Warum Hörspiele unsere Kids erfolgreich machen
„Du hörst nicht richtig zu“, werfe ich meinem Neffen
genervt vor. Der kleine Racker schaut mich verständnislos an. Kein Wunder, denn
Zuhören ist kein Urinstinkt. Er muss erst lernen, wie das geht. Klingt
schwierig. Ist es auch, oder nicht? Ich forsche nach.
Nur wer zuhört, begreift die Welt
„Zuhören ist die Basis für
gelingende Kommunikation“, beteuert Helga Kleinen, Projektleiterin bei Auditorix.
Das Gemeinschaftsprojekt der Initiative Hören und der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen setzt sich für Hörbildung und Zuhörförderung von Kindern
ein. Mit Weiterbildungsprogrammen, einer Online-Hörwerkstatt oder einem
Qualitätssiegel für Kinderhörbucher
zeigen Kleinen und ihre Kollegen den Stellenwert des Hörens auf. Denn Zuhören
macht erfolgreich. Nicht nur was die Sprache angeht. Könner lösen auch
Konflikte leichter und lernen schneller.
Ein Hoch auf Bibi und Benjamin
„Zum Glück gibt es
Hörspiele“, freut sich Rainer Brang, Vater von zwei Söhnen. Der Softwareentwickler
aus Nürtingen stellt seit fünf Jahren MP3-Player für Kinder her und weiß, dass Hörabenteuer
nicht nur die Konzentration fördern. „Kids lernen verschiedene Wortwelten
kennen“, berichtet er. Während Bibi Blocksberg und Benjamin Blümchen von Zootieren
und Sprichwörtern handeln, offenbart eine Römergeschichte historische Begriffe.
„Der Wortschatz wächst in jedem Fall, die Sprache wird reicher und bunter“,
stimmt Kleinen zu, die sich bereits seit 1997 für’s Zuhören engagiert. Außerdem
regen Hörspiele die Fantasie an. „Geräusche haben eine besondere Erzählkraft.
Sie erzeugen Bilder im Kopf“, sagt die 49-Jährige. Ein Beispiel: Bei
Hufgetrampel stellen sich Kinder vor, wie Ritter beim Turnier aufeinander zu
preschen.
Wer nicht lesen kann, muss hören
Dass auch Hörbücher einen
positiven Effekt haben, beweist eine Studie der Universität Lüneburg. Sechs
Wochen lang lasen Schüler laut mit einem Hörbuch mit. Das Ergebnis:
Leseflüssigkeit, Lesemotivation und das Textverstehen verbesserten sich
deutlich. Es gab viele gute,
wenig schwache Leser. Ein Lernzuwachs, der
ansonsten in durchschnittlich zwei Schuljahren erreicht wird. Zudem
fördert Zuhören die Inklusion. Kleinen: „Durch das gesprochene Wort finden auch
Kinder aus bildungsfernem Kontext oder Lese-Rechtschreibschwache Zugang zu
literarischen Texten.“ Die Kids seien nicht ausgeschlossen, wenn Freunde von
Geschichten erzählen.
Achtung, Tischecke!
Kleinen rät Altersempfehlungen, ernst zu nehmen.
„Komplexe Handlungen überfordern einen Vierjährigen“, sagt die Mutter von drei Kindern,
die früher als Schauspielerin am Kindertheater tätig war. Außerdem brauchen Familien ein Abspielgerät für
Kinderhände. „Das muss vor allem robust sein“, sagt Bastler Brang. Beim Spielen
fällt das Gerät schnell vom Tisch oder wird im Puppenwagen durchgeschüttelt. Lange
hat der Schwabe nach einem hochwertigen Kinder-Player gesucht. Fand aber nur
billige Plastikmodelle. Also schnappte er sich 2009
Säge, Hammer und Schraubenzieher und zimmerte eine 25x15x7 cm große Holzbox.
Dann fräste er Löcher für Lautsprecher, Knöpfe sowie elf Tasten hinein und
schraubte das Ganze mit einem Griff und einer Platine zusammen. Fertig war der
erste Hörbert. Heute, sieben Jahre später, stehen 5500 Exemplare in Kinderzimmern
rund um den Globus. Einer der hölzernen Hörspieler hat es sogar nach New York
ins Museum of Modern Art geschafft, „und dort schon 38.000 Besucher überlebt“,
erzählt der stolze Erfinder.
Mitfühlen
und mutig sein
„Ein gutes Hörspiel lädt die Kids ein, auf Entdeckungsreise zu gehen und hinter die Dinge
zu schauen“, bemerkt Kleinen. Entscheidend seien die Protagonisten.
„Die Figuren müssen Persönlichkeit zeigen“, bestätigt Hardware-Spezialist Brang.
Ist ein Held „nur gut“ oder ein Schurke „nur böse“, identifizieren sich Kinder
nicht mit ihm. „Wir haben ja auch positive und negative Seiten“, erklärt der
Hörspiel-Experte. Seine Söhne, acht und sechs Jahre alt, lieben Geschichten, in
denen Hauptfiguren Mut beweisen. Egal, ob es dabei um Probleme im Alltag geht,
eine Schatzsuche oder Streit mit der Lehrerin.“ Durch die Reise des Helden
lernen die Kids, Konflikte lösungsorientiert auszutragen. „Und sie üben
Empathie“, erweitert Kleinen. Mit ein bisschen Hörpraxis erkennen Kinder
blitzschnell, ob ihr Held Angst hat oder wütend ist. Sie deuten Satzmelodien
und Tonfall. Brangs Söhne haben ihre Lieblingshörspiele am liebsten immer dabei.
Deshalb funktioniert Hörbert ohne Kabel. Batterien oder Akkus treiben den
MP3-Player an. Die Speicherkarte bietet Platz für 17 Stunden Hörspaß.