Die Schauspielerin und Drehbuchautorin Anna Brüggemann will mit ihrer Initiative „Nobody‘s doll“ auf der Berlinale ein Zeichen setzen
– und Emma Watson spendet eine Million Pfund für den Kampf gegen sexuelle Belästigung.
#Metoo bewegt die Filmbranche weiter
Die Berliner Filmfestspiele wurden in der vergangenen Woche eröffnet, und natürlich wird auch hier weiter über #Metoo gesprochen – und über den Aufruf „Nobody’s doll“ der Schauspielerin und Drehbuchautorin Anna Brüggemann, sich endlich nicht mehr den Dresscode-Zwängen auf dem roten Teppich zu unterwerfen. Zwar gilt die Berlinale ja eher als cooles Festival – es ist nicht bekannt, dass hier jemals weibliche geladene Gäste vom roten Teppich gefischt wurden, weil sie keine High Heels trugen, wie das aus Cannes schon kolportiert wurde. Dennoch gelten natürlich auch in Berlin die unausgesprochenen Dresscode-Zwänge für den roten Teppich.
Brüggemann hatte bereits im vergangenen November begonnen, an ihrer Aktion zu arbeiten, und Ende Januar eine von ihr selbst so genannte „kleine, feine Aktion zu Frauen auf Teppichen“ gestartet: „Im Zuge der Metoo-Debatte wurden vermehrt die Rufe nach Gleichberechtigung laut. Ein Aspekt der Gleichberechtigung wird jedoch meines Erachtens seit Jahren stiefmütterlich behandelt (…) Wir Schauspielerinnen empfinden uns zwar als moderne, feministisch gesonnene Frauen, sobald es aber auf den roten Teppich geht, scheinen wir das vergessen zu müssen. Die Gleichberechtigung ist auf dem roten Teppich noch nicht angekommen.“
Sie fordert auf zu mehr Mut zu einem eigenen Stil, wehrt sich gegen den Zwang zu High Heels und freizügigen Kleidern. In ihrem Aufruf schreibt sie weiter: „Wir Frauen tun nach wie vor Dinge, die unbequem für uns sind, unpraktisch, Dinge, von denen wir glauben, dass wir sie machen müssen, um dem unsichtbaren Dritten zu gefallen. Dieser unsichtbare Dritte ist nach wie vor ein Mann.“
„Dann zieh dir halt was anderes an“
Sie schildert die Reaktionen von Kolleginnen und Kollegen – Erleichterung auf der weiblichen Seite, bei vielen Kolleginnen habe sich Wut darüber aufgestaut, immer einem unausgesprochenen Dresscode gehorchen zu müssen – und gemischte Reaktionen auf der männlichen; auf den Hinweis eines Kollegen, dann solle sich doch einfach was anderes anziehen, erwidert sie: „Mir geht es aber um die tiefere Dimension des Ganzen. Mir geht es darum, was bei einer Frau (und auch bei einem Mann) als attraktiv gilt. Und das betrifft nicht nur mich, das betrifft meine Kolleginnen, Kollegen, das betrifft eine Ärztin in Amsterdam genau so, wie ein Teenagermädchen in Warschau. Das betrifft uns Frauen. Und damit auch die Männer.“ Hier gibt es ein ausführliches Interview der Künstleragentin Heike-Melba Fendel mit Anna Brüggemann zu lesen. „Mein Ziel ist es, auf eine generelle Schieflage hinzuweisen. Und auf ein Spiel, das wir da alle spielen“, sagt Brüggemann. Ihr Wunsch: Jede Frau erscheint einfach so, wie sie sich wohlfühlt – egal ob das eine enge Abendrobe oder Jeans und Cowboystiefel sind. Brüggemann selbst erschien zur Berlinale-Eröffnung übrigens mit Turnschuhen, #Nobodysdoll-Button – und als Zeichen der Solidarität in Schwarz.
Zum Thema Schwarz – kurz vor der Berlinale hatte es eine weitere Initiative gegeben: Die Schauspielerin Claudia Eisinger hatte einige Tage vor dem Start der Filmfestspiele auf Change.org eine Kampagne gestartet, mit der sie den Festival-Chef Dieter Kosslick dazu aufrief, den roten Teppich schwarz zu färben, um ein Zeichen gegen sexistische Übergriffe, Diskriminierung und Missbrauch in der Filmbranche zu setzen. Die Petition hatte zwar innerhalb von drei Tagen mehr als 23.000 Unterstützer – der Teppich auf der Berlinale blieb allerdings Rot. Man wolle lieber inhaltlich arbeiten anstatt mit Symbolen, hieß es.
Mehr als 200 britische Schauspielerinnen protestieren
Kurz vor der Verleihung der britischen BAFTA-Awards, die am vergangenen Sonntag stattfand, hatten 200 britische und irische Schauspielerinnen in Anlehnung an die „Time’s Up“-Initiative der US-Kolleginnen einen offenen Brief veröffentlicht, mit dem sie gegen sexuelle Übergriffe und ungleiche Bezahlung in ihrer Branche protestierten. Unterzeichnet wurde der Brief zum Beispiel von Emma Watson, Keira Knightley, Kate Winslet, Emma Thompson und der „The Crown“-Darstellerin Claire Foy.
In ihrem offenen Brief schreiben die Frauen: „Diese Bewegung geht weit hinaus über unsere Branche, über Rassen-, und Klassengrenzen hinweg, im Privaten und im Arbeitsumfeld findet ein Gespräch statt über Machtungleichgewicht“. Wie bei den „Golden Globes“ erschienen die Schauspielerinnen als Zeichen ihres Protests in Schwarz auf dem Roten Teppich. Viele wurden anstatt von ihren Partner von Aktivistinnen begleitet.
Parallel dazu riefen die britischen Schauspielerinnen zu Spenden für einen neue Initiative auf, die Frauen helfen soll, die sexuell belästigt wurden. Die Frauenhilfsorganisation „Rosa“ ist für das Projekt verantwortlich. Die Schauspielerin Emma Watson, die sich schon lange als UN-Sonderbotschafterin für Frauenrechte einsetzt, hat bereits eine Millionen Pfund (1,1 Millionen Euro) gespendet – warum, erklärte sie so: „Es ist sehr einfach, Belästigung und Missbrauch auf ein oder zwei wirklich schlimme Männer abzuschieben. Aber die britischen Statistiken weisen auf ein viel größeres, strukturelles Problem hin. Es geht um das System – und eben nicht um individuelle, einzelne Vorfälle.” Mit dem Geld aus diesem neuen Hilfsfonds sollen Belästigungsopfer beraten und unterstützt und weitere Präventionsprojekte finanziert werden.
Das British Film Institute (BFI) hat zudem mit der Herausgabe neuer Richtlinien zur Verhinderung von sexueller Belästigung und Mobbing reagiert, die jede Filmproduktion, die Förderung vom BFI erhalten will, unterzeichnen muss. Beispielsweise müssen ab sofort an jedem Filmset je eine weibliche und eine männliche Person anwesend sein, an die sich Betroffene wenden können.
Es besteht also tatsächlich berechtigter Anlass zur Hoffnung, dass die aktuelle Debatte und die Konsequenzen, die Verantwortliche daraus bereits gezogen haben und hoffentlich weiter ziehen, die Arbeitsbedingungen in der Filmbranche – vor allem für Frauen, aber natürlich auch für Männer – verbessert.
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