Ein frauenfeindliches Facebook-Posting rund um die Burkini-Debatte hat bei unserem Community-Autoren Karim enorme Wut ausgelöst. Er sagt: Es entscheidet nicht die männliche Gier sondern alleine die Frau, wie viel sie von ihrem Körper zeigt.
Ja, es ist schön Frauen anzusehen. Aber…
Es ist eine leidige Debatte, die jüngst einen neuen Höhepunkt ihr Eigen nennt: Dürfen muslimische Frauen am Strand den körperbedeckenden Burkini tragen oder nicht. Die Stadt Cannes sagte Nein, Musliminnen und viele andere, denen körperliche Selbstbestimmung wichtig ist, sagen Ja.
Keine Sorge, die folgenden Zeilen beschäftigen sich nicht mit der Frage nach gelungener Integration oder erzwungener Assimilation. Das überlasse ich anderen. Zumindest vorerst. Trotzdem entspringt die Idee zu diesem Artikel einer Facebook-Debatte, die ich rund um eine Zeit Online Meldung führte. Und ja, dabei ging es um besagtes Burkini-Verbot in Frankreich, das mittlerweile gekippt worden ist.
Mein nicht so geschätzter Diskussionspartner meinte, dass es doch „schön sei, wenn man von einer Frau auch ihr Haar zu sehen bekommt“ oder ob ich das als „unanständig“ empfinde. Nein, das tue ich nicht. Was ich aber mehr als unanständig finde und mich Tage nach der Diskussion innerlich aufreibt, ist der schwergewichtige Sexismus, der in einer solch kurzen Aussage mitschwingt. Natürlich kann ein Mann es schön finden, Frauen anzusehen. Aber wenn dies als Anmerkung in einer Debatte über Verbote und erzwungene Entblößung fällt, dann hat das mehr als nur einen schalen Beigeschmack.
„Ich muss sie unbedingt haben“
Welches Recht nimmt sich ein Mann, darüber zu entscheiden, was er von einer Frau sehen darf? Das ist nicht mehr als eine unfassbare Anmaßung Richter und Henker zu spielen. Nein, du hast nicht die Ermächtigung alles sehen zu dürfen, wonach du trachtest. Diese Fixierung auf das Äußerliche und der Wunsch nach dem uneingeschränkten Blick ist und bleibt eine Krankheit des sich überlegen fühlenden Mannes. Interessant in diesem Zusammenhang ist etwa der aus der Filmtheorie stammende Begriff des „Male Gaze“. Dabei handelt es sich, vereinfacht gesagt, um das männliche Starren und die Degradierung der Frau zum Objekt.
In anderen Analysen zum Machismus wird auf die spanische Comedia verwiesen, wonach der Edelmann eine hübsche Frau sieht oder nur von ihrer Schönheit hört und daraufhin stets den Satz „Tengo que gozaral“ („Ich muss sie unbedingt haben“) spricht. Damit meine ich nicht, alles Flirten dieser Welt zu verteufeln. Ganz im Gegenteil. Aber der Respekt vor einer Frau basiert mitnichten darauf, wie sie sich kleidet. Und schon gar nicht hat der nach Frauenkörpern gierende Mann die Befugnis, sie darin zu beschneiden. Wo kämen wir hin, wenn Wünsche und Belieben einer ohnehin überlegenen Gruppe Maßstab für Gesetze gegenüber Minderheiten wird?
Seite an Seite gegen Sexismus
Eine Frau hat das unumstößliche Recht sich so zu kleiden, wie sie es für richtig empfindet. Ihr Maßstab ist eigen- und nicht fremdbestimmt. Das erinnert mich an meinen an gleicher Stelle geschriebenen Artikel über die Faszination und Bürde eine Tochter zu erziehen. Dabei war mir vor allem ein Satz sehr wichtig: „Um die Welt zu verändern, muss ein Vater seiner Tochter beibringen, dass nicht ihr Körper, sondern ihr Geist ihr stärkstes Kapital ist.“
In einer Welt, in der Frauenkörper normiert sind und Frauen zu oft auf ihr Äußeres reduziert werden, soll sie sich nicht vom Blick und den Maßstäben anderer einschränken lassen. Und ich werde stolz sein an dem Tag, an dem ich ihr im Kampf gegen Sexismus und anderen verabscheuungswürdigen Ungerechtigkeiten zur Seite stehe. Ob mit oder ohne bedecktes Haar.
Karim Saad ist Vater einer dreijährigen Tochter und bloggt zu kulturpolitischen Themen.
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