35 Frauen haben all ihren Mut zusammengenommen: Sie klagen den Entertainer Bill Cosby öffentlich an, sie mit Drogen betäubt und vergewaltigt zu haben. Dem New York Magazine haben sie ihre Geschichten erzählt.
Ein starkes Statement gegen sexualisierte Gewalt
Sechs Monate lang hat das New York Magazine an der Story gemeinsam mit 46 Frauen gearbeitet. 35 von ihnen hat Amanda Demme für das Cover und in einzelnen Portraits fotografiert, alle erzählen ihre Geschichte. Sie sind heute im Alter zwischen 44 und 80 Jahren, das, was ihnen widerfahren ist, streckt sich über vier Jahrzehnte. Es ist eines der stärksten Statement seit langem um das große Schweigen zu brechen.
Denn noch immer ist es so, dass Frauen sich nicht trauen darüber zu sprechen, wenn sie vergewaltigt oder belästigt wurden. Die Täter schüchtern sie ein. „Niemand wird dir glauben“, ist das, was Bill Cosby vielen der Frauen gesagt haben soll. Das ist das, was vergewaltigte Frauen selbst von ihren Familien und Freunden zu hören bekommen: „Niemand wird dir glauben.“ Und ganz ähnlich verläuft es dann auch bei der Polizei. Eine Anzeige bleibt wirkungslos oder schlimmer noch: Die Entscheidung, sich zu wehren, wirkt sich negativ auf das Leben der Frauen aus, die eine Strafe für den Täter einfordern. Sie gelten als Lügnerinnen.
Die Norm: Frauen wird nicht geglaubt
Dass sexualisierte Gewalt auf diese Art und Weise ignoriert wird und sich der Mythos hält, Frauen würden (prominente) Männer der Vergewaltigung bezichtigen, weil sie Aufmerksamkeit und Geld wollen, wird auch als „Rape Culture“ bezeichnet – eine Kultur, in der sexualisierte Gewalt ihren Platz hat, da sie verschwiegen wird und und das Brechen dieses Schweigens mehr Schmerz bedeuten kann. Frauen kämpfen seit Jahrzehnten gegen diese Kultur an, die Zahlen sind auf ihrer Seite: Denn das Männer zu Unrecht der Vergewaltigung beschuldigt werden, ist ein medial gestütztes Zerrbild, das in der Realität so gut wie nie vorkommt. Was jedoch täglich mehrere tausend Mal überall in der Welt geschieht: Frauen werden vergewaltigt, belästigt, zum Schweigen gebracht.
Unsere Leserin Steffi hat vor ein paar Tagen aufgeschrieben, wie ein Blind-Date für sie zum Horrortrip wurde. Auch sie bekam ohne ihr Wissen Drogen und erlebte einen Übergriff durch einen Mann.
Das New York Magazine lässt die Frauen auch in Videos erzählen.
Social Media dreht die Machtverhältnisse um
Dieses Schweigen ist Ausdruck eines Machtverhältnisses, dass umso deutlicher wird, wenn es sich beim Täter um jemanden handelt, der gesellschaftlichen Einfluss hat und oftmals die Medien auf seiner Seite. Dieses Mal ist es anders: Die 35 Frauen, die stellvertretend für alle Opfer von sexualisierter Gewalt stehen, haben ein renommiertes Magazin auf ihrer Seite – und Social Media. So sagt Tamara Green:
“People often these days say, ‘Well, why didn’t you take it to the police?’ Andrea Constand went to the police in 2005—how’d it work out for her? Not at all. In 2005, Bill Cosby still had control of the media. In 2015, we have social media. We can’t be disappeared. It’s online and can never go away.”
Online bekommen sie über das Hashtag #TheEmptyChair Unterstützung und es ist wahrscheinlich, dass dieses Hashtag ein weiterer digitaler Anker wird für Menschen, die sich wehren und ihre Geschichten erzählen und mediale Machtstrukturen damit herausfordern. #Aufschrei hat das in Deutschland 2013 in Gang gebracht, das türkische Pendant dazu ist #sendeanlat – „Erzähl auch du es“.
Chelan Lasha, die er angeblich 1986 vergewaltigte, sagt: „Ich habe keine Angst mehr. Ich fühle mich mächtiger als er.“
35 Frauen geben dem Grauen ein Gesicht. Jede einzelne erzählt ihre Geschichte. Es ist unmöglich, ihnen nicht zu glauben. Und es ist unmöglich zu ignorieren, wofür der leere Stuhl an der Seite der Frauen steht: Für die unzähligen Geschichten, die noch nicht erzählt sind und die vielen Frauen, die noch immer schweigen.
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