Die Klage gegen Lohndiskriminierung der Journalistin Birte Meier gegen ihrer Arbeitgeber das ZDF wurde im Februar vom Berliner Arbeitsgericht abgewiesen. Nun geht sie in Berufung – und hat gute Gründe dafür.
Gleichberechtigung? Fehlanzeige
Wir schreiben das Jahr 2017. Immer noch verdienen Männer in Deutschland rund 21 Prozent mehr als Frauen. Selbst wenn man Teilzeitarbeit und die Überrepräsentation von Frauen im Niedriglohnsektor herausrechnet, bleibt es dabei, dass Frauen weniger verdienen: sechs Prozent bei gleicher Arbeit und gleicher Qualifikation, das ist der bereinigte Gender-Pay-Gap. Eine bittere Realität, die viel zu oft einfach hingenommen wird.
Die preisgekrönte Journalistin Birte Meier wollte genau das nicht länger akzeptieren. Sie verklagte bereits im Jahr 2015 ihren Arbeitgeber, das ZDF, wegen Entgeltdiskriminierung, nachdem sie herausfand, dass sie schlechter bezahlt wurde als männliche Kollegen – trotz vergleichbarer Arbeit und Qualifikation und teilweise sogar mehr Erfahrung. Ihre Klage wurde im Februar 2017 vom Berliner Arbeitsgericht in erster Instanz abgewiesen. Nun ist die Journalistin vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, der nächsthöheren Instanz, in Berufung gegangen.
Spätestens mit diesem Schritt ist die Klage zum Symbolbild für den rechtlichen Kampf für Lohngerechtigkeit in Deutschland geworden und könnte zum Präzedenzfall in Sachen Entgeltdiskriminierung werden. Das sieht auch der gemeinnützige Verein: „Gesellschaft für Freiheitsrechte” (GFF) so, der die Klage von Birte Meier unterstützt.
Ein Verein für das Grundgesetz
Die 2015 gegründete GFF sieht sich selbst als „Rechtsschutzversicherung des Grundgesetzes” und schaltet sich immer dann ein, wenn ihre Mitglieder einen juristischen Fall mit Grundsatzurteil-Potenzial ausmachen. Deshalb geht sie zum Beispiel gegen das neue BND-Gesetz vor. Dort sieht der Verein die im Grundgesetz festgeschriebenen Freiheitsrechte in Gefahr. Freiheit, so der Verein, muss aber auch immer gleiche Freiheit sein. Deshalb hat sich die GFF bereits Anfang des Jahres mit Birte Meier solidarisiert und unterstützt diese nun rechtlich und in der Öffentlichkeitsarbeit.
Strategische Prozessführung nennt sich das und dient vor allem Bürger- und Menschenrechtsorganisationen dazu, gesellschaftlich bekannte und relevante Probleme rechtlich anzugehen. In den USA ist das eine gängige Praxis. Eine der bekanntesten Organisationen dort: die „American Civil Liberties Union”, nach deren Vorbild und als dessen Partner die GFF fungiert. Bisher gibt es gerichtliche Verfahren in Deutschland vor allem auf Initiative von Einzelpersonen in Fällen, die ihnen aus persönlichen Gründen am Herzen liegen. Solche Verfahren werden aber normalerweise nicht als strategische Prozesse geplant und durchgeführt. Die GFF will das ändern und steht, nach eigener Aussage, für eine systematische und nachhaltige strategische Prozessführung, themenübergreifend, immer dann, wenn ein Thema ein rechtlicher Missstand eine breite gesellschaftliche Relevanz aufweist. Diese Relevanz sieht die GFF auch bei der Klage Birte Meiers.
„Gerade beim Thema Entgeltdiskriminierung sehen wir, dass Deutschland sehr weit hinterherhängt. Auf europäischer Ebene gibt es klare rechtliche Vorgaben, die der Arbeitnehmerin sehr helfen können. Aber der deutsche Gesetzgeber und die deutschen Gerichte setzen diese nicht um”, beschreibt Prof. Dr. Nora Markard, Juristin und Mitglied des Vorstandes der GFF, die Situation.
Es gibt ein Gesetz gegen Lohndiskriminierung – es wird nur nicht angewendet
Auf der Website der GFF lässt sich nachlesen, wo das Verbot zur Entgeltdiskriminierung im deutschen und europäischen Gesetz verankert ist:
„Das Verbot von Entgeltdiskriminierung ergibt sich aus Art. 157 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sowie Art. 23 der EU-Grundrechtecharta. Das Verbot leitet sich auch aus dem Grundgesetz ab, das in Art. 3 Abs. 2 und 3 GG die Diskriminierung wegen des Geschlechts verbietet, sowie aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 und § 7 AGG).”
Schon seit den 1950er Jahren gibt es europarechtliche Bestrebungen zur Lohngleichheit, in Deutschland wird sie rechtlich trotzdem immer noch nicht durchgesetzt. Deshalb ist die Klage Birte Meiers so interessant für eine strategische Prozessführung: „Entgeltdiskriminierung ist ein massives Gerechtigkeits- und Grundrechtsproblem. Das Grundgesetz garantiert in Artikel 3 Abs. 2 die Gleichheit von Mann und Frau und formuliert die Aufgabe an den Staat, die tatsächliche Gleichheit herzustellen”, erklärt Chris Ambrosi, Juristin und Mitglied der GFF, den Hintergrund ihres Engagements.
Das Problem der Belegbarkeit
Schon nach der Verhandlung im Dezember 2016, aber vor allem, nachdem die Klage der Frontal 21-Journalistin im Februar diesen Jahres am Berliner Arbeitsgericht abgewiesen wurde, gab es eine breite mediale Solidaritätswelle für Birte Meier – aber auch Irritationen, ausgelöst auch durch eine fehlerhafte, mittlerweile korrigierte Pressemeldung des Berliner Arbeitsgerichtes. So entstand der Eindruck, die fest-frei beschäftigte Journalistin habe sich nur mit einem mittlerweile pensionierten Kollegen und anderen festangestellten Kollegen verglichen. Dies ist aber gar nicht der Fall, Birte Meier hat ihr Gehalt auch mit dem von Kollegen, die in dem gleichen Beschäftigungsverhältnis wie sie stehen, verglichen.
Genau hier setzt die Arbeit der GFF an: Sie versucht dafür zu sorgen, dass die Öffentlichkeit die korrekten Informationen erhält und übersetzt die komplexe juristische Gemengelage in etwas, das auch ein Laie verstehen kann. So erklärt sie zum Beispiel das Konzept der sogenannten Stufenklage: Die Journalistin klagt nämlich zunächst einmal auf ihr Recht auf eine Auskunft über das Gehalt vergleichbarer männlicher Kollegen. Denn bisher hat sie zwar mündliche Aussagen männlicher Kollegen, die bestätigen, dass sie mehr verdienen als ihre weibliche, ansonsten gleichgestellte, Kollegin, aber mündliche Aussagen reichen vor Gericht natürlich nicht aus, um genaue Ansprüche zu beziffern. Die Journalistin möchte daher erst einmal das ZDF durch das Gericht verpflichten, ihr diese Auskunft zu gewähren. Erst dann kann sie Anspruch auf die Lohndifferenz stellen. Die Lohnauskunft ihres pensionierten Kollegen ist gerade die einzig schriftliche Lohnabrechnung, die die Klägerin vorliegen hat.
Fehlerhaftes Urteil
Ihr aus dieser Beweislage einen Strick zu drehen, ist allerdings mehr als fragwürdig, wenn man beachtet, wie wenig Möglichkeiten sie hat, Lohndiskriminierung zu belegen, wenn sich ihr Arbeitgeber querstellt. Die GFF sieht in dem Urteil des Arbeitsgericht Berlin, das der Klägerin schon die Auskunft über das Gehalt der Kollegen verweigert, genau diesen Fehler: „Für den Auskunftsanspruch muss man nicht nachweisen, dass Lohndiskriminierung stattgefunden hat, sondern nur, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit bzw. Möglichkeit besteht. Und das hat die Klägerin zu Genüge getan”, stellt Chris Ambrosi, die genau wie all ihre Kollegen bei der GFF ehrenamtlich tätig ist, klar.
Laut der GFF hat das Berliner Arbeitsgericht darüber hinaus weitere Fehler gemacht. Deswegen hat die Klägerin nun auch einen sogenannten Tatbestandsberichtigungsantrag gestellt, damit das Verfahren in der nächsten Instanz auf korrekten Tatsachen fußt: „Viele Tatsachen, die in der Urteilsbegründung stehen, sind falsch. Schon die Grundlage des Urteils war falsch zusammengetragen, Tatsachen, die die Klägerin und ihr Anwalt vorgebracht haben, wurden nicht berücksichtigt. Die Klägerin hat zum Beispiel viele Dinge vorgetragen, die auf Diskriminierung hinweisen. Diese wurden vom Gericht aber ignoriert”, kritisiert Nora Markard.
Das Europarecht ist deutlich weiter
Zudem hatte das Gericht auf die unterschiedlichen Tarifgruppen beim öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber verwiesen, zwischen denen man sich nicht vergleichen könne. Diese Einteilung ist, laut Chris Ambrosi, nach europäischen Recht irrelevant, denn es kommt darauf an, welche Tätigkeit ausgeführt wird, nicht wie sie benannt wird. „Wenn beide tatsächlich den gleichen Job machen, ist es laut Europäischem Gerichtshof egal, ob einer von beiden Direktor und die andere Assistentin genannt wird. Das gleiche gilt für verschiedene Tarifverträge, wenn ich nachweisen kann, dass wir die gleiche Arbeit machen.”
Denn folgte man der Argumentation des Arbeitsgerichts, würde dies strukturelle Entgeltdiskriminierung befördern: Frauen werden, laut Ambrosi, nämlich bei gleichwertiger Tätigkeit häufig in einen anderen Tarifvertrag oder in andere Tarifgruppen eingeteilt als Männer. Für den Fall der preisgekrönten Journalistin Birte Meier ist die Frage der Vergleichbarkeit über Tarifverträge hinweg aber ohnehin nur bedingt entscheidend. Denn die Klägerin wird als fest-freie Mitarbeiterin nicht nur schlechter bezahlt als vergleichbare festangestellte Männer – sondern auch schlechter als vergleichbare fest-freie Kollegen, die in den gleichen Tarifvertrag und sogar in die selbe Tarifgruppe eingeteilt sind.
Eine für viele
Viele Frauen wissen aber gar nicht, dass es nur auf den sogenannten „Job to Job“-Vergleich ankommt. Auch das ist ein Grund, warum so wenige Frauen gegen Lohndiskriminierung klagen: Sie kennen die Vorgaben und ihre Rechte gar nicht. Die GFF will das ändern. Hinzu komme: „Gegen den Arbeitgeber zu klagen, ist keine besonders empfehlenswerte Praxis, wenn man in seinem Betrieb noch etwas werden möchte. Das wissen die Frauen”, beschreibt Nora Markard das Problem. Darüber hinaus ist klagen teuer und zieht sich oft jahrelang hin. Der Fall von Birte Meier läuft zum Beispiel bereits seit 2015. Und auch der emotionale Aufwand ist hoch.
Umso wichtiger ist es, mutige Frauen wie Birte Meier zu unterstützen, ihren Einzelfall zu stärken, um für viele andere Frauen, die nicht klagen können, Gerechtigkeit zu erreichen. Nach der abgewiesenen Klage bereitet die Kanzlei der Klägerin nun gerade die Berufung vor, denn die Klägerin kann zeigen, dass die angesetzten Kriterien des ZDFs, die einen Lohnunterschied rechtfertigen würden, nicht rechtens sind. Vor allem eins macht der Fall deutlich: „Die deutschen Gerichten stellen häufig sehr viel höhere Anforderungen an die Klägerinnen und ihre Beweise als es das Europarecht vorgibt. Am Verhalten des Berliner Arbeitsgerichtes sieht man: Nicht alle deutschen Gerichte kennen und verstehen das entsprechende Europa-Recht überhaupt”, formuliert Chris Ambrosi den Missstand der deutschen Rechtsprechung.
Damit könnte der Fall Birte Meier ein Präzedenzfall werden, der die Last endlich von den einzelnen diskriminierten Frauen nehmen könnte und die deutschen Gerichte und Arbeitgeber zwingen könnte, ihre Verpflichtungen endlich ernstzunehmen. Denn was bringt ein Gesetz gegen Entgeltdiskriminierung, wenn es nicht angewandt wird?
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