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Mythos: Das glamouröse Startup-Leben

Pitch-Reisen, Investoren-Meetings, Netzwerk-Events, Nachtschichten. Was so glamourös aussieht, hat eine Kehrseite. Was hinten runterfällt? Privates.

Familie und Freunde begleiten die Gründung

Als Susann und ich uns im Sommer 2013 entschlossen haben zu gründen, erzählte ich davon zuerst meinen Eltern und meinen engsten Freunden. Mir war wichtig zu hören, was sie darüber denken. Ihre Unterstützung und ihr unbändiger Glaube an Susann, mich und unsere Idee bestärkte mich, den Schritt zu wagen, auch wenn die Angst zu scheitern recht groß war.

Bei allen großen Entscheidungen waren meine Mama und meine engsten Freunde enge Begleiter und vor allem Ratgeber. Jetzt, beinahe zwölf Monate nach dem Entschluss zum beruflichen Neustart, wird mir erschreckender Weise bewusst, dass ich insgesamt immer weniger Zeit mit den Menschen verbringe, die mir am Wichtigsten sind und die bisher immer an meiner Seite waren. Und das, obwohl ich auch davor schon meine Arbeit liebte. Der spontane Vino um 18 Uhr – unmöglich. Der verlängerte Wochenendtrip mit Freunden und der gesetzte Amrum-Kurzurlaub um Ostern – alles plötzlich kein Thema mehr. Manchmal ertappe ich mich dabei, wie mir erst nach drei oder vier Wochen auffällt, dass ich lange nicht mehr mit jemandem gesprochen habe oder mir noch gar kein grandioses Geburtstagsgeschenk für meine Freundin eingefallen ist. Immer öfter denke ich mir auch, ich will meine Freunde und meine Familie gar nicht mit dem uninteressanten Unternehmensgeschichten und -entscheidungen oder den Gefühls-Auf-und-Abs aus meinem Gründerleben belästigen. Es ist ein Themenkosmos, den man außerhalb meines aktuellen Lebens wahrscheinlich kaum nachvollziehen kann.

Wenn Freunde, Familie und ich hinten anstehen

Pitch-Reisen, Investoren-Meetings, Netzwerk-Events, Nachtschichten, Sonntagnachmittags-Interviews. Was für die Außenwelt vermeintlich aufregend wirkt, führt in den wenigen ruhigen Momenten immer wieder zum Nachdenken. Melde ich mich oft genug bei meinen Großeltern? Wäre die Reise zu einer Familie und in meine Heimat Hannover nicht wichtiger, als der Sonntagvormittag über der Buchhaltung? Wie bekommen andere Gründer Familie, Freunde und sogar noch Sport scheinbar problemlos in ihr Leben? Von Urlaub ganz zu schweigen. Hinzu kommt: Das Gründer in den Medien immer mehr gefeiert werden.

Doch ganz ausschließlich glamourös ist die Sache mit dem Gründen nicht. Die Wahrheit ist: Gründen ist herausfordernd. Immer wieder kommen Zweifel. Ängste. Harte Entscheidungen. Die Sorge um das Geld. Die Sorge um den Erfolg. Erwartungen. Zeitmangel. Und dann vergisst man manchmal, sich an den vielen kleinen und großen Errungenschaften und dem Erreichten zu freuen, zu reflektieren, wo man gerade steht und wo man hin möchte um festzustellen, dass der Schritt genau der richtige war. Was man viel häufiger tun sollte: Die Freude teilen – mit sich selbst, dem Mitgründer, den Mitarbeitern, den Freunden.

Ich mag das Gerede von Work-Life-Balance normalerweise gar nicht. Klar ist Arbeit manchmal anstregend. Allerdings hat mir die Trennung von Arbeit und Privatem noch nie ganz eingeleuchtet. Schließlich mache ich vor allem seit der Gründung ganz genau das, was mir Spaß macht. Doch immer häufiger ertappe ich mich dabei, dass ich viel zu viel davon spreche. Auch in den wenigen Momenten, in denen das Geschäftsführer-Dasein richtig weit weg sein sollte. Dass ich Abendessen absage, wenn sie eigentlich schon angefangen haben, weil ich noch im Büro sitze oder ich keine Lust mehr habe, zu reden.

Was zählt das Leben?

Letztens schrieb mir bei Facebook ein Unbekannter und fragte, wann ich anfangen würde zu leben, statt zu arbeiten. Zunächst ärgerte ich mich sehr über den Kommentar und dachte: Die Person kennt mich doch gar nicht und kann auch gar nicht einschätzen, wie ich lebe. Und trotzdem machte mich die Nachricht nachdenklich. Das Bild, dass ich nach außen vermittelte, schien diese Einschätzung zu erlauben.

Also sprach ich mit einem guten Freund darüber. Er sagte, dass jeder meiner Freunde das verstehen und wirklich gute Freunde solche intensiven Zeiten mitgehen würden. Ich bin mir recht sicher, das er Recht behält, aber man darf diese Unterstützung von der Familie und Freunden nicht als Selbstverständlichkeit nehmen. Und die Frage ist: Wie lange dauern „solche Zeiten“? Oder wie lange dürfen sie dauern? Ich bin meinen Freunden und meiner Familie sehr dankbar, dass sie bisher alles mittragen. Sie sind mir eine unglaubliche Hilfe. Und: Ich habe das große Glück, dass meine Mitgründerin Susann und ich mittlerweile mehr als Freunde sind. Sie ist fast so etwas wie Familie für mich geworden. Wir teilen Freunde, Entscheidungen und Ängste. Auch das ist keine Selbstverständlichkeit.

Ein Tag gewinnt

Trotzdem hat mich die eigentlich belanglose Facebook-Nachricht zum Nachdenken gebracht und ich glaube es hilft, Freunden und der Familie zu sagen, dass man erreichbar ist, sich auch über spontane Anrufe freut und grundsätzlich nichts gegen die Wochenendreise einzuwenden hat. Ist man einen Tag nicht im Büro oder auf Startup-Mission, wird einem recht schnell deutlich, wie wenig ein Tag ausmacht. Wie ersetzbar man für diesen Tag glücklicherweise ist und wie wichtig die Energie ist, die dieser eine Tag fernab des Schreibtischs ausmachen kann.

Wenn man gründet, riskiert man eine Menge. Was allerdings nicht dazu gehören sollte, sind Freunde, Familie und man selbst.

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