Viele junge Mädchen träumen davon, Journalistin zu werden. Lisa-Marie war diesem Traum bereits ganz nah. Weshalb sie sich am Ende doch gegen das Fernsehen und für die Unternehmenskommunikation entschied, erfahrt ihr im Interview.
„Als Germanistin mache ich mir keine
Sorgen, ich bin schließlich Generalistin.“
Lange Zeit hatte Lisa-Marie den Wunsch, Journalistin zu werden. Sie schrieb für eine Regionalzeitung und absolvierte ein Praktikum bei Arte, aber nach ihrem Studium in Germanistik und Medienpraxis kam schließlich doch alles anders.
Heute arbeitet sie in einer Agentur für Unternehmenskommunikation. Mit Aufgeben hat das allerdings nichts zu tun. Weshalb sie ihr Berufsziel noch einmal gewechselt hat und wie man sich als Geisteswissenschaftlerin optimistisch seinen Weg zum persönlichen Traumjob bahnt, erzählt uns Lisa-Marie im Interview.
Bild: Lisa-Marie George
Was wolltest du als Kind gerne werden?
„Mein Wunsch von damals hat so rein gar nichts mit dem
zu tun, was ich heute mache: Als Kind wollte ich
gerne Tierschützerin werden, weil ich mit etwa fünf Jahren einen Vogel aus
einem Regenrohr gerettet habe und ab diesem Zeitpunkt gerne Tieren helfen wollte.
Bald schon faszinierte mich aber der Beruf der Autorin, weil ich schon immer
gerne Geschichten geschrieben habe. In der Oberstufe am Gymnasium war dann für
mich klar, dass ich Journalistin werden wollte.“
Für welches Studium hast du dich mit diesem Berufsziel entschieden?
„Ich habe Germanistik sowie
Literatur und Medienpraxis studiert. Dabei wollte ich immer meinen Bachelor
durch einen Master ergänzen. Das war kein Muss, aber mir hat das Studieren wirklich Spaß gemacht. Das Fach Germanistik hielt ich, und halte ich nach wie vor, für eine
gute Grundlage für unterschiedliche Berufsfelder. Außerdem mochte ich schon
immer die Auseinandersetzung mit jeglicher Art von Literatur und der deutschen Sprache.“
Hattest du während deines Studiums dein Berufsziel immer fest vor Augen?
„Ich hatte mir schon früh überlegt,
dass ich zuerst studieren und dann ein Volontariat machen wollte. Da ich
mein zukünftiges Ich als Redakteurin bei einer Zeitung gesehen habe, schrieb
ich schon während des Bachelors für Regionalzeitungen und machte verschiedene
Praktika. Während meines Masters in Literatur und Medienpraxis an der Uni
Duisburg-Essen entwickelte ich schließlich einen starken Bezug zum
audiovisuellen Medium. Ab diesem Zeitpunkt interessierte ich mich viel mehr für
die Arbeit in einer Fernsehredaktion.“
Wo hast du deine Praktika in dieser Zeit absolviert?
„Zunächst war ich Praktikantin bei einer
Regionalzeitung und einer Agentur für Bücher und Verlage. Während
meines Masters habe ich dann vor allem Praktika beim Fernsehen gemacht. So war
ich zum Beispiel in der Arte-Redaktion für ‚Kultur und Wissenschaft‘ in Mainz, wo
ich Dokumentationen mitbetreute, und in der Redaktion der ‚hessenschau‘ beim
Hessischen Rundfunk, wo es um die tagesaktuelle Berichterstattung ging.
Mir haben all diese Praktika nicht nur sehr
viel Spaß gemacht, ich habe dadurch auch eines besonders gelernt: Gerade als Studentin oder
Student der Geisteswissenschaften sollte man versuchen, über Praktika so viele Erfahrungen
wie möglich zu sammeln – und das nicht nur, wenn es im Studium verpflichtend
ist.“
Wie hilfreich waren die Erfahrungen deiner Praktika denn für deine
spätere Karriere?
„Mir haben Erfahrungen, die ich
in den verschiedenen Praktika gesammelt habe sehr geholfen, um mich beruflich
zu orientieren. Journalismus war eine erste Idee, doch erst über die Praktika
fand ich heraus, in welche Richtung es genau gehen soll.
Letztlich hat es mich zwar
beruflich in eine andere Richtung verschlagen, aber die Erfahrungen aus meinen Praktika kann ich heute immer noch auf unterschiedliche
Weise in meinen Joballtag einbringen – zum Beispiel, wenn es um den Umgang mit
stressigen Situationen oder Abgabefristen geht.“
Wieso hast du dich letztlich gegen den Journalismus entschieden?
„Ich habe keine bewusste
Entscheidung gegen den Journalismus getroffen, sondern war prinzipiell auch offen gegenüber
verschiedenen beruflichen Möglichkeiten. Neben dem Schreiben bringe ich bestimmte Grundlagen mit, die mich, aus meiner Sicht, für unterschiedliche
Aufgaben qualifizieren. Das sind beispielsweise Dinge wie mein
Organisationstalent oder die Fähigkeit zur gezielten Recherche und der geübte
Umgang mit verschiedenen Computerprogrammen.
Die Arbeit in der Agentur für
Unternehmenskommunikation, in der ich jetzt tätig bin, eröffnete sich mir nach
meinem Studium als eine völlig neue Perspektive. Ich hatte ja bereits während des Bachelors ein Praktikum in einer PR-Agentur
für Verlage gemacht, später diesen Bereich wieder aus den Augen verloren. Ich denke, insbesondere für Geisteswissenschaftler ist Unternehmenskommunikation
eine Option, die einige nicht auf ihrer Liste haben.“
Was sind deine Aufgaben in der Unternehmenskommunikation?
„Ich arbeite nun seit einem
knappen Jahr als Trainee in einer Agentur, die Unternehmen bei kommunikativen Fragen berät. Zu
meinen Aufgaben zählen dort die Unterstützung von Beratern und Senior Beratern
in verschiedenen Projekten, zum Beispiel bei der Entwicklung von Konzepten und
Präsentationen. Zurzeit arbeite ich mit an einem Projekt, das sich mit Kultur,
Bildung und Wissenschaft beschäftigt. Dabei planen wir unter anderem eine große
Veranstaltung für unseren Kunden und ich lerne dementsprechend einiges über Eventmanagement.“
Was unterscheidet die Kommunikationsbranche von der Medienwelt des
Journalismus?
„Kommunikationsberatung
wird in dem Unternehmen, in dem ich arbeite, strategisch verstanden. Alles ist genau
durchdacht – ähnlich wie Unternehmensberater helfen wir Firmen, bloß eben auf
einer kommunikativen Ebene. Wir ermitteln Strategien, planen langfristig und
haben durch unterschiedliche Kunden immer wieder andere Themen auf dem Tisch.
Der Journalismus ist ganz anders
ausgerichtet: oft sehr schnelllebig, nicht immer ganz perfekt, informierend,
einordnend, unerwartet. Jeder Tag ist ganz neu und daher schwer langfristig
planbar. Was ich am meisten vermisse, ist das audiovisuelle Aufbereiten von
Inhalten für Zuschauer. Das hat mir immer sehr viel Spaß gemacht.“
Wenn du noch einmal studieren könntest, würdest du dich wieder für
dieselben Fächer entscheiden?
„Wenn ich mit meinem Studium noch
einmal von vorne anfangen müsste, würde ich alles wieder genauso machen.
Germanistik in Marburg zu studieren, war eine super Erfahrung. Die Professoren
dort sind klasse, ebenso das Angebot an Seminaren. Ich mochte die Inhalte und
die Arbeit mit Texten und Sprache sehr. Die Ergänzung meines Studiums durch
einen Master in Literatur und Medienpraxis an der Universität Duisburg-Essen
habe ich auch keine Sekunde lang bereut. Ich habe dort viel über praxisnahe
Inhalte mitgegeben bekommen und viel über meine beruflichen Wünsche gelernt.
Sonst hätte ich nie bemerkt, wie großartig es ist, Videobeiträge zu erstellen!“
Gab es dennoch Momente, in denen du an deiner Entscheidung gezweifelt hast,
etwas Geisteswissenschaftliches zu studieren?
„Im Grunde gab es viele solcher
Momente: Das fing schon an als ich zum ersten Mal auf der Suche nach einem
Praktikumsplatz war und nicht wusste, ob ich etwas Passendes finden würde. Die
größten Zweifel bekam ich aber als ich mich noch während des Studiums und
danach für verschiedene Volontariate und Trainee-Stellen bewarb und zunächst
nur Absagen erhielt. In so einer Situation fragt man sich schon: Hätte ich mit einem anderen
Studienfach mehr erreichen können? Würde ich nicht in einem anderen Beruf mehr
Geld verdienen und mehr Sicherheiten haben?
Letztlich wurde mir durch
verschiedene Praktika und auch jetzt in meinem Beruf bewusst, dass es sich auf
jeden Fall gelohnt hat, diesen Weg zu gehen. Es ist genau diese berufliche
Richtung, für die ich mich schon immer interessiert habe und ich will nichts
anderes tun, als mich tagtäglich mit dem geschriebenen und dem gesprochenen Wort
auseinanderzusetzen. Nach diesem Ausschlussverfahren komme ich immer wieder zu
dem Schluss: Ich hätte nie etwas anderes studieren können, denn ich wollte nie
etwas anderes machen.“
Welche Sprüche und Fragen kannst du nicht mehr hören, wenn es ums Thema
Geisteswissenschaften geht?
„Die typischste aller Fragen während
des Studiums war wohl: Studierst du auf Lehramt? Aber was willst du mit
Germanistik machen, wenn du nicht auf Lehramt studierst?
Andere meinten: ‚In diesem
Studiengang kann man sich doch auch schön ausruhen. Hausarbeiten, das ist ja
ein Witz. Ihr habt doch nichts zu tun.’
Und jetzt im Job höre ich von
anderen manchmal Sachen wie: ‚Wie nennt sich dein Beruf? Was machst du da
genau? Und damit kann man Geld verdienen?’
Am
Anfang haben mich solche Sprüche noch wütend gemacht, da ein
geisteswissenschaftliches Studium oft unterschätzt wird. Ich habe meine
Semesterferien immer damit zugebracht, Hausarbeiten zu schreiben oder Praktika
zu machen. Dieses Studium ist nicht vergleichbar mit Medizin oder anderen
Fächern und sollte sich auch nicht an diesen messen lassen müssen. Mittlerweile
bin ich da gelassener und erkläre gerne zum hundertsten Mal, was genau ich
arbeite.“
Welche Tipps würdest du anderen geben, die eine ähnliche Karriere
anstreben oder Zweifel haben, ob ein geisteswissenschaftliches Studium das Richtige ist?
„Informiert euch genau vorher
über die Inhalte des Studiums. Wenn ihr die Beschäftigung mit einem Thema und
das seitenweise Schreiben darüber nicht besonders mögt, dann macht lieber etwas
anderes. Das Germanistik-Studium ist nur bedingt praxisnah. Jeder macht es
selbst zu dem, was ihm später beruflich weiterhilft – durch Praktika,
Nebenjobs, zusätzliche Seminare oder Auslandsaufenthalte. Nutzt Möglichkeiten
für Praktika, um euch zu orientieren und Kontakte zu knüpfen, geht ins Ausland,
um auch mal andere Dinge zu sehen.“
Was möchtest du persönlich gerne noch erreichen?
„Durch das geisteswissenschaftliche
Studium habe ich gelernt, gelassener zu werden, was die berufliche Zukunft
betrifft. Ich muss nicht mein Leben lang in ein und demselben Job verharren,
sondern kann flexibel sein. Was noch kommt, darauf bin ich gespannt. Ich möchte
mich gerne stetig weiterentwickeln und immer weiter lernen. Daher kann ich
nicht sagen, wo ich mich zukünftig sehe. Als Germanistin mache ich mir keine
Sorgen, ich bin schließlich Generalistin.“
Titelbild: Rosmarie Voegtli – flickr – CC BY 2.0
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