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Warum wir uns im Sommer nach der Apokalypse sehnen

Katastrophenfilme machen uns friedlich, glaubt unsere Kolumnistin Nathalie Weidenfeld. Darum summieren sich im Sommerloch die Horrormeldungen.

 

Sommerloch ist Horrorzeit!

Sommerzeit ist Apokalypsezeit. Das hat  natürlich damit zu tun, dass alle Politiker im Sommerurlaub sind und einfach mal für eine Weile schweigen. Und da die Journalisten dann nichts zu berichten haben, gehen sie gleich selbst in Urlaub. In der Redaktion hinterlassen sie nur ein paar Praktikanten, denen nichts besseres einfällt, als Menschen täglich mit Horrorszenarien zu versorgen. Mal sind es Kometen, mal die nahende Eiszeit und dann wieder ein schwarzes Loch, das demnächst die Menschheit verschlucken wird. 

Das Verrückte ist: wir kaufen diese Zeitungen auch noch. Warum, weiß ich
nicht. Mir ist es jedenfalls schleierhaft. Genauso schleierhaft wie die Tatsache, dass sich Menschen ja auch freiwillig Filme ansehen, in denen Flugzeuge abstürzen, Atombomben explodieren, Monstertsunamis Millionenstädte auslöschen, Vulkane explodieren und Hurricans ganze Landstriche kahl fegen.

Die reinigende Kraft der Tragödie

Vielleicht gibt es dafür allerdings einen tieferen Grund? Immerhin sprach schon Aristoteles von der reinigenden Kraft der Tragödie, die in der Lage war, eine kathartische und heilende Wirkung auf die Menschen auszuüben und sie wieder zu Mitte und Maß zu bewegen. Bei mir löste der letzte Katastrophenfilm allerdings nur eine gedämpfte, leicht depressive Verstimmung aus, die ich nicht als besonders kathartisch und heilend empfunden habe. Wobei eine gedämpfte,
leicht depressive Verstimmung auch seine guten Seiten haben kann. Zumindest hat man dann keine anderen Stimmungen mehr. Man regt sich weder über schlechte Noten der Kinder auf, noch über tote Mäuse, die Frau Katze als Guten Morgen Gruß einem ins Bett gelegt hat noch über die demente Schwiegermutter, die regelmäßig mitten in der Nacht vor der Türe steht. Wenn man ständig an den Weltuntergang denkt, sind einem solche Dinge herzlich egal.

Es gibt keinen Zweifel: Apokalypse macht friedlich. Vielleicht sollte ich mir öfters einen Katastrophenfilm reinziehen. So ungefähr einmal im Monat. Bei Abstumpfung könnte man das auf einmal pro Woche erhöhen. An besonders kritischen Tagen, so wie Weihnachten, wäre ein Atombombendrama sehr geeignet. Wenn man sich vorstellt, dass die Familie alle zukünftigen Weihnachten zusammengepfercht im Atombunker bei Baked Beans aus der Dose und Apfelmus verbringen muss, findet man sein eigenes Weihnachten plötzlich
gar nicht mehr so schlecht. Oder, wenn der Ehemann abends wieder im
Fitnessstudio trainiert und man an die attraktive Fitnesstrainerin denken muss, die ihn immer so verliebt ansieht, zieht man sich einfach 2012 von Roland Emmerich rein. Darin schmilzt die Erdkruste und verschiebt sämtliche Kontinentalplatten. Am Ende überleben nur wenige Menschen auf einer Art Arche Noah. Sie umschiffen die Nordwand des untergegangenen Mount Everest und nehmen Kurs auf Drakensberg in Afrika.Mein Mann, die Kinder uns ich wären natürlich auf der Arche. Die Fitnesstrainerin wäre leider auf der untergegangenen Südwand des Himalaya hängengeblieben. Zu dumm!

Vielleicht kaufe ich mir diesen Sommer öfters mal eine Zeitung. Sommerzeit ist schließlich Apokalpysezeit! Das muss man dringend ausnutzen.

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