Bild von vier Frauen, die eng nebeneinander auf einer Decke liegen.
Foto: Pexels | Kool Shooters

Schwestern, nicht Rivalinnen – Poetisches Manifest zum feministischen Kampftag

Die Autorin Sanata Doumbia-Milkereit hat anlässlich des Internationalen Weltfrauentags ein poetisches Manifest verfasst, in dem sie zur Solidarität unter Frauen aufruft. Mit ihren Worten will sie Frauen dazu ermutigen, sich nicht als Konkurrenz, sondern als Verbündete zu sehen. Ihr Wunsch ist es, diese Botschaft in die Welt zu tragen und möglichst viele Frauen zu erreichen.

Schwestern, nicht Rivalinnen

Ich sehe Dich.
Die Mutter, die stillt – und die Blicke der anderen spürt.
Die Mutter, die ihr Kind mit der Flasche füttert – und sich erklären muss.
Die Frau, die nach der Elternzeit zurück in den Job geht – und sich rechtfertigt.
Die Frau, die zuhause bleibt – und sich ebenso rechtfertigt.
Die, die keine Kinder will – und hören muss: „Aber irgendwann wirst Du es bereuen.“
Die, die keine bekommen kann – und sich jeden Kommentar verkneifen muss.
Die, die nicht weiß, wie lange sie das alles noch durchhält.

Ich sehe Dich.
Und ich verurteile Dich nicht.
Doch wir verurteilen uns oft gegenseitig.
Mütter gegen Mütter.
Mütter gegen Kinderlose.
Karrierefrauen gegen Hausfrauen.
Die mit Partner gegen die ohne.

Warum?
Warum schauen wir einander an, als müssten wir entscheiden, wer es „richtig(er)“ macht?
Warum messen wir, wer am meisten gibt, am meisten verzichtet, am meisten leistet?
Warum glauben wir, dass es nur einen richtigen Weg gibt – und dass unserer der bessere ist?

Vielleicht, weil es uns so beigebracht wurde.
Weil Frauen immer in Konkurrenz stehen sollten.
Weil wir nicht gemeinsam stark sein sollten, sondern einzeln kämpfen.
Weil es leichter ist, eine Frau zu kontrollieren, die mit einer anderen Frau beschäftigt ist – statt mit sich selbst.
Und so vergleichen wir uns. Messen uns an anderen. Tun so, als hätten wir es besser im Griff.
Atmen auf, wenn eine andere fällt – weil wir selbst noch stehen.
Lächeln, wenn jemand „versagt“, weil es heißt, dass wir vielleicht doch alles richtig gemacht haben.
Flüstern über die, die es anders machen.
Haben Angst, dass es am Ende vielleicht doch wir sind, die nicht genügen.

Wie lange noch?
Wie lange noch lassen wir uns einreden, dass wir gegeneinander sein müssen?
Wie lange noch messen wir uns an anderen, statt an uns selbst?
Wie lange noch zerreißen wir uns gegenseitig, während wir eigentlich zusammenhalten sollten?

Doch die Wahrheit ist:
Wir haben keine Zeit, gegeneinander zu sein.

Unsere Mütter haben gekämpft, damit wir wählen dürfen – und wir streiten darüber, wer „richtiger“ wählt.
Unsere Großmütter mussten schweigen – und wir lassen einander nicht ausreden.
Unsere Töchter werden uns beobachten – und was sollen sie sehen?
Konkurrenz? Oder Frauen, die einander halten?
Frauen, die einander nicht anblicken und denken: „Warum macht sie es so?“
Sondern sagen: „Ich verstehe Dich. Auch wenn Dein Weg nicht meiner ist.“
Frauen, die einander nicht bewerten, sondern bestärken.
Frauen, die sagen: „Du bist genug. Ich bin genug. Es gibt keinen besseren Weg. Nur unseren.” Vielleicht fängt es hier an. Heute. Mit uns.
Denn wenn wir einander halten, wird uns niemand mehr auseinanderreißen können.

Schwestern, nicht Rivalinnen.

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Über die Autorin

Foto: Claus Bergmann

Sanata Doumbia-Milkereit ist Psychologin (M.Sc. Klinische Psychologie und Psychotherapie), staatlich anerkannte Erzieherin, freie Journalistin, Autorin, Vorständin im Verband berufstätiger Mütter und Reservistin der Bundeswehr. Außerdem engagiert sie sich in verschiedenen sozialen Bereichen.

Geboren wurde die Psychologin und Autorin 1991 in der Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste). Mit sechs Jahren kam sie mit ihrem Vater nach Deutschland, als sich die politischen Unruhen in ihrer damaligen Heimat zuspitzten und zum Bürgerkrieg führten. Wäre sie geblieben, hätte sie — wie viele Mädchen weltweit und auch innerfamiliär — keinen Zugang zu Bildung gehabt. Die Gefahr von Genitalverstümmelung und Zwangsverheiratung wäre auch für sie real gewesen. Sanata Doumbia-Milkereits Mutter ist Analphabetin, deshalb war für sie früh klar: Bildung ist der Schlüssel zur Freiheit. Der Schlüssel, um am Leben teilhaben und mitwirken zu können.

Doch ihr Weg war nicht einfach. Als Kind erlebte sie häusliche und sexualisierte Gewalt. Niemand sprach darüber. Niemand sah hin. Über diese Zeit sagt sie: Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn die Welt wegschaut.

Heute setzt sich Sanata Doumbia-Milkereit für Frauenrechte, Kinderrechte und gesellschaftlichen Wandel ein. Sie engagiert sich unter anderem aktiv bei Terre des Femmes gegen weibliche Genitalverstümmelung und Zwangsverheiratung sowie beim Weissen Ring für Opfer von Gewalt.

Schreiben ist für sie mehr als Ausdruck — es ist Reflexion, Verarbeitung und Aktivismus. Die Autorin schreibt Kurzgeschichten, themenspezifische Texte und Gedichte über das pure Leben. Hierbei reflektiert sie gesellschaftliche Themen aus psychologischer und philosophischer Perspektive und stellt Fragen, die zum Nachdenken anregen.

Ihr erstes Buch erscheint im Sommer 2025 im Verlag Monika Fuchs — eine Kindermutmachgeschichte, die Kindern Hoffnung schenken soll. Sanata Doumbia-Milkereit glaubt daran, dass Kinder unsere größten Hoffnungsträger sind. Sie sagt: Kinder sind die Zukunft und sie verdienen eine Kindheit, die nicht von Angst, Gewalt oder Ungleichheit geprägt ist.

Um genau das zu unterstützen, plant sie, jährlich eine Kindermutmachgeschichte zu veröffentlichen, die Themen behandelt, die gesellschaftlich oft tabuisiert oder übersehen werden. Sanata Doumbia-Milkereit möchte Kindern zeigen, dass sie nicht allein sind — dass ihre Geschichten es wert sind, gehört und erzählt zu werden.

Aktuell promoviert sie an der Universität Bremen zur weiblichen Genitalverstümmelung. 2022 wurde sie von der Stadt Osnabrück zur „Hoffnungsträgerin“ ernannt, 2023 erhielt sie den Elisabeth-Siegel-Preis für ihr Engagement für Demokratie, Toleranz und Frauenrechte.

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