Foto: McKinsey & Company

Anja Huber: „Die Gespräche mit meiner Mentorin haben mir vor allem geholfen, zu verstehen, was ich will und was mir wichtig ist“

Mentoring ist in Deutschland bisher kaum angekommen. Dabei liegen im persönlichen Austausch große Potentiale. Ein Gespräch über Karriereplanung.

 

Erfolg, ein Standard, den man hinterfragen sollte

„Ich hatte schon früh eine Art inneren Karrierefahrplan, aber irgendwann fragt man sich: Was heißt es eigentlich, erfolgreich zu sein oder eine erfolgreiche Karriere zu haben?“, sagt Anja Huber. Gerade hat sie ihren Doppel-Master in International Business und International Management abgeschlossen. Erfolgreich. Die Karriere liegt also direkt vor ihr, die Frage aber, wie diese konkret aussehen soll, auch.

„Gute Leistungen zu bringen suggeriert Erfolg. Tatsächlich glaube ich aber, dass persönlicher Erfolg sich vor allem auch in persönlicher Erfüllung zeigt. Und die kann sehr unterschiedlich aussehen. Für mich bedeutet das, dass ich in einem Umfeld arbeiten kann, dessen Werte und Vision ich teile. Ich habe für mich gemerkt, dass mir dieser Punkt wichtiger ist, als das eigentliche Produkt oder die konkrete Branche.“

Der Weg zu dieser Erkenntnis ging für Anja vor allem über persönliches Mentoring, das Sparring mit erfahrenen Führungskräften und den Austausch zu vielen Themen. Anja ist Mentee im Rahmen des Female Leadership Program von McKinsey, ein Programm, das junge Frauen unterstützt, durch Mentoring, Coaching und Networking die eigenen Potentiale zu erkennen und sie zu entwickeln.

„Mentoring war für mich ein Weg, um mich besser kennenzulernen“

„Die Weichen für die berufliche Entwicklung stellt man nicht im Vorlesungssaal“, da ist sich Anja sicher. „Ich wollte Feedback von erfahrenen Leuten aus der Praxis.“ Anjas Mentorin im Rahmen des Programms ist eine von 14 weiblichen Partnerinnen der Unternehmensberatung McKinsey. Kennengelernt haben sie sich bei einem Brunch und sich dann auf verschiedenen Netzwerkveranstaltungen wiedergesehen. Auch zwischendurch bleiben sie in Kontakt und telefonieren regelmäßig.

„Eine Mentorenbeziehung kann man nicht erzwingen. Das hat viel mit Vertrauen zu tun, weil man sehr persönliche Karriere- und auch Lebensthemen bespricht. Das braucht ein bisschen. Die Gespräche mit meiner Mentorin haben mir vor allem geholfen, zu verstehen, was ich will und was mir wichtig ist – und dass der schnelle Aufstieg nicht unbedingt der Schlüssel zum Erfolg ist. Im Kleinen waren vor allem die Coachings und der Austausch auch mit den anderen Mentees sehr nützlich. Dabei ging es um Aspekte wie Führungsstrategien oder Rhetorik, die im Tagesgeschäft extrem wichtig sind. Da können Kleinigkeiten im Auftreten oder der Wortwahl einen großen Unterschied machen. Wissen, Selbstbewusstsein und persönliche Sicherheit spielen dabei eine große Rolle. Und die habe ich jetzt mehr als vorher.“

„Mentoren haben keine Bring-, sondern ich als Mentee eine Holschuld.“

Das Thema Mentoring kennt Anja schon aus ihrer Studienzeit in Boston. In den USA ist Mentoring sowie Netzwerken ein gesetzter Standard. Alumni bleiben miteinander und mit ihrer Hochschule in intensivem Kontakt – auch weit über den Abschluss hinaus. Sie halten Vorträge, tauschen sich mit den Studenten aus, treffen sich auf Alumni-Events. Für amerikanische Universitäten das Elixir, das die akademischen Kreise immer wieder mit der Wirtschaft und Entscheidern verbindet. Eine gewinnbringende Partnerschaft, auf persönlicher Ebene ebenso wie auf unternehmerischer.

„Meine erste Mentorin war meine Marketing-Professorin an der Northeastern University in Boston. Hier ging es vor allem um fachliche Themen und Inhalte. Aber ich habe von ihr auch gelernt, dass man über seinen Schatten springen muss, gerade beim Aufbau eines persönlichen Netzwerks. Für mich war das immer eher negativ besetzt. Auch typisch deutsch. Ich musste erst verstehen, dass man Chancen selbst erschaffen und ergreifen muss. Mentoren haben keine Bring-, sondern ich als Mentee eine Holschuld.“ Damit fährt Anja bis heute gut.

„Männer sind oft besser darin, ihre Kreise zu finden, zu pflegen und zu nutzen, wir Frauen brauchen dafür länger oder trauen uns nicht. Da bin oder war ich keine Ausnahme. Ich habe aber auch gemerkt, dass das Schlimmste, was passieren kann, eine Absage ist. Tatsächlich passiert das aber eher selten. Und selbst wenn, denke ich mir inzwischen ,Na, und?’ Ich kann nur empfehlen, einfach offen auf jeden zuzugehen. So entstehen Netzwerke – und Kontakte zu inspirierenden Menschen, von denen man viel lernt und Unterstützung bekommt.“

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