Foto: Karmahike

Claudia Gellrich: „Das Leben ist zu kurz, um es hinter dem Computer an sich vorbeiziehen zu lassen“

Sie hatte einen spannenden Job als PR-Managerin, verdiente viel Geld und hatte eine sichere Zukunft vor sich – und doch wollte sie etwas anderes vom Leben. Wie Claudia Gellrich ihre Leidenschaft zum Beruf machte, hat sie uns erzählt.

 

„Ich
muss niemandem mehr etwas beweisen“

Wieso
sollte ich mein Leben hinter einem Bildschirm verbringen, wenn da draußen ein
Leben wartet, das mich viel glücklicher macht? Genau das fragte sich Claudia
Gellrich und krempelte daraufhin ihr Leben um. Und das an einem Punkt, an dem
es beruflich eigentlich nicht besser hätte laufen können. Sie tauschte ihre
erfolgreiche Berufslaufbahn als PR-Managerin gegen ein Leben in der
Selbstständigkeit und begann ihre Leidenschaft für Yoga und Körperarbeit mit anderen
zu teilen.

Sie haben Karmahike
gegründet. Hier dreht sich alles um Yoga und Reisen. Was genau ist die Idee dahinter
bzw. was wollen Sie den Menschen vermitteln oder mitgeben?

Karmahike
ist eine Symbiose aus Yoga und Wandern – eine wunderbare Kombination, um Körper
und Geist in Einklang zu bringen. Wir möchten unsere positiven Erfahrungen auf
dem Berg und auf der Matte weitergeben und das Erleben der wunderschönen Natur
mit Gleichgesinnten teilen. Karmahike steht für Authentizität, für Ehrlichkeit
und Offenheit. Für Naturverbundenheit und Inspiration, für Freiheit und
Herzlichkeit, für Spiritualität und Genuss. Denn ich glaube, dass die
Gedanken  in der Natur zur Ruhe kommen.
Dass wir uns im Hier und Jetzt bewegen und daraus neue Ideen entstehen können.“

Bevor Sie begonnen haben
Yoga zu unterrichten, waren Sie PR-Managerin für Dawanda, Brands4friends und
Ebay. Wie kam es zur Wende in Ihrem Leben?

„Das war ein etwas längerer Prozess.
Nach sechs intensiven und sehr spannenden Jahren habe ich meinen Job bei Ebay
beziehungsweise Brands4friends gekü
ndigt. Nicht, weil ich den Job, mein Team oder die Verantwortung
nicht mehr mochte – ich habe dort sehr gerne gearbeitet. Aber mir wurde
zunehmend klarer, dass das Leben zu kurz und zu wertvoll ist, um es hinter dem
Computer, an immer dem selben Ort, an mir vorbei ziehen zu lassen. Also
habe ich dem Bürostuhl Adieu gesagt und bin erst einmal nach Australien
geflogen.“

„Ich glaube, ohne Yoga
hätte ich die letzten zehn Jahre gar nicht durchgehalten. Meditation gibt Kraft
und schafft Bewusstsein für das hier und jetzt. “

Was hat denn den letzten Anstoß
gegeben, um ein anderes Leben anzufangen?

„Ich habe mich immer wieder gefragt:
Wo und wann fühlst du dich so richtig gut? Schnell war klar: in den Bergen und beim
Yoga. Aus dieser Erkenntnis entstand der Wunsch, die besonderen Momente auf dem
Berg und auf der Matte teilen zu wollen. Ich hatte ja schon vor über zehn
Jahren in den Alpen begonnen Erfahrung zu sammeln, Wanderleiter-Trainings
absolviert, weltweit Hütten- und Gipfel-Touren geleitet und Aus-
sowie Weiterbildungen zur Yogalehrerin gemacht. Immer mit größter Leidenschaft, aber doch nur
nebenbei. Bis zu jenem Tag, als ich beschloss, mein bereits zehn Jahre
altes Baby ‚Karmahike’ zu taufen und damit an den Start zu gehen.“

Welche Rolle hat ein gesundes und bewusstes Leben in Ihren früheren
Jobs gespielt, beziehungsweise: Welche Rolle durfte das überhaupt spielen?

„Die letzten Jahre vor meiner Selbstständigkeit waren ein wilder Ritt,
ohne viel Zeit zum Grübeln. 2008 war ich in New York, als der Anruf eines
Headhunters kam und nur wenige Tage später saß ich bereits im Büro eines Berliner
Startups. Wie viele Nächte ich im Büro übernachtet habe,
weil es abends mal wieder spät geworden war, weiß ich nicht mehr. Aber als Ebay
uns übernommen hat, war das ein großer Erfolg, nicht nur für die Startup-Szene,
sondern auch für mich persönlich.
Dennoch habe ich immer versucht, kurze Auszeiten
zu nehmen. Ich bin etwa von 18 bis 20 Uhr zum Yoga gegangen, habe Kraft
getankt und bin dann wieder zurück ins Büro.
Über
viele Jahre war das Yogastudio um die Ecke mein ‚zweites Zuhause’.
Meditieren, wenn
auch nur 15 oder 30 Minuten am Tag, müssen drin sein. Ich glaube, ohne Yoga
hätte ich die letzten zehn Jahre gar nicht durchgehalten. Meditation gibt Kraft
und schafft Bewusstsein für das hier und jetzt. 
Gesunde, vegetarische, Ernährung gehört ohnehin seit vielen Jahren zu
meinem Leben. Das hält mich ebenfalls fit und gesund.“

Vermissen Sie vielleicht
auch etwas aus ihrem alten Leben?

„Ich war immer ein Typ Mensch, der mit wenig Materiellem zufrieden ist und nicht viel Geld und viel ‚Zeug’ braucht, sondern sich über die kleinen Dinge freut. Natürlich ist eine nette Wohnung schön, aber wenn man 14 bis 15 Stunden am Tag arbeitet, sechs oder sieben Stunden schläft – was hat man dann von einer schönen Wohnung?“

Was würden Sie sagen: Kann
reiner beruflicher Erfolg überhaupt wirklich glücklich machen?

„Das mag ich nicht beurteilen. Jeder tickt anders. Ich für meinen Teil möchte heute die Dinge tun, die mich und andere glücklich machen. Und mit Karmahike kann ich das. Und wenn man tut, was man liebt, das, was das Herz zum Singen bringt, dann wird es sich auch früher oder später auszahlen – in jeder Hinsicht.“

Mit 37 Jahren ist es
beileibe nicht zu spät, sein Leben noch einmal umzukrempeln – und doch hat man
sich zu diesem Zeitpunkt schon viel aufgebaut und ist sicherlich auch in gewohnten Bahnen
verhaftet. Hatten Sie Ängste, bevor Sie sich entschlossen haben, beruflich neu
anzufangen?

„Nein, Angst hatte ich nie. Ich hatte bereits einige Jahre zuvor schon einmal einen lukrativen Job gekündigt. Ich war vier Jahre lang im Bereich Marketing und als stellvertretende Pressesprecherin im Berliner KaDeWe tätig. Aber nach einigen Jahren hatte ich das Gefühl, hier entwickle ich mich nicht weiter. Dann habe ich gekündigt – damals ebenfalls ohne einen Plan. Kurz darauf bin ich für einige Monate nach New York gegangen und dann kam der Anruf des besagten Headhunters, der mich zu Brands4friends brachte.“

„Ich muss heute nichts und niemandem mehr etwas beweisen. Das ist ein sehr befreiendes Gefühl.“

Was haben eigentlich Freunde
und Familie zu Ihrer Entscheidung gesagt?

„Manche Freundinnen, die schon ein oder zwei Kinder haben, zweifelten
zunächst an meiner Idee. Das Thema Sicherheit wird bei ihnen jetzt besonders
groß geschrieben. Sie wissen aber auch um meine Leidenschaft fürs Bergsteigen
und kennen mich lange genug um zu wissen, dass ich die Dinge professionell
angehe.  Aber letztendlich ist es das Allerwichtigste,
an sich selbst und an die Idee zu glauben. Man muss Visionen haben, alles geben
und auch ein bisschen verrückt sein. Mit meinem Unternehmen setze ich jetzt alles auf
eine Karte.“

Hätten Sie rückblickend
gerne schon früher den neuen Lebensweg eingeschlagen, oder ist alles so gut wie
es gekommen ist?

„Nein. Ich glaube, alles kommt immer zur richtigen Zeit. Und manche Dinge müssen sich erst entwickeln und reifen, bis sie Früchte tragen. Mein Leben vor Karmahike war sehr schön, aber jetzt ist es noch besser. Hätte ich nicht die Erfahrung gemacht, ein Startup von Null auf 100 zu bringen, oder zwölf Jahre Berufserfahrung in PR und Marketing oder als Teamleiterin gesammelt, wäre ich heute vielleicht nicht so selbstsicher und überzeugt gestartet. Außerdem muss ich heute nichts und niemandem mehr etwas beweisen. Das ist ein sehr befreiendes Gefühl.“

Haben sie einen Tipp für
eine Situation, in der man so viel um die Ohren hat, dass man beinahe den Boden
unter den Füßen verliert? Gibt es da eine gute Übung oder etwas, worauf man
sich konzentrieren kann?

„Atmen! Das ist das
Wichtigste. Wenn sich alles zu überschlagen droht, einfach die Augen schließen und
sich auf tiefes Ein-und Ausatmen fokussieren. Das holt einen sofort zurück ins Hier
und Jetzt.“


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