Sie sind hochinteressiert, sprunghaft und leidenschaftlich: Scanner-Persönlichkeiten. Lisa hat ein Buch über sie gelesen und sich darin wiedererkannt – für sie eine echte Offenbarung.
Muss ich mich entscheiden?
Ich saß in einem Café, gab bei der Bedienung meinen Wunsch mit und holte mein soeben gekauftes Buch aus der Tasche. Das fröhliche orangegelb des Einbands machte gute Laune, der Titel noch viel mehr: Du musst dich nicht entscheiden, wenn du tausend Träume hast von Barbara Sher.
Diese Aussage war genau mein Ding und so schloss ich die Autorin noch vor dem ersten Satz in mein Herz, denn ich wusste: Hier versteht mich jemand.
Die Bedienung stellte den Milchkaffee mit dem kleinen Keks auf meinen Tisch, aber ich war versunken. Versunken in die ersten Zeilen, in denen ich mich wiederfand:
„Nur wenn ich viele Dinge gleichzeitig tue, bin ich voll konzentriert!“
„Etwas Neues zu lernen, macht mir Spaß – aber sobald ich weiß, wie es geht, langweilt es mich.“
Genau das war es! Welch Offenbarung! Welch Befreiung!
Adieu Grundschullehrerin, die mich zum Underachiever machte, als sie mir verbot, mich ständig zu melden, obwohl mir alles zuflog und noch eins draufsetzte durch ein Verbot, nebenher andere Dinge zu machen, obwohl alles so ermüdend langsam vor sich ging.
Adieu Haushälterin, die nicht verstand, dass die Unordnung am Schreibtisch und auf dem Boden keine Unordnung war, sondern vollkommen durchdachte Pläne und zugleich Lebenselixier.
Jetzt weiß ich: Ich bin nicht hochbegabt, sondern einfach nur ein Scanner. Ein Scanner? Ein etwas sperriger Begriff, den Barbara Sher entwarf und doch für mich so passend.
Was macht einen Scanner aus?
– Scanner sind unglaublich neugierig auf eine Vielzahl von Themen, haben aber an sich selbst nicht den Anspruch, bis zum Ende dabei zu bleiben.
– Ihre Interessen gehen weniger in die Tiefe, als vielmehr in die Breite.
– Sie fürchten eine Spezialisierung, bekommen vielleicht sogar Panik, wenn sie daran denken, ein Experte sein zu müssen, weil sie das langweilig und als Gefängnis empfinden würden.
– Für Scanner ist die Welt wie ein riesiger Süssigkeitenladen voller Verlockungen. Und am liebsten würden sie mit beiden Händen zugreifen und die Taschen vollstopfen
– Sie haben ständig neue kreative Ideen, sei es ein Buch zu schreiben, neue Rezepte auszuprobieren, ein Haus zu bauen oder in das entlegenste Tal zu reisen. Und das alles am besten gleichzeitig.
– Es erzeugt für sie massiven Stress, eine Entscheidung für ein bestimmtes Gebiet zu treffen und sich ausschließlich darauf zu konzentrieren.
– Sie starten eine Menge neuer Projekte, beenden sie aber nicht immer. Für Scanner liegt der Erfolg und die Belohnung vor allem darin, etwas zu tun, nicht etwas zum sichtbaren Ende zu bringen.
– Scanner finden immer neue Leidenschaften.
– Sie denken über ihre Interessen Tag und Nacht nach und ist daher oft mit ihren Gedanken „woanders“.
– Scanner durchdringen und verstehen ihre Mitmenschen bis in die Tiefe, obwohl sie sie sie nur kurz „scannen“.
Scanner gehen in ihren vielen Interessen auf
Es gibt aber auch Verhaltensweisen, die man nun vielleicht einem Scanner zuordnen würde, die ihn aber nicht ausmachen.
– Manche Menschen versuchen durch ständige neue Ziele zu vermeiden, beurteilt zu werden. Für Scanner sind die Beurteilung anderer Menschen zweitrangig. Sie gehen in dem auf, was sie tun. Das macht sie vollkommen zufrieden.
– Durch das Herumspringen vom einen Lebensthema zum anderen vermeiden es manche, sich dem Widerstand zu stellen, der auftritt, wenn es daran geht, ihre tiefste innere Wahrheit zu leben. Die tiefste innere Wahrheit eines Scanners ist es, die Vielfalt leben zu dürfen.
– Depressionen können dazu führen, dass man fahrig wirkt und so dem Verhalten eines Scanners ähneln. Doch das Symptom einer Depression ist Antriebslosigkeit. Das Grundgefühl eines Scanners ist im Gegenteil dazu eine tiefe Neugier und großes Interesse an vielem.
Orientierungshilfe für Scanner
Seite für Seite blätterte ich weiter und stieß auf erste Vorschläge, wie sich das Leben als Scanner leichter gestaltet. Der Kaffee dürfte zwischenzeitlich nur noch lauwarm gewesen sein, aber ich konnte ihm einfach keine Aufmerksamkeit schenken. Zu wichtig waren die gewonnenen Erkenntnisse:
Es gibt sie, die Menschen, die mühelos aus einer unerschöpflichen Quelle fortwährend neue Ideen, Pläne, Träume schöpfen, sich bis in die Tiefe in andere Menschen hineindenken können und doch nichts auf die Reihe bringen. Und ich bin einer davon. Kein Spezialist, der Karriere macht, sondern eine funkelnde Wunderkerze, ein Feuerwerk, vielleicht eine Universalgelehrte, ein multi-interessierter Mensch – ein Scanner eben, wie es Barbara Sher definiert hat.
Karriere? Erfolg? Das ist es nicht unbedingt, was Scanner antreibt
Erfolg braucht Spezialisierung, ein Scanner hingegen Vielfalt. Ein Scanner zu sein führt nicht unbedingt zu einem klassischem beruflichen Erfolg, aber es ist immer ein leidenschaftliches, interessantes und hingebungsvolles Leben.
Ich selbst habe mich immer auf einer anderen Ebene verstanden: reich und verbunden mit dieser sprudelnden inneren Quelle, die viele Scanner kennen. Bedeutet es für einen Spezialisten die Welt, tief zu tauchen und eine Rolex, einen Jaguar und eine Villa nach oben zu holen, so ist es für einen Scanner ein Wohlgefühl, viele bunte, funkelnde Perlen an Möglichkeiten durch die Finger gleiten zu lassen, manche davon eine zeitlang in der Hand zu schmiegen und sie dann wieder loszulassen. Ein Scanner muss für sich selbst nichts zu Ende bringen. Es geht dem Scanner um das Tun an sich.
Ist die Gesellschaft auf Scanner eingestellt?
Doch nicht jeder kann nachvollziehen, dass die Scanner so glücklich sind. Die Gesellschaft funktioniert nach anderen Regeln – und vor allem Normen. Oft verkennt das Umfeld den Wert, der in dieser Gabe steckt und auch der Scanner selbst schielt mit einem Auge auf den Erfolg der Spezialisten, wenn er von seiner Weltreise zurückkommt und beruflich mal wieder von vorne anfängt. Die Gesellschaft wertet einen gerne als Träumer oder Spinner ab, wenn man einen Weg geht, der außerhalb der Norm verläuft. Das verunsichert den Scanner, der früh merkte, dass er anders ist als andere und doch nicht aus seiner Haut kann, weil er – um es mit Barbara Shers Worten zu sagen – genetisch genau so definiert und deswegen wertvoll ist, so wie er ist.
Aber Barbara Sher nimmt den Scanner an die Hand und zeigt dem Leser einen Weg zurück zu sich selbst und zu dem Schatz, der in ihm wohnt. Denn auch Scanner können durchaus erfolgreich sein, aber sie müssen sich an Strukturen halten, die sie oftmals erst erlernen müssen. War früher der Universalgelehrte noch ein rühmliches Vorbild und zugleich Rollenmodell dafür, wie man viele Interessen unter einen Hut und in den Erfolg bringt, so findet man heutzutage immer weniger Menschen, die ihre mannigfaltige Kreativität offen und als leuchtende Wegweiser leben.
Doch es gibt sie noch.
Einige hilfreiche Werkzeuge für Scanner
– Akzeptanz: Ein Scanner ist „richtig“, genau so, wie er ist. Die dicke Schicht aus falschen Glaubenssätzen, Erniedrigungen und Verwirrungen muss langsam abgetragen werden, damit seine Talente zum Vorschein kommen.
– Kalender: Ein Scanner braucht einen Kalender, am besten einen Fünf-Jahres-Planer, in dem er seine größten Projekte eintragen kann.
– Projektbuch: Einer der Ängste von Scannern ist, dass Ideen verloren gehen. Sobald diese niedergeschrieben sind, sind sie fixiert. Man kann sie geistig loslassen und so Raum für neue Ideen schaffen.
– Man muss sich nicht für ein Projekt entscheiden. Dennoch brauchen mehrere Projekte eine Struktur, damit man sich nicht im Labyrinth zu vieler wichtiger Details verliert. Es ist von Vorteil, verschiedenfarbige Projektordner anzulegen.
– Projekte von hinten nach vorne planen. Vom Ziel Schritt-für-Schritt zurückplanen, bis zu dem Punkt, der genau in diesem Moment an Ort und Stelle in Angriff genommen werden kann.
Berufe für Scanner
Das größten Hindernis für Scanner ist laut Barbara Sher, dass sie sich nicht berechtigt fühlen, das zu tun, was sie wirklich tun wollen. Scanner sind nicht zufrieden mit einem einzigen Interessengebiet, sie haben viele weit gestreute Interessen und müssen das auch leben dürfen. Doch genau das wirkt auf die Menschen im Umfeld beunruhigend und so versucht man den Scannern zu erklären, dass sie etwas falsch machen. So verzweifeln Scanner oft an ihren breitgefächerten Interessen, die sie beruflich einfach nicht unter einen Hut bekommen.
Barbara Sher nennt die „Schirmberufe“. Schirmberufe sind Berufe, die viele Begabungen vereinen, zum Beispiel Informationsbroker, Referent, Autor, Coach, Unternehmensberater, Journalist, Filmemacher.
Wie man aus seinen vielen Begabungen und Interessen einen passenden Beruf „erfindet“ erklärt die Autorin ebenfalls im Buch.
Der Kaffee war nicht mehr warm, aber das war es wert, denn dieses Buch hat mein Leben ein Stück weit verändert.
Mehr bei EDITION F
Du bist mehr als dein Job – warum man sich nicht zu stark über die Arbeit definieren sollte. Weiterlesen
Der Schlüssel zum Erfolg: Warum dafür weder IQ, Bildung noch Geld die wichtigste Rolle spielen. Weiterlesen
Welche Arbeitskultur Mitarbeiter brauchen, um kreativ zu sein. Weiterlesen