Sachsen und Brandenburg haben gewählt. In beiden Bundesländern ist die Afd „nur“ zweitstärkste Kraft geworden. Ist das wirklich ein Grund zum Aufatmen? Das fragt sich unsere Autorin Helen Hahne heute in ihrer Politikkolumne „Ist das euer Ernst“.
Jede*r vierte in Sachsen und Brandenburg hat AfD gewählt
In Sachsen und Brandenburg wurde gestern gewählt. Nach den vorläufigen Endergebnissen ist die Afd in beiden Bundesländern zweitstärkste Kraft geworden. In Brandenburg mit 23,5 Prozent, knapp drei Prozent hinter der SPD, die auf 26,2 Prozent kommt (weitere Ergebnisse in Brandenburg: CDU 15,6 Prozent, Grüne: 10,8 Prozent, Linke: 10,7 Prozent, Freie Wähler: 5 Prozent. Und in Sachsen mit 27,5 Prozent, knapp 5 Prozent hinter der CDU, die auf 32,1 Prozent kommt. (weitere Ergebnisse in Sachsen: SPD 7,7 Prozent, Grüne: 8,6 Prozent, Linke: 10,4 Prozent ). Die AfD als stärkste Kraft ist also noch einmal verhindert worden. Aber ist das wirklich ein Grund zum Aufatmen? Nein, es gibt kein richtiges Wahlergebnis im falschen. Wenn eine Partei, bei der immer mehr Verbindungen zur rechtsextremen Szene deutlich werden und eine Person aus ihrem Spitzenpersonal in Brandenburg auch schon einmal mit dem Aufhängen einer Hakenkreuzflagge im Griechenlandurlaub in Zusammenhang gebracht wurde, oder mal Heimaturlaub in nationalsozialistischen Feriencamps machte, in beiden Landtagswahlen zusammen von fast jeder vierten Person gewählt wird, dann darf nichts mehr schön geredet werden. Das wurde viel zu lange getan. Wir können uns weder Sprachlosigkeit noch unwidersprochenen Dialog mit der AfD mehr leisten.
Einmal mehr konnte man das gestern in der Berichterstattung beobachten. Wenn in der Wahlanalyse in der ARD von einer Moderatorin von einer möglichen „bürgerlichen Koalition“ zwischen CDU und AfD in Sachsen gesprochen wird und Gauland diesen Normalisierungsversuch der politischen Zusammenarbeit mit der AfD später bei Anne Will immer wieder wiederholen darf, wird eine Partei weiter legitimiert, die der Rechtsextremismusforscher Matthias Quent als parlamentarischen Arm der rechtsextremen Szene auf der Straße demaskiert, weiter legitimiert. Wieder einmal hören wir also einer in Teilen rechtsextremen Partei bei ihrer Täter-Opfer-Umkehr zu und nicht den Menschen, die heute morgen in Sachsen und Brandenburg vor die Tür gehen müssen und sich nun bei jeder vierten Person fragen müssen, ob sie mit ihrer Stimme eine Partei gewählt haben, die sich offen gegen diese Menschen positioniert – rassistisch, antisemitisch oder homofeindlich zum Beispiel.
Die AfD entlarven – wie kann das gehen?
Dass ein Viertel der Wähler*innen in Sachsen und Brandenburg eine in Teilen rechtsextreme Partei gewählt haben – egal ob billigend in Kauf nehmend oder bewusst – ist aber kein ostdeutsches, sondern schlicht ein deutsches Problem. Wenn am 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen so viele Menschen eine Partei wählen, dessen Bundesvorsitzender die Jahre zwischen 1933 und 1945 als Vogelschiss in der deutschen Geschichte bezeichnet hat, dann muss es das oberste gesellschaftliche und politische Ziel sein, sich mit den Menschen zu solidarisieren, die von der Politik der AfD bedroht sind. Die Argumentationslogik der AfD muss immer und immer wieder aufgebrochen werden. Rechtsradikalismus darf keine normale politische Position sein – und das muss nun, so absurd das auch scheinen mag, tatsächlich wieder ausgesprochen werden. Nicht um die sogenannten Protestwähler*innen* zurückzuholen, sondern um die demokratische Normalisierung von diskriminierenden Positionen zu verhindern.
Auch deshalb bleibt zu hoffen, dass die CDU in Sachsen bei ihrem klaren Versprechen bleibt und keine Koalition mit der AfD in Erwägung zieht. Es bleibt zu hoffen, dass die demokratischen Mehrheiten für Rot-rot-grün (in Brandenburg) und Schwarz-rot-grün (in Sachsen) eine stabile Regierung ermöglichen, die die wirklich drängenden Fragen dieser Bundesländer angeht: Strukturwandel, Altersarmut, Klimakrise. Die vor allem die Projekte fördert und unterstützt, die sich für marginalisierte und gefährdete Menschen in Meißen, Bautzen oder Görlitz (wo die AfD auf 38-40 Prozent kam) oder Elbe-Elster, Oder-Spree oder Dahme-Spreewald (drei Wahlkreise, die in Brandenburg an die AfD gingen), engagieren. Der Osten muss Thema bleiben, aber die AfD darf nicht bestimmen, in welcher Form. Denn, wenn die AfD den demokratischen Diskurs weiter bestimmt, wird es bald sehr düster. Schon in zwei Monaten wird in Thüringen gewählt. Auch hier muss das demokratische Ziel sein, die AfD und ihren Spitzenkandidaten Björn Höcke als stärkste Kraft zu verhindern. Auch dieses Mal darf das Ziel aber nicht heißen: „Bitte nur 20 Prozent für die AfD.“ Das Ziel muss immer heißen: Keinen Fußbreit den Faschisten.