Foto: Antonia Friemelt

8 Dinge, die ich im Mindfulness Recovery Zentrum gelernt habe

Wenn man für mehrere Wochen in einem Zentrum für Achtsamkeit lebt, dann geht das Meditieren bestimmt wie von selbst, oder? Mit welchen Vorstellungen ich ins Mindfulness Zentrum gereist bin – und welche 8 Dinge über das Leben ich dort gelernt.

 

Während ich für die Zeit vor und nach meinem sechswöchigen Aufenthalt im Mindfulness Zentrum nicht wirklich Pläne geschmiedet habe, bin ich mit ziemlich konkreten Vorstellungen in die New Life Foundation gereist. Etwas, was mir erst im Nachhinein bewusst geworden ist.

Ich bin mit der Vorstellung angereist, dass ich total in der Meditations- und Yogi-Praxis aufgehen werde. Und war mir sicher, dass man, wenn man jeden Tag meditiert, Yoga macht und sich gesund ernährt, sich natürlich auch großartig und ganz in seiner Mitte fühlen wird. Und nebenbei, da wollte ich noch regelmäßig bloggen und an meinem Romanprojekt arbeiten …

Ziemlich viel Erwartungsdruck also – und natürlich kam vieles ganz anders. Denn was ich gelernt habe: Die tatsächliche Erfahrung ist immer anders als die Vorstellung von etwas. Aber gerade weil meine Zeit so intensiv war, nehme ich umso mehr mit. Und ich glaube, genau darum geht es bei solch einer Erfahrung.

Erkenntnisse aus meiner Zeit im Mindfulness Zentrum

1. Persönliche Entwicklung ist ein lebenslanger Prozess

Was mir während meines Aufenthalts im Mindfulness Camp bewusst geworden
ist: Persönliche (Weiter-)Entwicklung ist ein lebenslanger Prozess. Es ist kein Ziel, dass man erreichen kann oder etwas, das man nach ein paar Wochen oder Monaten abschließen kann. Es ist eine lebenslange Auseinandersetzung mit sich selbst, seinen Werten und Erfahrungen. Und genau dadurch lernt man seine eigenen Verhaltensmuster immer besser kennen.

Was mir außerdem klar geworden ist: Man nimmt sich selbst und seinen Rucksack an Erfahrungen und Verhaltensmustern überall mithin. Und es geht nicht darum, einen Ort oder Etwas im Außen zu finden. Sondern darum, etwas in deinem Inneren zu finden und zu erkennen.

2. Achtsamkeit, Yoga und Meditation sind eine Praxis

Ich habe nicht damit gerechnet, dass mir genau diese Dinge so schwer fallen würden … Denn wenn man sich in einem Mindfulness Zentrum befindet, dann müsste das Meditieren und achtsam sein doch wie von selbst gehen, oder? Falsch gedacht: Beim Morgen-Yoga habe ich mich steif wie ein Brett gefühlt, beim Meditieren sind mir tausend Gedenken durch den Kopf geschossen und das mit der Achtsamkeit hat auch nur phasenweise geklappt …

Was ich mittlerweile realisiert habe: Yoga, Meditation oder Mindfulness sind eine Praxis – und keine Fähigkeit, die man sich antrainiert und dann mühelos beherrscht. Und es ist Teil dieser Praxis, dass unsere Gedanken abschweifen. Aber es geht um das Commitment, sich trotz dieser Schwierigkeiten hinzusetzen und sich Zeit für diese Routine zu nehmen – egal wie anstrengend es ist.

3. Wir sind alle gleich

Die Gründe, die Menschen in ein Mindfulness Recovery Zentrum bringen,
sind vielleicht unterschiedlich – aber sie haben alle etwas gemeinsam. Denn egal ob jemand drogensüchtig ist, an Depressionen leidet oder sich in einer anderen Krise befindet: Es geht darum, einen gesunden Weg zu finden, mit seinen Emotionen umzugehen. In der Community sind wir ganz offen mit unseren Erfahrungen umgegangen. Wie kommt es zu einem Burnout?Wie fühlt sich eine Depression an? Wie sieht der Alltag aus, wenn man drogensüchtig ist?

Ich glaube, viele Menschen haben Hemmungen, solche Fragen zu stellen. Aber genau dieser Austausch ist wichtig, um Mitgefühl zu entwickeln und Vorurteile abzubauen. Denn auch wenn es gesellschaftlich akzeptierter ist, seine Gefühle mit zu viel Arbeit zu kompensieren als mit Drogen: Gesund ist beides nicht. Und statt Krankheiten mit einem Stigma zu belegen, sollten wir uns lieber auf die Gemeinsamkeiten fokussieren. Denn was mir hier bewusst geworden ist: Wir sind alle gleich. Nur die Art und Weise, wie wir Dingen umgehen, ist unterschiedlich.

 4. Verletzlichkeit zulassen und authentisch sein

Über unsere vermeidlichen Schwächen und Probleme sprechen wir in unserer leistungsorientierten Gesellschaft  nicht gerne … Genau das war ein Grund, weshalb ich eine Zeit in einem Mindfulness Recovery Zentrum leben wollte: Ich wusste, hier würde das anders sein. Und das war es. Und genau diese Offenheit und die Bereitschaft, sich fremden Menschen gegenüber zu öffnen, ist der Grund, wieso an einem solchen Ort so tiefe und intensive Verbindungen entstehen können.

The greatest challenge in life is discovering who you are.
The second greatest is being happy with what you find.

Denn wenn wir tiefgründige Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen wollen, und gesehen werden wollen, dann müssen wir uns auch zeigen. Und dazu gehört auch, dass wir unsere Verletzlichkeit zeigen. Und damit ist nicht anders gemeint, als so zu sein, wie wir wirklich sind – anstatt uns so zu verhalten, wie unser Umfeld oder die Gesellschaft es vielleicht haben will.

5. Wir sind mehr als unsere Arbeit

Ich habe mich jahrelang über meine Arbeit und das, was ich leiste, definiert. Und so geht es vielen Menschen. Wenn wir jemand kennenlernen, dann fragen wir automatisch „Und, was machst du?“ und beziehen dies automatisch auf den Job. In der New Life Foundation lautete die Frage  stattdessen „Was hat dich hierher gebracht? Und was ist deine Lebensgeschichte?“ Und das war eine tolle, weil neue Erfahrung.

Denn wir sind so viel mehr als unsere Arbeit. Wir sind Menschen mit Gedanken und Wünschen und Gefühlen und einem Bündel an Lebenserfahrungen. Und sich auf diese Art und Weise kennenzulernen, ist so viel intensiver, als nur über seine Karriere zu sprechen.

6. Die Natur erdet uns

Das Mindfulness Zentrum liegt in einem kleinen Dorf in der Region Wiang Chai – und die Umgebung ist atemberaubend. Ich hatte so viele besondere Momente in und mit der Natur: Der Weg im Morgengrauen zur Meditationshalle. Die Spaziergänge um den See und der Blick auf die Berge. Die vielen magischen Sonnenaufgänge und -untergänge. Der funkelnde Sternenhimmel.

Denn die Natur erdet uns – wenn wir uns die Zeit für sie nehmen. Ein ganz besonderes Erlebnis hatte ich in der Silvesternacht: Bei Gitarre und Lagerfeuer haben wir Abschied vom alten Jahr genommen. Stundenlang habe ich einfach nur in den Himmel gestarrt, und den Mond und die sich immer wieder verändernde Wolkenformation betrachtet. Und in diesem Moment war es auf einmal da: das Gefühl von Glück und vollkommender Verbundenheit.

7. Jedes Gefühl hat eine Daseinsberechtigung

Wenn wir glücklich sind, dann wollen wir dieses Gefühl am liebsten festhalten. Negative Emotionen schieben wir dagegen am liebsten ganz weit weg … Denn Traurigkeit, Einsamkeit oder Enttäuschung, das wollen wir nicht spüren. Und ich ertappe mich selbst immer wieder dabei, dass ich mich dafür verurteile, wenn ich negative Gefühle empfinde. Nach dem Motto „Du bist umgeben von Menschen und an einem tollen Ort, du solltest dich nicht einsam fühlen.“

Sometimes it’s ok not to be ok

Aber jedes Gefühl hat eine Daseinberechtigung. Denn es ist ja da – ob wir es wollen oder nicht. Und indem wir gegen das Gefühl ankämpfen, statt es anzunehmen, verstärken wir es oft noch. In dem Moment, wo wir es aber annehmen, können wir uns auch damit beschäftigen, was eigentlich hinter diesem Gefühl steckt. Denn oft hat das Gefühl nichts mit der aktuellen Situation zu tun, sondern mit etwas aus unserer Vergangenheit. Emotionen können also auch ein Bote für eine alte Verletzung aus der Vergangenheit sein.

8. Wir brauchen ein anderes Miteinander

Der Umgang miteinander und die Gemeinschaft ist eines der Dinge, welches die New Life Foundation zu einem so besonderen Ort macht. Denn es ist ein Ort, auf dem man auf die Frage „Wie geht es dir?“ ehrlich antworten kann. Es ist ein Ort, an dem man seine Schwächen, Ängste und Probleme nicht verstecken muss. Und es ist ein Ort, an dem man sich gegenseitig unterstützt und man immer jemanden findet wird, der ein offenes Ohr hat oder einen in den Arm nimmt.

Und ich glaube, wenn man nur ein bisschen von dieser Art des Umgangs in die Welt hinaustragen würde, dann wäre unsere Gesellschaft wesentlich wärmer und glücklicher.

Dieser Beitrag ist bereits auf meinem Blog Gedankenregen erschienen.
              

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