Foto: Fujitsu

Wie internationale Top-Managerinnen wurden, was sie heute sind

Was war der größte Fehler der Chefredakteurin der Elle China? Was denkt die Gründerin von TomTom über andere Frauen? Und wie baut man als UN-Direktorin für Weltraumfragen Stress ab? Die besten Tipps international erfolgreicher Frauen.

Wegweisende Karriereentscheidungen

Helene Endres von unserem Partner Manager Magazin hat internationale Führungsfrauen zum Karriere-Interview getroffen. Und erfahren, dass nach einer Ausbildung in der Royal Navy keine Vorstandsetage mehr schockt, Shanghai cooler ist als das Silicon Valley und Großeltern eigentlich überall unentbehrlich sind.

Die Gespräche fanden in den weichen Sesseln des Hotel Adlon in Berlin statt – hier trafen sich erfolgreiche Frauen aus der ganzen Welt zum Global Female Leaders Summit. In einer kleinen Serie bringen wir in den nächsten Wochen Interviews mit neun spannenden Frauen und starten hier mit den ersten drei:

1. Alison Rowe

44 Jahre, Australierin und Global Executive Director Sustainability im Technologiekonzern Fujitsu, Multi-Aufsichtsrätin und mehrfach ausgezeichnete Führungskraft. Rowe ist Mutter eines Sohnes.

Quelle: Fujitsu

Wie wurden Sie, wer Sie heute sind?

„Ich bin auf dem australischen Land groß geworden mit recht beschränkten Karrieremöglichkeiten – als Frau wurde man dort entweder Krankenschwester, Frisörin oder Lehrerin. Ich wollte was komplett anderes machen. So ging ich zum Militär, zur Royal Australian Navy. Dort habe ich fürs Leben gelernt – zum Beispiel mit 23 Jahren ein Kriegsschiff zu steuern mit einer Crew aus 186 Männern und 30 Frauen; ich lernte im Team zu arbeiten und gleichzeitig zu führen. Diese Zeit hat mich sehr geprägt. Ich habe dann das Militär verlassen und fing 1998 in der Tech-Branche an. 2004 habe ich meinen MBA gemacht und bin noch währenddessen in die Transport-Branche gewechselt. Hier kam ich in Kontakt mit dem Thema Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Das war etwas komplett anderes, als ich die letzten 20 Jahre gemacht hatte – und ich war begeistert davon, Entscheidungen zu treffen, die eine nachhaltige Wirkung hatten. Seit acht Jahren bin ich nun bei Fujitsu und inzwischen die weltweite Leiterin für Nachhaltigkeit. Somit kombiniere ich jetzt meine Leidenschaft für Nachhaltigkeit und mein Wissen aus der Tech-Branche.

Welche Entscheidung hat Ihre Karriere am meisten beeinflusst?

„Sehr entscheidend war eine Erkenntnis, die ich mir erst erlauben musste, die mich aber dann sehr befreit hat: Karriere und Erfolg für mich nicht über Hierarchie zu definieren und wie schnell man darin aufsteigt. Sondern über die Wirkung, die ich mit meiner Arbeit habe. Die Tech-Branche zu verlassen war ein großer Schritt, ich habe dadurch auch Gehaltseinbußen hingenommen – aber ich will etwas nachhaltiges bewirken, will gestalten. Das ist meine Definition von Erfolg. Das für mich gelten zu lassen und so anzuerkennen, war ein großer Schritt für mich. Ich hatte immer im Kopf, was mein Vater mir gesagt hatte: Nothing is off limits. Es gibt kein Nein für mich, wenn ich etwas will.

Was würden Sie rückblickend anders machen?

„Ich wäre nicht so hart zu mir selbst. Ich habe mich schon früh mit anderen verglichen, unter Druck gesetzt. Alle meine Abschlüsse habe ich in Abendschulen und nebenberuflich gemacht – wohl über zehn Jahre hinweg. Das war hart. Ich wäre da heute entspannter. Und auch freier, was mein Urteil angeht über mich selbst.

Haben Sie viele weibliche Kollegen?

„Im Tech-Bereich eher weniger, im Sustainability-Bereich viele. Ich glaube, dass das soziale, gute Image der Nachhaltigkeit Frauen anzieht. Hier könnten wir ehr ein paar mehr Männer gebrauchen – damit Nachhaltigkeit nicht zu einem weichen Frauenthema verkommt, sondern als harter Business-Case wahrgenommen wird.

Sind Frauen in Führung ein Thema in Australien?

„In Australien gibt es viele Frauen auf der obersten Ebene – doch meistens im gemeinnützigen Bereich. Wir brauchen sie aber auch in den harten Industrien. Das zu ändern ist unsere große Herausforderung. Ich fand es sehr hilfreich, sich außerhalb seines regulären Jobs zu engagieren: Ich bin zum Beispiel Aufsichtsrätin in verschiedenen Start-ups im Sustainablility-Bereich. Mir hilft das, einen breiteren Blickwinkel auf meinen Thema zu bekommen, Kontakte zu knüpfen aber auch meine Definition von Erfolg vielschichtiger zusehen – und eben nicht nur über einen hierarchische Position in einer Firma. Frauen kann ich nur raten, sich vielfältig zu engagieren – ein Aufsichtsratsposten kann manchmal genau die Erfüllung, den Schwung und Spaß in den Beruf bringen, den der Hauptjob vielleicht nicht ganz erfüllt. Das Gesamtpaket macht den Erfolg aus.

2. Jane Jie Sun

45 Jahre, Chinesin und Vize-Präsidentin und Chief Operating Officer des chinesischen Internet-Reisebüros Ctrip in Shanghai. Sun ist Mutter von zwei jungen Töchtern.

Quelle: Ctrip

Wie wurden Sie, wer Sie heute sind?

„Ich wurde in Shanghai geboren, studierte Wirtschaft an der University of Florida und Jura in Peking. Anschließend ging ich ins Silicon Valley und arbeitete dort etwa fünf Jahre bei KPMG als Audit Managerin und acht Jahre bei Applied Materials, Inc. . 2005 suchte das chinesische Online-Reisebüro Ctrip einen CFO. Zu dieser Zeit war mein Mann CPO bei Alibaba und pendelte seit fünf Jahren vom Silicon Valley, wo ich und unsere Töchter lebten, nach Shanghai. Und wir hatten beide das Gefühl, dass es an der Zeit sei, zurück nach China zu gehen. Also wurde ich CFO bei Ctrip, vor zwei Jahren wurde ich COO und vor kurzem wurde ich zur Vizepräsidentin der Firma ernannt.

Ich halte unsere Generation für eine gesegnete Generation; 1976, als ich zur Schule ging, endete die Revolution in China und wir konnten die Kulturen verschiedenster Länder kennenlernen. Meine Uni in Peking öffnete die Türen für Austauschstudenten aus der ganzen Welt, und auch wir konnten überall studieren. Als ich mit dem Studium fertig war, begann das Silicon Valley richtig abzuheben und ich konnte dabei sein. Und als 2000 die Dotcom-Blase platzte, fing die Wirtschaft in China an, zu florieren. Uns war es möglich, auch davon zu profitieren.

Ich bin eine berufstätige Mutter. Wenn du nur arbeitest – das ist einfach. Wenn du nur Hausfrau und Mutter bist – das ist auch einfach. Aber beides gleichzeitig – das ist doppelt so anstrengend. Aber auch doppelt so erfüllend. Ich stehe zum Beispiel um 6 Uhr auf, gehe zur Arbeit und habe um 8 Uhr das erste Meeting. Um 19 Uhr fahre nach Hause. Mir ist das Abendessen mit der Familie sehr wichtig, von 19 bis 21 Uhr ist Familienzeit. Und wenn die Kinder dann schlafen, arbeite ich wieder.

Tagsüber sind meine Kinder in der Schule oder meine Eltern kümmern sich um sie. In China ist der Zusammenhalt innerhalb der Familie sehr stark. Meine Eltern wohnen im Haus neben unserem Haus und helfen viel. So können wir uns besser auf unseren Beruf konzentrieren. Diese Woche sind mein Mann und ich beide auf Reisen – und unsere Kinder bei den Großeltern. Alles andere würde uns total stressen.

Welche Entscheidung hat Ihre Karriere am meisten beeinflusst?

„Die eigene Komfortzone zu verlassen ist immer eine gute Entscheidung. Bei mir war das zwei Mal der Fall: Für mein Studium in die USA zu gehen, war eine schwere Entscheidung, denn vor 30 Jahren war China noch sehr rückwärtsgewandt. Meine Eltern verdienten 20 Dollar im Monat. Es war klar, dass ich in Amerika völlig auf mich allein gestellt sein würde. Die Studiengebühren waren hoch. So arbeite ich 40 Stunden die Woche und ging nahezu Vollzeit an die Uni. Das war sehr schwer. Ich war von 6 Uhr morgens bis 11 Uhr an der Uni, von 11 bis 20 Uhr habe ich auf dem Campus gearbeitet, Freitag und Samstag sogar bis 23 Uhr, um auf meine Stunden zu kommen. Aber zurückschauend hat mich das stark gemacht, denn egal, wie viel ich hinterher gearbeitet habe – es fühlte sich an wie ein Spaziergang.

Eine andere wichtige Entscheidung war, nach China zurück zu kehren nach all den Jahren im Silicon Valley. Dort hatten wir uns gut eingerichtet, gerade unser zweites Kind bekommen. Unsere Freunde fragten uns: Warum gebt ihr das alles auf? Warum geht ihr zurück in ein verschmutztes Land? Ich bin sehr froh, dass wir das gewagt haben: Dieses rasante Wachstum in China mitzuerleben, die vielen jungen Menschen, die bei uns arbeiten und sich toll entwickeln – das macht mich alles sehr stolz.

Was würden Sie rückblickend anders machen?

„Eigentlich nichts, denn ich habe meine großen Entscheidungen immer sehr gut abgewägt und versucht, weit in die Zukunft zu sehen. Zum Beispiel, als die Rückkehr nach China anstand. Ich habe damals die Wachstumsraten der Brutto-Inlands-Produkte der Länder verglichen: Die USA hatten etwa zwei bis drei Prozent, China sieben bis zehn. Dann schaute ich mir die verschiedenen Branchen an: Mit Alkohol, Glücksspiel oder Tabak verdient man sehr gut – aber das macht Menschen kaputt. In der Reisebranche mache ich Leute glücklich und erweitert ihren Horizont. Schließlich fragte ich mich, mit welchen Leuten willst du zusammenarbeiten – und bei Ctrip sind es vor allem junge, ehrgeizige Menschen. So war es nicht schwer, die richtige Entscheidung zu fällen.

Haben Sie viele weibliche Kollegen?

„Ja. In meiner Firma sind wir Frauen in der Mehrheit, im Vorstand sind wir acht Frauen und zwölf Männer. Aber in der Politik sind Frauen noch sehr unterrepräsentiert. Frauen bringen eine gute Balance in ein Team, sie sind oft besser in der Kommunikation, sehr stark bei Personal- oder Marketingthemen. Wenn jemand ein toller IT-Entwickler ist, aber nicht kommunizieren kann, bringt das nicht viel, also achte ich darauf, dass er ein Team bildet mit jemandem, der das besser kann. Unternehmen und Gesellschaft profitieren von gemischten Teams.

Ist die berufliche Gleichstellung von Frauen und Männern in China ein Thema?

„In der Generation meiner Großmutter haben Frauen nicht gearbeitet. Doch der Kommunismus hat der Gleichberechtigung gut getan. Máo Zédng sagte: Frauen können die Hälfte des Himmels tragen – das hat vielen Frauen Selbstbewusstsein gegeben. Ich achte bei meinen Mitarbeitern sehr genau darauf, was sie wie sagen – Frauen sind oft stiller, arbeiten fleißig und hoffen, dass man es merkt, wohingegen die männlichen Kollegen sich viel besser verkaufen. Das ist mir bewusst und ich versuche Frauen gezielt zu motivieren und zu fördern.

3. Simonetta Di Pippo

56 Jahre, Italienerin und Direktorin des Büros der Vereinten Nationen für Weltraumfragen in Wien. Di Pippo ist Mutter eines erwachsenen Sohnes.


Quelle: UNOOSA

Wie wurden Sie, wer Sie heute sind?

„Ich bin Astrophysikerin und habe viele Jahre unter anderem in der italienischen Weltraumbehörde ASI gearbeitet als Direktorin für die Beobachtung des Universums oder der European Space Agency ESA als Direktorin für bemannte Weltraumflüge. Seit 2014 bin ich nun bei der UN. Wie Sie sich vorstellen können, endet meine Arbeitswoche häufig nicht am Freitag und meistens bleibt noch Arbeit fürs Wochenende. Aber der übergeordnete Blick, den man in meinem Job auf die Erde und all ihre kleinen Problemchen hat, macht diesen Stress völlig zunichte. Stress passiert nur im Kopf.

Welche Entscheidung hat Ihre Karriere am meisten beeinflusst?

„Für mich war es immer eine gute Entscheidung, nicht zu hetzen, sondern auch mal neben mich zu treten und die Situation zu analysieren. Und auf den richtigen Moment zu warten, um den nächsten Schritt zu machen. Manchmal, wenn man nicht zufrieden ist mit seiner Arbeit, wird man ungeduldig und möchte, dass Dinge passieren. Aber ich habe gelernt, zu warten. Die richtige Entscheidung zur falschen Zeit bringt einen nicht weiter. So war meine beste Entscheidung, keine Entscheidung zu treffen für anderthalb Jahre. Dann habe ich mich bei den Vereinten Nationen beworben – und den Job bekommen.

Würden Sie rückblickend etwas anders machen?

„Nichts wirklich Großes. Ich habe immer hart gearbeitet und bin zufrieden mit den Ergebnissen. Ein Grund dafür ist, dass ich in meinem Berufsleben immer zwei Dinge wollte: Eines ist, einen Job zu haben, in dem ich jeden Tag lerne. Das andere ist, immer meine Passion und Begeisterung zu behalten für meine Arbeit – und beides habe ich erreicht. Nach 30 Jahren liebe ich meinen Job immer noch.

Haben Sie viele weibliche Kollegen?

„Ich war die erste Direktorin der italienischen Weltraumbehörde und war bis heute die einzige Direktorin für bemannte Raumfahrt weltweit. Bei der ESA waren wir weniger als 15 Prozent Frauen. Bei den Vereinten Nationen und der ASI ist es aber ganz ausgeglichen. aber generell gibt es zu wenige Frauen in der Branche. Deshalb habe ich 2009 zusammen mit meiner Kollegin Claudia Kessler die Vereinigung Women in Aerospace Europe gegründet, um die Frauen der Branche zu vernetzen und zu fördern. Wir haben 400 Mitglieder und 15 Firmen, die uns unterstützen. Übrigens auch Männer, denn wir müssen uns gegenseitig verstehen lernen. Wir bieten den jungen Mitgliedern zum Beispiel Mentoring, verschiedene Trainings oder Stipendien für Konferenzen, damit sie ihre Arbeit präsentieren können.

Wie kommen mehr Frauen in Führung?

„Früher war ich gegen eine Quote, weil ich an ein geschlechtsunabhängiges Leistungsprinzip glaube. Aber inzwischen habe ich so viele Blockaden erkannt und denke mir: Wir sollten eine haben. Nur für ein paar Jahre, damit der Prozess angestoßen wird, dann werden wir sie nicht mehr brauchen. Denn Frauen haben alles, was sie brauchen, um nach ganz oben zu gelangen.

Außerdem wünsche ich jungen Müttern, ihre ganz eigene Work-Life-Balance zu finden. Ich arbeite mit so vielen sehr schlauen, analytischen Frauen zusammen, aber wenn sie Mutter werden, kommt es meist zu einer unerwartet schwierigen Situation und einer großen neuen Herausforderung. Junge Mütter müssen die neuen Rollen miteinander vereinbaren können und für sich verschiedene Fragen beantworten: Komme ich Vollzeit zurück oder nicht? Wann komme ich zurück? Was wird von mir erwartet? Wie bin ich eine gute Mutter? Dieses Gefühl, irgendwelchen Rollenbildern entsprechen zu müssen, stresst sie sehr. Wir brauchen ein Umfeld, in dem jede sagen kann: Ich mach das so oder so – und jede für sich ihre eigene passende Entscheidung treffen kann.

 

HINWEIS: Die Veröffentlichung des Textes erfolgt mit freundlicher Genehmigung von manager-magazin.de. manager-magazin.de liefert täglich Wirtschaft aus erster Hand: durch Orientierung über die wichtigsten Nachrichten des Tages, Inspiration durch die Vorstellung relevanter Trends und mutiger Managerinnen und Manager – und durch den Blick auch auf die unterhaltsame Seite der Wirtschaft. Die tägliche Online-Ausgabe ergänzt das monatliche Magazin mit seinen investigativen und exklusiven Geschichten aus der Welt der Wirtschaft.

Mehr von Manager Magazin bei EDITION F

12 gut bezahlte Jobs für Leute, die keinen Stress wollen. Weiterlesen

Warum man Friseurinnen mit DAX-Chefs vergleichen sollte. Weiterlesen

Die vier geheimen Prinzipien der Macht. Weiterlesen

Anzeige