Foto: Alice M. Huynh

Alice: „In New York habe ich die harte Realität kennengelernt“

Alice M. Huynh hat während ihres Studiums ihr eigenes Modelabel gegründet. Was ihre Entwürfe ausmacht und was sie während eines Praktikums bei Alexander Wang erlebt hat, hat sie uns erzählt.

 

Vom Suchen und Finden

Alice M. Huynh kann sich sehr gut in ihrer Namensvetterin, der Protagonistin von Lewis Carolls Geschichte Alice im Wunderland wiederfinden: Auch sie träumt vom Entdecken einer Welt, die noch vor ihr liegt und davon, irgendwann endlich bei sich selbst anzukommen. In der Zwischenzeit gründete sie mit I heart Alice ihr eigenes Modelabel, bloggt und ist für ein Praktikum bei Alexander Wang nach New York gegangen.

Wie es hinter den Kulissen des Mode-Olymps aussieht, was sie an der Farbe Schwarz so reizvoll findet und warum sie das Bloggen aus ihrer beschaulichen Welt im Allgäuer Oberstdorf gerettet hat, erzählt sie im Interview.

Alice, du bist Modedesignerin und hast dich der Farbe Schwarz verschrieben. Wieso die Konzentration auf eine Farbe und woher kommt die Leidenschaft für Schwarz?

„Als ich mein Blog 2007 gestartet habe, habe ich meinen Stil immer weiterentwickelt und mich letztlich in die Farbe Schwarz verliebt. Das kam auch durch mein Modedesign-Studium, das ich 2012 in München begonnen habe. In dieser Zeit wurde ich ruhiger und dachte auch praktischer, ganz einfach weil ich viel an der Nähmaschine sitze und zu viel Chichi mich nur stören würde. Das Klischee, dass viele künstlerisch tätige Menschen Schwarz tragen, kann ich wohl hiermit bestätigen. Andererseits ging mir das Blogger-Gehabe beziehungsweise die Konsumgesellschaft etwas auf den Keks. Immer im Trend sein zu müssen, die gleichen Schuhe wie alle  zu haben oder die gleiche billig verarbeitete Tasche von XY zu tragen.
 Das wollte ich nicht mehr und habe mein Konsumverhalten radikal geändert. Ich meide große Textilketten, kaufe bewusster ein, setzte auf Qualität und auf Verarbeitung.
 Und warum sollten schwarze Looks nicht auch spannend sein? Ich denke, das ist gerade die Kunst, einen Look zu kreieren, der Charakter hat, zeitlos und vor allem nicht langweilig ist.
 Schwarz ist eine interessante Farbe, sie spiegelt so vieles wieder, kann bieder, aufgeregt, provokant oder auch unauffällig sein. Farben hingegen strahlen meistens nur ein Signal aus.
 Schwarz ist für mich ein Zustand und ist nicht an Zeit und Raum gebunden.“

Foto: Christoph Schaller

Du hast es schon erwähnt: Du bloggst auch. Wie kamst du zu deinem Blog und welche Themen finden bei dir statt?

„Ich blogge seit 2007, also schon sehr lange! Ich wuchs in Oberstdorf im Allgäu auf, einem sehr kleinen Dorf, das Jugendlichen wenig zu bieten hatte. Ich suchte mir also ein Hobby, und fing an über mein Leben und den Alltag zu schreiben. Ich interessierte mich mehr und mehr für Mode, Fotografie und Kunst. Somit war mein Blog schon sehr früh eine Plattform für meine Ideen und Kreativität. Erst waren es viel mehr private und alltägliche Einträge, mit der Zeit habe ich mich auf  Mode, vor allem eigene Looks, mein Leben als Modedesign-Studentin, meine Zeit in New York bis hin zu Reisetagebüchern beschränkt. Privates gebe ich jetzt eher seltener preis.“

Der Name deines Blogs und deines Labels ist eine Referenz auf Alice im Wunderland. Um was geht es dir dabei genau?

„Meine Mutter hat es wahrscheinlich gefühlt und hat mich deswegen nach dem Charakter aus Lewis Carrolls Märchen benannt. Träume, Abenteuer und einen eigenen Kopf. Ich denke das haben wir beide gemein. Genau wie Alice im Wunderland, stolperte ich aus Neugier in eine Welt, die mich fasziniert. Ich werde mit jedem Abenteuer erwachsener und lerne dazu – bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich mich irgendwann selber finde. Es ist wahrscheinlich eine sehr romantische Vorstellung das Leben zu beschreiben und mein Blog ist dabei ein offenes Buch, welches immer weiter geschrieben wird.“

Foto: Christoph Schaller

Wie gehst du an neue Kollektionen heran? Woher nimmst du deine Inspiration?

„Inspirationen finde ich überall. Vor allem Momente, Begegnungen, Geschichten und Gefühle sind in dem Entstehungsprozess sehr wichtig. Ich schreibe vieles auf, sammle Bilder, sortiere aus und stelle mir vor, was ich am Ende wohl damit machen möchte. Was ich ausdrücken möchte, ohne sehr aufdringlich zu wirken, mit dem Aspekt Mode tragbar und interessant zu machen. Der Rest kommt von alleine beziehungsweise während des Prozesses selbst. Da können dann auch mal Looks, die mir eigentlich gefallen haben, wieder verworfen und andere Looks, bei denen ich mir nicht sicher war, meine liebsten werden.“

Wie würdest du deine Handschrift als Designerin beschreiben?

„Alltäglich, zeitlos und minimalistisch.“

Hand aufs Herz: Wie schwierig ist es, sich als junge Designerin auf dem Markt zu behaupten und mit was kann man auf sich aufmerksam machen?

„Es ist meiner Meinung nach sehr schwierig, sich in dieser Branche zu etablieren. Man braucht vor allem Geld und Kontakte. Neben der Kreativität ist das das Wichtigste. Man muss Leute kennen, die einen voranbringen, einen unterstützen und finanzieren. Eine gute Vorbereitung ist das A und O – wie in vielen Dingen. Auch ich arbeite noch daran und taste mich langsam vorwärts. Der Vorteil der heutigen Welt: Social Media und das Internet sind wohl die schnellsten und auch effektivsten Tools, die man für sich nutzen kann.“

Foto: Christoph Schaller

Du studierst in München Mode, hast aber auch schon in New York Alexander Wang assistiert. Mit ihm teilst du die Vorliebe für klare Töne und Schnitte. Wie war diese Zeit?

„Es war einerseits sehr aufregend, aber auch ganz anders, als ich es erwartet habe. Einfach gesagt: Ich war eine Träumerin und ich kam nach New York und lernte die harte Realität kennen. Ich habe miterlebt wie es ist, eine kleine Praktikantin in Big Apple zu sein und musste auch die typischen Praktikantenaufgaben übernehmen: kopieren und aufräumen. Die Zeit war sehr lehrreich, auch wenn ich etwas enttäuscht darüber war, wie es wirklich hinter den Kulissen abläuft. Doch alle Erfahrungen sind letztendlich gute Erfahrungen und die Zeit in New York möchte ich nicht missen. Ich habe gelernt auf eigenen Beinen zu stehen und wie es ist, in einer großen Firma zu arbeiten. Ich habe herausgefunden, was ich mal machen möchte und was nicht.
 Alexander Wang zählt immer noch zu meinen liebsten Designern und meine Design-Ästhetik ist seiner recht ähnlich.“

Wie hat dich die Assistenz für dein eigenes Label beeinflusst?

„Ich habe gelernt, wie viel Vorbereitung es braucht eine ganze Kollektion  herzustellen und ein Label zu führen, wie viele Leute daran mitarbeiten, wie es mit den Farben, Schnitten, der Inspirationsfindung und all diesen Dingen läuft. Vor allem hat mich die Arbeitsweise des Design-Teams beeinflusst, mit dem ich sehr eng zusammengearbeitet habe. Das hat natürlich auch irgendwie auf mich abgefärbt und ich habe mir einiges abschauen können. Wie gesagt, Organisation ist alles – und auch wenn das vielleicht nicht unbedingt die kreativste Aufgabe ist, muss sie eben trotzdem gemacht werden.“

Was unterscheidet die New Yorker Modeszene von der in München oder in Berlin? Oder gibt es vielleicht sogar Parallelen?

„New York ist nicht vergleichbar mit anderen Städten, genauso wie Paris, Mailand oder Berlin. In einer Stadt wie New York sind die Möglichkeiten auch ganz anders, dennoch finde ich, dass die Mode in jeder dieser Städte auch Parallelen aufzeigt. Man hat zwar viele Subkulturen, Leute, die mit ihrem Stil herausstechen, aber natürlich auch die Masse an Menschen, den Mainstream. Ein New Yorker muss  nicht unbedingt anders aussehen wie ein Berliner. Aber die Umgebung färbt auch immer auf den Stil ab. New York ist kühl, High Fashion und hat auch etwas Strenges. Berlin ist dagegen etwas ‚wärmer‘, lässiger und mehr casual. München hingegen ist sehr steif und geordneter als die anderen Städte.“

Du schreibst auf deinem Blog, dass du eine Träumerin bist. Von was träumst du derzeit?

„Egal ob in Bezug auf mich oder mein Label, ich träume davon, meine Träume zu verwirklichen und mich selber zu finden. Vielleicht finde ich mich in meinem eigenen Label wieder? Vielleicht in meinem Blog? Oder doch lieber als Autorin? So genau kann ich das noch nicht sagen, aber sonst wäre es wohl auch langweilig. oder? “ (lacht)

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