Eine britische Firma will nun auch in Deutschland Lebensläufe per Software bewerten und automatisch „den persönlichen Marktwert“ ermitteln – klingt irgendwie gruselig.
Was bin ich wert? Das soll der CV verraten
Das Modell der britischen Firma Adzuna funktioniert ganz einfach: Lebenslauf hochladen, ein paar Sekunden warten, und schon spuckt der Algorithmus eine individuelle Analyse des persönlichen Marktwerts aus. „Bei der Bewertung des eigenen Lebenslaufes werden zahlreiche Faktoren inklusive Ausbildung, Berufserfahrung und auch die angegebenen Fähigkeiten analysiert sowie das Gehaltsgefälle zwischen Nord-, Süd-, Ost- und Westdeutschland miteinbezogen und mit der Datenbank abgeglichen. Als Ergebnis erhält der Nutzer eine statistische Einschätzung des eigenen Marktwertes, basierend auf dem deutschen Arbeitsmarkt“, heißt es in einer Pressemeldung der Firma.
Die Website basiert auf einer Datenbank mit 50.000 anonymisierten Lebensläufen und den dazugehörigen Gehaltsdaten, die von einer Personalagentur zur Verfügung gestellt wurden. „ValueMyCV“ stützt sich auf so genanntes CV Parsing, eine gängige Software-Methode im Personalwesen, die das strukturelle Verarbeiten von Lebensläufen möglich macht.
Außerdem bietet die Firma an, anhand des Lebenslaufes einen Marktwert eines Bewerbers oder einer Bewerberin zu ermitteln: Angaben zu Ausbildung, Berufserfahrung und Fähigkeiten werden aus dem Lebenslauf extrahiert und mit passenden Profilen in der Datenbank verglichen. So wird eine statistische Schätzung in Form eines Bruttojahresgehalts ermittelt, die den Kandidaten eine Hausnummer nennen soll, mit wieviel Gehalt sie auf ihrem lokalen Arbeitsmarkt rechnen können.
Eine Revolution auf dem deutschen Arbeitsmarkt?
Adzuna zitiert einen Personalexperten, nämlich Professor Dr. Walter Gora von der International Business School in Thalwill/Schweiz: „ValueMyCV wird eine Revolution auf dem deutschen Arbeitsmarkt auslösen, weil dadurch auf einen Schlag jedermann ganz einfach und ohne Kosten herausfinden kann, wie viel er oder sie auf dem Arbeitsmarkt wert ist“, sagt er.
Und zu guter Letzt wird noch angeboten, den Aufbau, den Inhalt und die Länge des hochgeladenen Lebenslaufes „basierend auf aktuellen Bewerbungsrichtlinien“ zu untersuchen und zu bewerten. Man bekommt, heißt es, Hinweise auf häufige Fehler und Verbesserungsvorschläge. Jeder könne seinen Lebenslauf beliebig oft hochladen, um ihn zu optimieren.
Im Moment handelt es sich bei der deutschen Version noch um eine Beta-Version. Die Genauigkeit variiert, je nachdem, wie viele relevante Daten für ein bestimmtes Profil bereits in der Datenbank vorhanden sind. Mit jedem hochgeladenen Lebenslauf werde das Modell weiter trainiert, heißt es.
Die Firma wirbt für ihr Angebot auch mit dem Hinweis, die Nutzer könnten durch den Gebrauch der Software dazu beitragen, mehr Transparenz auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu schaffen.
Schätzung klingt schön, aber unrealistisch
Wer übrigens seinen Lebenslauf gerade nicht zur Hand hat, der kann auch die Daten aus seinem LinkedIn-Profil nutzen.
Wir haben das natürlich auch erstmal selbst getestet und den Lebenslauf einer guten Freundin hochgeladen, die heute Geschäftsführerin ihrer eigenen Firma in Berlin ist und früher leitend im PR-Bereich gearbeitet hat. Sie ist satte 86.479 Euro Brutto-Jahresgehalt wert, was natürlich ganz sicher stimmt, angesichts der eigenen Erfahrungen in Sachen Berliner Gehälter kommt uns das allerdings schön, aber ein wenig unrealistisch vor.
Bei der CV-Analyse wiederum bekam sie satte: 100 Prozent, also alles richtig gemacht. Bei genauem Hinschauen wurden da ziemliche Klassiker überprüft, die jeder, falls er sich nicht gerade für den allerersten Job seiner Karriere bewirbt, draufhaben sollte: Ist der Name des Dokuments angemessen? Sind Adresse, E-Mail-Adresse, Geburtsdatum, Anschrift vorhanden? Hat der CV die richtige Länge für sieben Jahre Berufserfahrung?
Wer das auch ausprobieren will, kann seinen Lebenslauf hier hochladen (kostenlos).
Was meint ihr: Klingt das nach einer guten Idee? Oder eher spooky, dass anhand von zwei, drei Seite eines Word-Dokuments der Wert des Menschen, der sie verfasst hat, von einer Software ausgespuckt wird, und das in weniger als zwei Sekunden?
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