Foto: Pixabay

Abschied von den Basteltanten – was jenseits des Kita-Streiks passieren müsste

Alle sind sich einig, wie wichtig die frühkindliche Förderung in den Kitas ist – bloß zahlen will dafür irgendwie keiner.

 

Zehn Prozent mehr Gehalt

Die Mitarbeiter kommunaler Kitas streiken, ein Ende ist bisher noch nicht absehbar, womöglich bis zu den Sommerferien. Für viele Eltern bedeutet das natürlich Chaos und Stress. Hunderttausende Eltern müssen für eine alternative Betreuung ihrer Kinder sorgen, viele Eltern wissen nicht, wie sie die Betreuung ihrer Kinder sicherstellen sollen, einfach zu Hause bleiben geht nicht, für Lösungen müssen sie selbst sorgen. (Ich frage mich übrigens, wenn ich lese, dass Eltern sich Not-Tagesmütter organisieren müssen, wie das funktionieren soll – meine Kinder jedenfalls würden streiken, wenn ich sie von einem Tag auf den nächsten bei einer wildfremden Person absetzen und viel Spaß wünschen würde.)

Der Ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske argumentiert, es habe bei den Kitas einen enormen pädagogischen Qualitätsschub gegeben, der sich jetzt auch in der Bezahlung der Erzieher niederschlagen müsse. Tatsächlich hat eine Kita heute nicht mehr viel mit dem zu tun, was diejenigen, die heute selbst Eltern kleiner Kinder sind, noch als Kindergarten kannten, zumindest in den alten Bundesländern. Der Kindergarten war für viele keine Notwendigkeit, sondern ein Zusatzprogramm. Viele blieben die ersten drei Jahre zu Hause, bevor sie in den Kindergarten kamen, und dann holte einen die Mutter schon zum Mittagessen wieder ab, bis dahin bastelte und baute man hübsch vor sich hin. Heute geht es in Kitas um Sprachförderung, um Integration, Inklusion, Frühförderung….Erzieherinnen und Erzieher sind, falls sie das je waren, keine „Basteltanten“ mehr, wie das eine Erzieherin bei „Hart aber Fair“ neulich sehr leidenschaftlich vorbrachte. 

Mitarbeiter von Kitas, da sind sich Experten ziemlich einig, müssen heute dasselbe leisten wie Grundschullehrer, nur eben mit erheblich schlechterer Bezahlung. Kita-Erzieher bekommen zurzeit ein Einstiegsgehalt von 2311 Euro brutto. Grundschullehrer starten je nach Bundesland mit einem Gehalt zwischen 2800 und 4200 Euro. Der Direktor des Deutschen Jugendinstituts, Thomas Rauschenbach, spricht in der „taz“ im Zusammenhang mit der Aufwertung des Berufs des Erziehers von einer nachholenden Modernisierung. „Die Lernprozesse von Fünfjährigen unterscheiden sich nicht wesentlich von denen sechsjähriger Kinder. Wenn wir den Kindergarten als Teil des Bildungssystems ansehen, müssen wir auch dieselben Kriterien anlegen.“ Also auch bei der Bezahlung.

Ver.di will erreichen, dass Erzieher, Sozialpädagogen, Heilpädagogen und Beschäftigte in Werksstätten und Einrichtungen für behinderte Menschen mehrere Tarifstufen höher eingruppiert werden, im Durchschnitt wäre das eine Gehaltserhöhung von etwa zehn Prozent. Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber schätzt, dass so eine finanzielle Mehrbelastung von1,2 Milliarden Euro auf die Komunen zukäme.

Falls es so kommt, befürchten Experten, dass die Kommunen den Personalschlüssel in Kitas und anderen Einrichtungen weiter senken, um die neuen Kosten aufzufangen. Ein höheres Gehalt müssten Erzieher und Sozialarbeiter also mit steigender Arbeitsbelastung bezahlen, weil die verschuldeten Kommunen dann erst recht kein Geld mehr übrig hätten, um in mehr Personal zu investieren, das so dringend benötigt wird. Eine berechtigte Forderung wird immer lauter: Der Bund müsste sich viel stärker einbringen und stärkere finanzielle Unterstützung für Kitas und Ganztagsschulen leisten.

Schließlich steht im Koalitionsvertrag, dass Kitas und Ganztagsschulen den Bildungserfolg von Kindern verbessern und einen Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit leisten. Bildungsgerechtigkeit ist das große Thema, die Chancenungleichheit in Deutschland beim Thema Bildung und Aufstiegsmöglichkeiten als riesiges Problem erkannt. Bloß passiert bisher nichts, was daran groß etwas ändern würde.

Und dann auch noch das: In Berlin denkt man darüber nach, Kitagebühren komplett abzuschaffen. Klingt höchstens im allerersten Moment gut, denn: Wieso sollen Leute, die es sich leisten können, nicht an den Betreuungskosten für ihre Kleinkinder beteiligt werden? Die Kostenbeteiligungstabelle, die beispielsweise in Berlin bisher über die Höhe der Elternbeteiligung an den Betreuungkosten entscheidet, berücksichtigt sehr gut die unterschiedlichen Einkommensverhältnisse von Familien: Wer wenig hat, der zahlt wenig, wer viel hat, der zahlt mehr, so einfach kann es manchmal sein – dieses sehr sinnvolle Prinzip abzuschaffen, würde bedeuten, die finanziellen Möglichkeiten für Kitas, die Chancen für einen angemessenen Betreuungsschlüssel, für eine gute Ausstattung und für eine angemessene Bezahlung des Personals weiter zu verschlechtern. Es ist einigermaßen absurd.

 

Mehr auf EDITION F

Immer noch falsch: Das Betreuungsgeld. Weiterlesen

Isabel Robles Salgado: „Mütter sind super Mitarbeiterinnen.” Weiterlesen

Familien: Das Hamsterrad als Dauerzustand. Weiterlesen

 

Anzeige