Die Vorwürfe von Schauspielerinnen gegenüber Dieter Wedel waren dem Saarländischen Rundfunk lange bekannt – unternommen hat er nichts. Ulrike Dotzer, Vorstandsmitglied von ProQuote Medien, fordert eine Modernisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, damit ein neues Arbeitsklima entstehen könne.
Von Gleichberechtigung noch weit entfernt
Die neue Welle der Diskussion über sexualisierte Gewalt überrascht mich nicht. Dass öffentlich-rechtliche Amtsträger sie duldeten, wie jetzt im Saarländischen Rundfunk deutlich wird, gehört zum Syndrom.
Neu ist, dass es im Jahr 2018 eine in meinen Augen ernstzunehmende Bereitschaft gibt, Vorfälle „aufzuarbeiten“. Aufarbeitung ist gut, sie steht den Intendanten. Man denkt: Das ist modern. Im NDR haben Kolleginnen am Ende des Jahres 2017 öffentlich gemacht, wie sie verbal in jüngster Zeit gedemütigt wurden. Diese Veröffentlichung und die betriebsinterne Diskussion darüber brandmarken Übergriffe als das, was sie sind: unzulässig. Ich unterstütze diese Anstrengungen. Aber reicht das aus? Es sollte in meinen Augen jedenfalls nicht allein bei dieser Beschäftigung bleiben. Denn noch immer sind wir fern von Strukturen, in denen Männer und Frauen gleiche Rechte haben.
Was sind die gegenwärtigen Strukturen? Seit nunmehr 18 Jahren leite ich im Norddeutschen Rundfunk eine Abteilung. Als Abteilungsleiterin gehöre ich beim NDR-Fernsehen indes nach wie vor einer Minderheit an. Einen ganzen Programmbereich gibt es, in dem Kolleginnen als Abteilungsleiterinnen (also mit nennenswerter Personal- und Budgetverantwortung) wieder völlig verschwunden sind. Den deutsch-französischen Sender ARTE, für den ich ebenfalls arbeite, dominieren, sofern es ums Programm geht, ausschließlich Männer. Wer kann das rechtfertigen? Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist ein Solidarsystem, das von Frauen und Männern finanziert wird und von Frauen und Männern gleichermaßen genutzt wird. Meine Frage ist: Wie kann es sein, dass Führungsjobs im Jahr 2018 im öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch immer nicht paritätisch mit beiden Geschlechtern besetzt sind?
Der Nachwuchs ist da – an die Spitze schaffen es Frauen dennoch selten
Zumal es inzwischen längst Bereiche gibt, in denen es mehr weibliche als männliche Mitarbeiter gibt. Kommunikationsbegabte junge Frauen streben seit Jahrzehnten als Journalistinnen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Jahrelang war ich Mitglied der NDR-Volontärskommission und kann deshalb davon berichten, dass wir in manchen Jahren Mühe hatten, genügend junge Männer zu finden, die ebenso qualifiziert waren. Wo bitte sind diese jungen Frauen geblieben, wenn es um Führung geht?
Und hier schließt sich der Kreis zur „Metoo-Debatte“: Jede Frau weiß, wie sehr sich die Atmosphäre verbessert, wenn in etwa gleich viele Kolleginnen und Kollegen zusammenarbeiten – und wenn hierarchische Positionen auch von Frauen besetzt sind. Jeder Mann weiß das auch. Viele Männer – ich habe den Eindruck: die meisten – fühlen sich dann ebenfalls wohler. Es entspannt und zivilisiert Menschen ganz offenbar, nicht vom männlichen Geschlecht allein regiert zu werden. Es verändert die Kommunikation und das Klima total. Und es schafft nicht zuletzt auch: Kontrolle.
Ein alter Riese mit eisgrauem Bart
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, ein gewaltiger Player und mächtigster Auftraggeber der audiovisuellen Produktion in Deutschland, muss sich hier dringend modernisieren. Er ist ein alter Riese mit eisgrauem Bart. Der Bart muss weg, Bewegung muss her! Er muss Vorbild sein: Leitende Positionen gehören zur Hälfte von Frauen besetzt. Diese Modernisierung muss auch die öffentlich-rechtlichen Tochterfirmen erfassen und ausstrahlen auf die zahllosen privatwirtschaftlichen Subunternehmen. Nur so, in einer ,Balance of Power‘ der Geschlechter, werden sexualisierte Attacken, Erpressungen und all die Grässlichkeiten, die uns vorkommen wie Wiedergänger aus dem Jenseits, als hätten wir das Jahrhundert verwechselt, nur so wird all das endlich Geschichte sein.
Ulrike Dotzer, 56, leitet die Abteilung ARTE des NDR und ist Vorstandsmitglied bei ProQuote Medien.
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