ElektroCouture verbindet Tech und Fashion und ist das Baby von Lisa Lang. Wir haben sie besucht, um mit ihr über ihre Firma und ihren Weg zu sprechen.
Trial & Error: Lisa Langs Mentalität
Kaum hat mich der Bauch des Startup-Hubs Rainmaking Loft in Kreuzberg geschluckt, stehe ich auch schon vor Lisa Lang, die sofort losprudelt und zwischen Mac und Lötkolben von einer Ecke zur nächsten fegt, um mir jene Technik und Mode zu erklären, die in ihrer Verbindung zu ElektroCouture werden.
Während wir uns immer wieder vornehmen, nun an einem ruhigeren Ort über ihre im Oktober 2014 gegründete Firma zu sprechen, findet sie stets neue Dinge, die sie mir zeigen und erklären will. Wie lässt sich am einfachsten umschreiben, was du deinen Kunden anbietest? Ich sage immer: „I can make it glow“, präsentiert mir Lisa ihre simple Erklärung. Und hier könnte man aufhören, wir sind aber noch längst nicht durch.
Lisa stellt Wearables her, die sie in Verbindung mit Schals, Jacken und Geschmeide zu Mode und Accessoires transformiert. So lässt sie leuchtende Glasfaserkabel am Saum von Schals und Jacken entlang laufen oder bringt Miniatur-LEDs auf Kettenanhängern zum Glühen. Angefertigt wird auf Anfrage. „Die an der Kleidung versteckt angebrachte Minibatterie lässt sich bei Bedarf ganz einfach aufladen – dank eines USB-Anschlusses“, lacht sie und malt in meinem Kopf das Bild davon, wie ich Accessoires künftig abends an meinen Laptop hänge.
Netzwerken ist wichtig
Die Idee und das fertige Design liegen in den Händen von Lisa, die sich aber für Spezialgebiete eigene Experten sucht, mit denen sie kooperiert. Wie mit dem Geschwisterpaar aus den USA, von denen sie Mini-Solarpanels erhält, welche die Batterie bald überflüssig machen werden oder Victoria, die mit einer gehakten Strickmaschine Fotos zu Decken modifizieren kann und für Lisa die bunten Schals fertigt oder eine polnische Designerin, die diese ganz besonders tollen Neoprenmäntel herstellt, die Lisa für ihre Wearables so passend findet.
Auch wenn sie sich in ihrer eigenen kleinen Diktatur wohl fühlt, wie es Lisa ausdrückt, so ist auch für sie ein dichtes Netzwerk essentiell, um weiter zu kommen. Das zu pflegen, ist teil ihrer Gründerkultur. Das half ihr auch, als sie auf das Fab Lab in Berlin stieß und dort mit einem Lasercutting-Kurs den Grundstein für ihr Label legte. „Viele denken ja, in so einem Tech-Schuppen wirst du als Frau schief angesehen und Fragen stellen geht schon mal gar nicht. Das ist auch oft so. Im Fab Lab ist mir das aber noch nie passiert.“
Mit voller Wucht an die Mauer
Einmal am cutten konnte Lisa nicht mehr aufhören und irgendwann erklärte sie ihrem Mann: „Ich werde mich selbstständig machen.“ Und der, selbst Entrepreneuer und grundoptimistischer Australier, war von der Idee begeistert. Das hilft. „Er unterstützt mich sehr, ist aber auch mein größter Kritiker. Was natürlich auch hart sein kann, aber enorm wichtig ist. Denn natürlich ist es schwer sich selbstständig zu machen, aber das ist gut. Wenn Sachen richtig schwer umzusetzen sind, dann kann sie nicht jeder machen.“ Was sie auf die Selbstständigkeit vorbereitete war das Leben als Freiberufler. „Zu lernen, alle Rechnungen aufzuheben, sich mit Steuern und Ein- sowie Ausgaben zu beschäftigen, ist ein super Training. Ich bin da auch einmal gestolpert, aber das war nicht weiter schlimm.“
Einen Stolperer ganz anderer Art legte Lisa schon mit 26 Jahren hin. Ein Burnout. Während andere in ihren 20ern Party machen und sich treiben lassen, hatte Lisa schon ihren ersten Executive-Posten. In Australien, was auch der Grund ist, warum sie immer mal wieder ins Englische fällt. „Eineinhalb Jahre habe ich komplett Gas gegeben, sieben Tage die Woche durchgearbeitet und gar nicht gemerkt, wohin mich das führt. Und den Menschen, die das sehen, denen hört man ja gar nichts zu. Denn in seinen 20ern denkt jeder, er ist unverwundbar. Am Ende musst du dir das so vorstellen: Du läufst und läufst auf einer Rennstrecke und auf einmal, aus dem Nichts, da taucht eine Wand auf und du bretterst voll dagegen. Heute weiß ich, wo meine Grenzen liegen. Meistens zumindest“, schmunzelt sie.
Von Australien ging es mit ihrem Mann nach Europa oder vielmehr: nach Freiburg. Während er die Stadt ganz idyllisch fand, bekam Lisa in der Kleinbürgerlichkeit die Krise. Aber Unzufriedenheit kann im besten Fall ein Schlüssel zu Kreativität sein. Bei ihr war das so und sie gründete kurzerhand das Geek Girl Dinner Freiburg. Ein Meetup, das sie bereits aus Australien kannte und in Melbourne mitgegründet hat, in Freiburg hatte man davon allerdings noch nichts gehört. Damit begann sie Kontakte zu knüpfen, die sie schließlich nach Berlin führten.
Mach dein eigenes Ding
Hier arbeitete sie als Freelancer im Marketing, als Projekt-Managerin und in der PR. Irgendwann entschied sie sich für eine Vier-Tage-Woche, denn an dem fünften wollte Lisa, wie sie es ausdrückt, spielen. „Ich begann mich auszuprobieren, weil ich wusste, dass ich woanders hin will. Bereits in der Uni sagte mal ein sehr schlauer Professor zu mir: Warum du nirgends reinpasst? Weil du ein Entrepreneur bist. Und ich fragte: Echt? Und alle um mich herum lachten, weil es stimmte. Tja, man selbst merkt es oft als letztes.“
Heute ist sie Entrepreneur und Lisa ist zufrieden. Durch geschicktes Management finanziert sich die Firma wie sie sagt, bereits selbst. Darüber hinaus berät sie andere Unternehmen, Künstler und Designer dabei, wie sie ihre Ideen mit Wearables umsetzen können. So ist sie schließlich selbst zur Expertin anderer Netzwerke geworden.
Gab es denn etwas, dass sie nach dieser kurzen Zeit schon rückblickend anders gemacht hätte? „Ja, das Team. Ich würde heute viel früher reagieren, wenn jemand nicht mehr dazu passt und einfach gehen muss. Das klingt hart, aber ist gerade in kleinen Teams essentiell um weiterzukommen. Außerdem würde ich heute viel früher Hilfe annehmen. Obwohl ich täglich von meinem Netzwerk profitiere, vergesse ich manchmal selbst, für was ich es nutzen kann.“ Wo sie denn noch hinwill? „Ich möchte ein Imperium erschaffen”, sagt sie und nickt ernst.
Artikelbilder: Christopher Santos
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