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Pro-Bono: Gutes tun muss besser honoriert werden

Was bedeutet es, sich jeden Tag für das Gute einzusetzen? Gedanken über das Arbeiten in Nonprofit-Organisationen.

 

Schlaglichter meiner Woche

Montag: Ich sitze mit dem Leiter eines Flüchtlingsprojekts zusammen. Wir überlegen, wie wir im neuen Newsletter auf die Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan aufmerksam machen, die keinen Anspruch auf Fördermittel haben.

Dienstag: Auf einer Pressekonferenz eines Vereins erzählt eine Holocaustüberlebende von dem schrecklichen Leid, das sie erleben musste. Sie beschreibt, wie sie Leichen auf einen Haufen zusammenträgt, nur, um nicht selbst in die Gaskammer zu müssen.

Mittwoch: Ein Verein möchte bald ein inklusives Familien- und Bildungszentrum eröffnen. Ich berate den Vorstand, wie dieser mit Fundraising die laufenden Kosten decken kann. Wir planen, mit welchen Online-Tools der Verein noch mehr Spenden generieren können.

Donnerstag: Studierende der sozialen Arbeit lauschen meinem Vortrag zum Thema Fundraising für Nonprofit-Organisationen. Was ist Crowdfunding? Wie viele Stiftungen in Deutschland gibt es? Und wie überzeuge ich Menschen, für mein Projekt zu spenden?

Freitag: Ich hadere mit den Fragen eines Förderantrags: „Wie innovativ ist ihr Projekt? Was ist neu daran?“ Wenn Kinder ihre Talente und ihr Selbstbewusstsein entdecken, zum ersten Mal einen eigenen Rap-Text schreiben und voller Stolz auf der Bühne ihren Applaus entgegennehmen, ist das einer der schönsten und prägendsten Momente in ihrem Leben, der sich nachhaltig auf ihre Entwicklung auswirkt. Reicht das nicht? Warum legen die Förderer so viel Wert darauf, dass niemand anders eine ähnliche Projektidee hatte?

Die Sinnfrage im Job muss ich mir nicht stellen

Nach einem geisteswissenschaftlichen Studium und einer Weiterbildung im Fundraising und Projektmanagement trudelten mehr Aufträge als Bewerbungsgespräche in meinen virtuellen Briefkasten. So war ich plötzlich selbstständig und das gefiel mir gut: Schon immer wollte ich selbst entscheiden, woran ich arbeite und auch für wen: Meine Zeit und Energie wollte ich Non-Profit-Organisationen widmen. Ich war fest entschlossen die Welt ein kleines bisschen besser zu machen und denen zu helfen, die der Gesellschaft helfen. Seit fünf Jahren verbringe ich nun viel Zeit damit, Vereine zu beraten, wie sie ihre Webseite optimieren, an Gelder und Unterstützer kommen oder ihr nächstes Event planen. Das Gute daran ist: Jeden Morgen stehe ich auf und weiß wofür. Für traumatisierte Flüchtlinge, für Kinder mit Behinderung, für Jugendliche, denen sonst keiner eine Chance gibt und dafür, dass Holocaust-Überlebende ein letztes Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung erfahren.

Dieses Wissen unterscheidet mich von so manchen anderen in meinem Umfeld. Freunde, und Bekannte beklagen sich immer mal wieder: Ihr Job sei schon in Ordnung, aber ihnen fehle der Sinn und der Tiefgang in ihrer Arbeit. Letztens saß ich in genau so einer Runde: „Wir möchten so gerne etwas machen, das wirklich etwas bewirkt, das Menschen verändert“, war der Tenor. Ich konnte nicht mit in den Klageruf einstimmen und sagte nach einer Weile: „Also mir geht es da anders. Was ich mache, hilft definitiv anderen weiter und die Sinnfrage muss ich mir nicht stellen.“  

Das Schöne daran ist, das ich Gutes tun kann, ohne dabei in klassischen sozialen Berufen – wie Sozialarbeiterin, Krankenschwester oder Lehrerin – zu arbeiten. Denn dort wäre ich nicht am richtigen Platz: Ich gehe emotional zu stark mit, kann kein Blut sehen und meine Geduld ist begrenzt. Stattdessen rette ich die Welt indem ich Texte erstelle, Strategien entwickele, Projekte konzipiere und andere bei der Umsetzung ihrer Ideen berate. Während meiner Freiberuflichkeit habe ich jede Menge toller Leute kennen gelernt, die im Non-Profit Bereich arbeiten oder ein Social Business gegründet haben. Sie wollen die Welt verändern und das jeden Tag. Es gibt jede Menge von ihnen und es macht Spaß, das zu sehen.

Heiligt der gute Zweck die Mittel?

In der Non-Profit-Branche zu arbeiten, ist auf der einen Seite ein Traum. Auf der anderen Seite kann ich nicht mithalten, wenn ich zum Beispiel während eines WM-Spiels mitten unter Immobilienmaklern sitze, die sich gegenseitig auf ihren Smartphones Fotos ihre Segeljachten zeigen. Mithalten will ich auch gar nicht. Mir würde es schon reichen wenn ich – neben jeder Menge gutes Karma – auch noch den einen oder anderen Euro für die Altersvorsorge ansammeln könnte.

Grund für die finanziell noch nicht ganz ausgereifte Lage sind diese Menschen, die ich bei allen möglichen Gelegenheiten treffe und die meinen Job „gigantisch“ finden. Es wäre ja so ein Zufall, sagen sie dann, sie hätten auch einen Verein und suchten genau jemanden wie mich. Geld hätten sie leider nicht, um mich zu bezahlen – aber es wäre ja für einen guten Zweck. Ich muss mir dann stark auf die Zunge beißen, um nicht zu antworten: „Was für eine Überraschung, das passiert mir sonst quasi nie, das ein Verein kein Geld hat und – oh Wunder – auch noch für einen guten Zweck arbeitet. Daher wäre es mir eine große Freude, umsonst für euch zu arbeiten!“ Tatsächlich sage ich dann in einem netten Tonfall irgendetwas von dem Bäcker, der ja auch davon lebt, dass er seine Brötchen verkauft und nicht verschenkt. Und dass Non-Profit nun mal mein Business ist und meine Dienstleistung daher Geld kostet.

Aber nicht nur die fehlende Bereitschaft für Externe zu bezahlen ist ein Problem in der Non-Profit-Branche. Mit einer Kollegin befragte ich letztes Jahr 70 Angestellte in Berliner NGO‘s zu ihren Arbeitsbedingungen und ihrer Bezahlung. Heraus kam, dass befristete Arbeitsverträge die Regel sind und dass die Unzufriedenheit über das Gehalt groß ist. Betriebsräte oder Mitarbeitervertretungen sind längst nicht überall selbstverständlich und unter vorgehaltener Hand erzählten uns einige, dass Verhandlungen über Geld tabu seien: In ihrer Organisation herrsche ein unausgesprochener Konsens  darüber, dass Mitarbeitende sich glücklich schätzen könnten, an einer guten Sache mitzuarbeiten.

Das Wohl der anderen und die Unterbezahlung

Das ist schockierend: Organisationen, die sich für das Wohl anderer Menschen einsetzen, lassen die prekäre Beschäftigung ihrer eigenen Angestellten zu. Die Gründe dafür sind vielfältig und haben nicht nur mit fehlenden Mitarbeitervertretungen zu tun. Auch die zeitlich begrenzte Förderung von öffentlichen Zuwendungen, die nach zwei oder drei Jahren die Angestellten wieder auf die Straße schickt, der Einbruch von Spendeneingängen und generell unprofessionelle Organisationsstrukturen wirken sich negativ auf die Situation der Mitarbeitenden aus.

Fest steht: Gutes tun muss besser honoriert werden. Nicht in Form von Segeljachten, Privat-Hubschraubern oder Maseratis – jedoch angemessen. Denn Philanthropie beginnt bei der adäquaten Behandlung der eigenen Mitarbeitenden.

Beruflich die Welt retten kann ich weiterhin jedem empfehlen. Jedoch bin ich vorsichtiger geworden und prüfe eingehende Anfragen sehr genau. Auf meinem Weg habe ich viele getroffen, die von der „bösen Wirtschaft“ in den Non-Profit-Bereich wechselten und bald enttäuscht waren. Die Strukturen und Bedingungen, die sie vorfanden, waren nicht unbedingt besser, sondern nur anders. Am Ende des Tages ist der Non-Profit-Job auch nur ein Job, der Spaß macht, oder nicht, Geld bringt oder nicht. Sinn ergibt er auf jeden Fall immer.   

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