Narzissten in der Arbeitswelt können nerven. Bärbel Wardetzki erklärt, wie man mit ihnen trotzdem klarkommen kann.
Narzissmus, um Angst abzuwehren?
Bärbel Wardetzki ist Psychotherapeutin und Autorin. Im März ist ihr neues Buch „Blender im Job“ im Scorpio Verlag erschienen. Sie setzt sich darin mit der Frage auseinander, wie man mit narzisstischen Chefs und Kollegen gut zurechtkommt – und darüber schreibt sie auch für unseren Partner Capital:
Narzissmus ist heute zu einem Modewort geworden, das fast jeder im Munde führt. Es wird als Schimpfwort benutzt, als Krankheitsbezeichnung oder mit Stolz als Aushängeschild vor sich hergetragen. Für mich ist Narzissmus primär keine Krankheit, sondern eine, oft sogar kreative, Anpassung an bestimmte Lebensumstände. Denn alle so genannten narzisstischen Manöver wie Selbstdarstellung und Selbstüberschätzung, Arbeitssucht und Machtausübung, dienen in erster Linie dazu, das Selbstwertsystem vor dem Zusammenbrechen zu schützen und Selbstunsicherheiten und Minderwertigkeitsgefühle zu verdecken.
Als Abwehrform von Angst und Unsicherheit und als Schutz vor Verletzung und Wertlosigkeit hat sich der Narzissmus daher hervorragend bewährt. Menschen mit einer narzisstischen Struktur besitzen darüber hinaus Kreativität, Intelligenz und Können, eine große Sprachgewandtheit, Visionen und eine mitreißende Kraft. Wäre da nicht ihre Unfähigkeit zu Empathie, Mitgefühl und menschlicher Bezogenheit.
Ihre Probleme liegen weniger auf dem Leistungssektor als mehr in Beziehungen. Sie streben keine gleichwertigen Beziehungen auf Augenhöhe an, sondern wollen immer überlegen sein. Erfolge anderer werden schnell zu einer Bedrohung für ihr Selbstwertgefühl, weil sie dann nicht die Besten sind. Das verhindert Teamfähigkeit und führt sogar dazu, fremde Erfolge als die eigenen auszugeben. Andere Menschen dienen ihnen mehr als Claqueure und Bewunderer, als dass sie wirkliches Interesse für sie entwickeln.
Auffällig ist ihre enorme Kränkbarkeit, die schnell in Rache umschlagen kann. Verhält sich das Gegenüber anders, als sie es vom ihm erwarten oder werden sie selbst zu wenig beachtet und gewürdigt, fühlen sie sich entwertet und abgelehnt. Ihre Wut richtet sich dann mit Macht gegen den anderen. Auch wenn sie sich damit selbst schädigen, muss der andere bestraft werden. Dementsprechend leiden die Mitmenschen oft sehr unter den narzisstischen Personen und warten vergebens auf Lob, Zuwendung und Mitgefühl.
Narzisstische Blender
Narzisstische Chefs, Kollegen und Mitarbeiter begegnen uns häufig in Gestalt von Blendern. Zwei der Bekanntesten sind der ehemalige Topmanager Thomas Middelhoff und der „Karstadt-Retter“ Nicolas Berggruen. Geblendet sind sie beide, der eine von seinem Größenwahn und der andere durch seinen Eigennutz. Ihre Überzeugungskraft war so groß und ihr eigener Glaube an sich und ihren Erfolg so stark, dass sie selbst und ihre Mitmenschen darauf reinfielen. Das Ergebnis war und ist das Scheitern an der Realität, die den grandiosen Vorstellungen nicht standhalten kann. Nicht nur, dass sie die Dinge beschönigen, sie verdrehen auch oft die Tatsachen, stellen sich und ihre Leistung besser dar und machen andere für ihr Versagen verantwortlich. Wen sie jedoch gut finden, den loben sie in den Himmel. In ihrer Absolutheit ist das, was ihnen gefällt, der Traum schlechthin und das, was sie anstreben, das einzig Wahre. Nichts ist einfach nur gut, sondern immer großartig.
Der Unterschied zwischen Könnern und Blendern besteht darin, dass jene ihre Kompetenz für ein gutes Ergebnis einsetzen. Blender hingegen tun alles in erster Linie für sich selbst, unabhängig davon, ob es im Sinne der anderen und des großen Ganzen ist.
Herausforderung für unser Selbstwertgefühl
Der Kontakt mit narzisstischen Menschen bedeutet eine Herausforderung für unser eigenes Selbstwertgefühl. Denn sie schaffen es, dass wir uns in ihrer Umgebung entweder klein und inkompetent oder über die Gebühr in den Himmel gehoben fühlen. Das eine Mal werden unsere Leistungen und Kompetenz nicht geschätzt, das andere Mal sehen wir uns mit überhöhten Ansprüchen konfrontiert, die wir nicht einlösen können. Am Ende bleibt ein ungutes Gefühl, da man nie richtig zu sein scheint.
Je nachdem, wie stabil unser Selbstwertgefühl und das Vertrauen in unser Können sind, werden wir uns entweder unterordnen und versuchen, über Anpassung und So-werden-wie-der-andere-uns-haben-will Beachtung und Anerkennung zu bekommen. Oder wir beginnen, gegen die ungerechte Behandlung und das falsche Bild von uns zu kämpfen. Leider ziehen wir meist den Kürzeren, denn ein solcher Kampf führt zu gegenseitigen Verletzungen und kann am Ende scheitern. Im schlimmsten Fall verlieren wir unseren Job. Aber auch die Anpassung funktioniert nur partiell, denn wir müssen so viel von uns verlegenen, dass die Zusammenarbeit am Ende zum Dauerstress wird.
Sieben Regeln zum Umgang mit narzisstischen Chefs und Kollegen:
• Je selbstbewusster und autonomer Sie sind, umso besser können Sie die narzisstische Entwertung abwehren und sich selbst behaupten.
• Beziehungsstiftend wirkt die Spiegelung der Emotionen. „Mir scheint, Sie sind sehr gekränkt über mein Verhalten. Wie können wir uns verständigen?“ Sie geben dem anderen zu verstehen, dass Sie seine Gefühle ernst nehmen und signalisieren Kooperationsbereitschaft, lassen sich aber nicht einschüchtern.
• Stärken Sie das Selbstwertgefühl Ihres Gegenübers: „Wie Ihnen sicherlich auch schon aufgefallen ist, gibt es dort und dort ein Problem. Ich würde folgende Maßnahmen vorschlagen.“ Auf diese Weise vertreten Sie Ihre Meinung und betonen zugleich die Kompetenz des anderen.
• Holen Sie den narzisstischen Chef beziehungsweise Kollegen ins Boot, indem Sie ihm klar machen, dass er für die Zusammenarbeit unverzichtbar ist und Sie ihm nichts wegnehmen wollen.
• Finden Sie irgendetwas, das Ihnen am anderen gefällt, etwas, das Sie wertschätzen können.
• Kommunizieren Sie gewaltfrei statt Vorwürfe zu machen: Mir fällt auf, dass Sie mir auf meine Mails keine Antwort geben (Beobachtung). Das ärgert mich (Gefühl) und ich wüsste gerne, warum Sie das tun (Bedürfnis).
• Im schlimmsten Fall kündigen Sie, denn es kann krank machen, zu lange in einer entwertenden Situation zu bleiben. Sie haben es verdient, an einem Ort zu arbeiten, an dem man Sie und Ihre Leistung schätzt.
HINWEIS: Die Veröffentlichung des Textes erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Capital – Das Online-Portal des Wirtschaftsmagazins Capital mit Reportagen, Analysen, Kommentaren aus der Welt der Wirtschaft und der persönlichen Finanzen.
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