollen wir keine Stereotypen bedienen: Es gibt keine typische Frau und keinen typischen Mann, sondern bei jedem Mensch unterschiedliche Kombinationen bestimmen Eigenschaften und des Verhaltens, die als eher weiblich oder männlich gelten. Es ist allerdings bewiesen, dass die Geschlechter zu bestimmten Verhaltensweisen tendieren. Diese sind teils biologisch vorherbestimmt, als auch durch die Gesellschaft antrainiert.

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