Fast 140 Jahre nach dem Fund eines Wikingergrabes fanden Forscher heraus, dass ein für männlich gehaltener Krieger eine Frau war. Das verrät viel darüber, wie stark eine männliche Perspektive und Rollenbilder die Geschichtsschreibung beeinflussten.
Eine Frau als Anführerin eines Wikinger-Heeres
Eine schwedische Forschungsgruppe stieß vor 139 Jahren in Birka auf ein prachtvoll ausgestattetes Wikingergrab. Die beigefügten Waffen und Pferde ließen darauf schließen, dass es sich um einen Krieger hohen Ranges, vielleicht sogar einen Heeresführer handelte. Nun haben Forscher die DNA der gefundenen Knochen analysiert und dabei herausgefunden, dass es sich bei der bestatteten Person keineswegs um einen bärtigen Wikinger handelte. Die Knochen gehörten einer Frau.
Der Fund zeigt, wie begrenzt unser Wissen über die Rolle von Frauen im Laufe der Geschichte noch heute ist. „Klar“, mögen sich die Forscher Ende des 19. Jahrhunderts gedacht haben, „wer ein Langschwert mit ins Grab bekommt, muss ein Mann gewesen sein.“ Egal, ob der Knochenbau auf etwas anderes schließen lässt. Eine Frau als Anführerin eines Wikinger-Heeres?
Wer schreibt Geschichte und wer schreibt sie auf?
Wie auch, bestand die Welt der meisten Frauen zu dem damaligen Zeitpunkt doch auch den verfluchten drei K’s – Kirche, Küche, Kinder. Aus allem anderen hatten sich die Frauen gefälligst rauszuhalten. So lag nicht nur das aktive Erschaffen der Weltgeschichte (vermeintlich) in der Hand der Männer, sondern auch die Geschichtsschreibung. Man kann vermuten, dass Historiker sich eher mit einem vermeindlich männlichen Blickwinkel mit den Geschehnissen der Vergangenheit befassten. Das mag an ihrer individuellen Situation als Mann gelegen haben, vor allem aber an den patriarchalen Strukturen ihrer Zeit. Schließlich waren es Männer, die die Kriege führten, Gesetze festlegten oder als Wissenschaftler tätig waren. Dagegen wurden die Tätigkeiten von Frauen als eher uninteressant eingestuft. Eine Kriegerin? Offensichtlich ein absurder Gedanke.
„Ich lese manchmal in Geschichtsbüchern, weil ich muss, aber alles, was darin steht, ärgert mich entweder oder es langweilt mich. Die Männer alle zu nichts zu gebrauchen, und fast keine Frauen dabei.“
„Ich lese manchmal in Geschichtsbüchern, weil ich muss, aber alles, was darin steht, ärgert mich entweder oder es langweilt mich. Die Fehden von Päpsten oder Königen und dazu Kriege oder Seuchen auf jeder Seite, die Männer alle zu nichts zu gebrauchen, und fast keine Frauen dabei – das ist furchtbar öde.“, schrieb Jane Austen 1817 in ihrem Roman „Northanger Abbey“. Recht hat sie. Frauen und insbesondere Mädchen brauchen vielseitige Vorbilder. Wie erklären wir unseren Töchtern, dass Frauen bis auf wenige Ausnahmen in unseren Geschichtsbüchern nicht auftauchen?
Von wegen ruhige Hausfrauen!
Die Wikinger-Kriegerin aus Birka zeigt, wie falsch unsere Annahme ist, dass Frauen in früheren Gesellschaften zwangsläufig wenig zu sagen hatten. Und wie starrsinnig manche Wissenschaftler sind, wenn es darum geht, diese Ordnung zu hinterfragen. Denn schon seit langem gibt es Hinweise darauf, dass Wikingerinnen alles andere als ruhige Hausfrauen waren. Mythen um sogenannte „Schildmaiden“, bewaffnete Frauen, die ein Leben als Kriegerin führten, sind überliefert, genauso wie Hinweise auf die martialischen Ordnung des Wikingerlebens, in der sich Frauen genauso behaupten mussten wie Männer.
Die Erkenntnis sprengt die gängige Annahme, Wikingerinnen hätte man „im Notfall mit Schwert, ansonsten am Herd“ vorgefunden und führt uns vor Augen, was Wissenschaft ist: eine Momentaufnahme, der zum aktuellen Zeitpunkt bekannten Fakten, die sich mit der Zeit an immer neuen Erkenntnissen messen muss.
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