Ex-Chefkoch-Geschäftsführer Robert Franken macht sich frei von Erwartungen. EDITION F sprach mit ihm über Sabbaticals, Community-Building und Top-Frauen.
Robert, seit einiger Zeit bist du nicht mehr Geschäftsführer bei Chefkoch. Was machst du zur Zeit? Nutzt du die Pause auch bewusst für dich?
„Die Pause nutze ich sehr bewusst, auch und vor allem dadurch, dass ich sie ohne allzu große Erwartungshaltung an mich selbst genieße. Der Plan war und ist, nicht mit riesigem Erkenntnisgewinn und klaren Vorstellungen von der Zukunft aus dem Sabbatical herauszukommen. Statt dessen nehme ich alle Impulse auf, die kommen. Das ist notwendig, um sich wieder neuen Dingen öffnen zu können. Muße zu haben ist dabei eine noch größere Freude, als nur Zeit.“
Du bist 2011 als Geschäftsführer von G+J Community (Gruner und Jahr) zu Chefkoch gestoßen. Was konntest du in der Zeit bei Chefkoch erreichen und wieso bist du gegangen?
„Ich habe Chefkoch.de in eine neue Phase überführt: vom erfolgreichen inhabergeführten Startup hin zum starken und wachstumsorientierten Marktführer im digitalen Food Business. Nun ist der Boden bereitet, diese Position weiter auszubauen und das Produkt weiterzuentwickeln. Wir konnten in dieser Zeit unsere Reichweite verdoppeln, tolle neue Kollegen in ein bereits exzellentes Team integrieren und der sehr hohen Erwartungshaltung an Umsatz und Rendite mehr als gerecht werden. Chefkoch.de ist heute eine der drei größten Food-Plattformen der Welt und arbeitet dabei hochprofitabel. Nun habe ich Lust darauf, meine Leidenschaft und meine Erfahrung in neue Themen und Ideen einzubringen, auch, aber nicht nur, im Medienumfeld. Wichtig sind mir dabei insbesondere Werte und Unternehmenskultur für den Menschen – auch jenseits des Rendite-Fokus.“
Chefkoch ist die erfolgreichste Koch-Community in Deutschland. Was waren die Hebel für den Erfolg?
„Die Plattform bedient einen eindeutigen Bedarf, und das täglich. Gekocht und gegessen wird immer, und die Bedienung der verschiedenen Services von Chefkoch.de ist kinderleicht. Hinzu kommt eine sehr gute Platzierung des Angebots bei Google und eine riesige, sehr emotionale Community.“
Zuvor warst du Geschäftsführer bei der Familien-Community Urbia. Liegt dir Community-Building?
„Mir liegen vor allem Dienste, die die Bedürfnisse von Menschen in emotional besetzten Themen befriedigen – digital wie analog. Food ist ein solches Thema, Parenting ein anderes. Ich finde es spannend zum Kern dieser Bedürfnisse vorzudringen und alles zur Seite zu räumen, was nicht zu 100 Prozent auf den Nutzer ausgerichtet ist. Das ist angesichts der vielen Stakeholder-Interessen, die hinter derartigen Unternehmungen stecken, nicht immer ganz einfach, im Erfolgsfall jedoch über die Maßen befriedigend.“
Als Geschäftsführer hast du auch zahlreiche Personalentscheidungen getroffen. Du engagierst dich recht stark für die Belange von Frauen in Führungspositionen, bist zum Beispiel im Beirat des Karriere-Wettbewerbs für weibliche Führungskräfte “We are Panda“. Was wäre deine Empfehlung an Frauen in Vorstellungsgesprächen?
„Zunächst würde ich einmal gar nicht so sehr zwischen Frauen und Männern unterscheiden wollen. Grundsätzlich sollte man rüberbringen, dass man Begeisterung, Neugier und Leidenschaft für eine Aufgabe mitbringt. Dabei darf auch ein gesundes Selbstbewusstsein anklingen, schließlich will man Leistung für das Unternehmen bringen. Ich bin zudem kein Freund von standardisierten Vorstellungsgesprächen oder schematischen Assessment Centern. Von einer guten Führungskraft erwarte ich ohnehin, dass sie im offenen Gespräch Stärken und Schwächen eines Kandidaten herausfinden kann. Konkrete Fertigkeiten müssen dabei nicht immer im Vordergrund stehen, wenn die Persönlichkeit zum Thema und die Person zum Team passt.“
Was ist typisch Mann und typisch Frau im beruflichen Kontext?
„Typisch Mann ist vermutlich, dass er seine Selbstzweifel recht gut kaschieren kann. Typisch Frau ist (leider) eine äußerst defensive Herangehensweise bei der Einforderung berechtigter Eigeninteressen (Beförderung, Gehaltserhöhung, Teilzeit etc.).“
Glaubst du, Frauen müssen sich männliche Attitüden aneignen auf dem Weg nach oben? Oder können auch weibliche Eigenschaften Führungskompetenz ausmachen?
„Im Gegenteil. Die Eigenschaften, die Frauen derzeit oftmals brauchen um in Führungspositionen zu gelangen, sind selten die, die nötig sind, um diese Positionen auch erfolgreich auszuüben. Klassisch weibliche Eigenschaften sind dringend erforderlich, um neue Führungs- und Unternehmenskulturen zu etablieren. Aber ich bin gleichzeitig überzeugt davon, dass die hinter diesen Eigenschaften liegenden Bedürfnisse keineswegs nur weiblich sind.“
Du hast viele männlich geprägte Führungslandschaften erlebt. Und gesagt, dass du dich darin selbst zunehmend unbehaglich fühlst. Was meinst du konkret? Hattest du selbst schon einmal Angst?
„Angst hatte ich tatsächlich noch nie. Das ist im beruflichen Kontext auch unangebracht; jedenfalls in den Kontexten, in denen ich mich bewege. (Eine Textilarbeiterin in Südostasien ist sicherlich nicht so frei.) Was mich kolossal nervt, sind Alpha-Männchen mit ihren immer gleichen markigen und zum Teil frauenfeindlichen Sprüchen – offen oder hinter vorgehaltener Hand. Das ist Mad Men Rhetorik, das haben wir hoffentlich bald hinter uns. Übrigens sind Frauen, die gleichermaßen unlauter agieren, ebenso unangenehm. Emanzipation kennt keine Geschlechtergrenzen, nur sind die Männer hier noch klar im diskursiven Hintertreffen. Gute Führung zeigt sich in Krisenzeiten und dann, wenn Hierarchien nicht das Mittel zum Zweck sind.“
Einzelthemen wie die Quote oder geteilte Elternzeit können wichtig sein. Aber sind sie der Weg? Was glaubst du braucht es für einen Wandel in unseren Köpfen?
„Ehrlichkeit bei allen Beteiligten – Frauen wie Männern. Das bedeutet Klarheit und offene, angstfreie Kommunikation der eigenen Vorstellungen und Bedürfnisse. Es kann zudem keine von oben verordneten Lebensentwürfe oder Vereinbarkeitsmodelle geben, sondern nur eines: Flexibilität im Rahmen der Möglichkeiten. Und was den Diskurs anbelangt: Männer müssen dorthin zurückfinden und endlich erkennen, dass weibliche Themen in Wirklichkeit gar keine solchen sind, sondern uns alle angehen.“
Was würdest du dir in diesem Zusammenhang wünschen von Frauen, Partnerschaften, Arbeitgebern und der Politik?
„Frauen sollten die Männer zurück in die Diskussion holen. Arbeitgeber müssen endlich wieder Werte leben, ihre gesellschaftlichen Verpflichtungen annehmen und Flexibilität zulassen. Partnerschaften müssen offen und ehrlich alle denkbaren Modelle durchspielen. Die Politik muss sich um alternative Wachstumskonzepte jenseits vom Umsatz und Rendite bemühen.“