Foto: Thies Rätzke

Investorin Daniela Hinrichs: „Ich habe eine hohe Affinität zu Menschen, die etwas wagen ohne doppelten Boden”

Daniela Hinrichs ist Investorin und bekommt oft hautnah mit, was Gründer falsch machen. Carina Kontio hat für unseren Partner das Handelsblatt mit ihr über Investments, Risiko und Leidenschaft gesprochen.

Unternehmerin, Business Angel, Kunst-Sammlerin

Daniela Hinrichs – keine Unbekannte in der Startup-Welt, ist Unternehmerin, Kommunikationsspezialistin, Business Angel und Sammlerin zeitgenössischer Fotografie. Neben der Geschäftsführung von Yellowdine Ventures, ihrer eigenen Investmentgesellschaft, über sie junge Firmen unterstützt, betreibt sie mit ihrem eigenen Startup Dear Photography einen Online-Handel für Fotografie.

„Ich habe eine hohe Affinität zu Menschen, die etwas wagen ohne doppelten Boden.”

Daniela Hinrichs ist Mutter von zwei Kindern und hat ein wichtiges Credo: Die widmet jeder Tätigkeit, vor allem aber jedem Menschen ihre volle Aufmerksamkeit. „Mein Business ist Relationship-Management, kein Internet-Business“, macht sie im Gespräch mit Carina Kontio vom Handelsblatt immer wieder unmissverständlich klar.

Im Gespräch erklärt Hinrichs, wann sie in ein Startup investiert, vor welchen Herausforderungen Gründer oft stehen, wie diese angepackt und letztlich auch gelöst werden können. Basis für Gespräch war eine Live-Diskussion vom Handelsblatt, die vor kurzem in der LeaderIn-Netzwerkgruppe bei LinkedIn stattfand.

Frau Hinrichs, Sie sind als Business Angel seit 2006 selbst eine wichtige Protagonistin in der Startup-Welt. Viele Gründergeschichten hören sich im Nachhinein immer so an, als ob alles wie am Schnürchen geklappt hätte. Ein Irrglaube, oder?

„Kern dieser Geschichten sind oftmals unternehmerische Misserfolge oder Fehlentscheidungen. Die Frage ist für mich nicht, ob es diese Misserfolge nicht gibt, sondern wie ich als Unternehmerin damit umgehe. Richard Branson ist damals mit der Zeitung „The Student“ als Unternehmer gestartet. Wäre sie kein Flop gewesen, wer weiß ob es „Virgin“ überhaupt oder in der Form gegeben hätte. Und ja, die meisten Dinge klappen nicht wie beabsichtigt. Wir kennen alle mindestens ein Produkt, das die ursprüngliche Planung verfehlt hat und dennoch zum Welterfolg wurde.“

„Die meisten Dinge klappen nicht wie beabsichtigt.“

Wie war das bei Ihrer eigenen Gründung – ist da auch was schief gelaufen?

„Beim Gründen nicht. Es gab allerdings die eine oder andere Markteinschätzung, die sich nicht erfüllt hat. Obwohl ich mir sicher war, dass ein Potenzial vorhanden ist.“

Gerade die Marktanalyse gilt beim Gründen ja als wichtiger Bestandteil. Wie sind Sie da dran gegangen?

„Das ist im Kunstmarkt nicht schwer. Es gibt ein tradiertes System, dass nur für wenige Künstler und Galerien sehr gut funktioniert. Eine einzige Galerie (Larry Gagosian) hat in 2014 weltweit fast einen Umsatz von 1 Milliarde Dollar gemacht. Danach kommt eine Weile nichts. Aus meiner Sicht gibt es eine Lösung: Der Kunstmarkt demokratisiert sich, oder er zerstört sich. Wir sehen hier einen Paradigmenwechsel, den wir unter anderem schon in der Verlagsbranche, der Musikindustrie und dem Taxigewerbe gesehen haben.“

Die Geschäftsidee von Dear Photography positioniert sich als disruptives Model zu den Galerien. Wie hat denn die Konkurrenz auf ihr Angebot reagiert?

„Idealerweise spornt es an, neue Lösungen für alle Beteiligten im Kunstmarkt zu finden. Es gibt ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage, das ich im Bereich der Photographie löse. Tatsache ist, dass immer mehr Künstler und Galeristen auf den Werken sitzen bleiben, die vorher noch davon leben konnten. Der Kunstmarkt hat sich dramatisch verändert. Am fehlenden Geld kann es nicht liegen, wenn sie sich die Auktionsrekorde weltweit anschauen.“

Was war Ihre beruflich schwerste Entscheidung?

„Vier Wochen nach der Geburt meiner Tochter wieder anfangen zu arbeiten. Damals noch bei Xing.“

War die Gründung von Dear Photography Teil Ihres Lebenskonzeptes?

„Ich würde sagen Unternehmerin zu sein ist Teil meines Lebenskonzeptes. Dass ich das mit der Kunst verbinden kann, macht es zu etwas Besonderem.“

„Unternehmerin zu sein ist Teil meines Lebenskonzeptes.“

Gibt es etwas, das Sie rückwirkend anders machen würden?

„Nichts.“

Haben Sie Berater und Mentoren, bei denen Sie sich Rat für strategische Entscheidungen holen?

„Habe ich, ein fantastisches Privileg. Wir sind umgeben von viel Wissen, viel Erfahrung und einer großen Bereitschaft dies teilen zu wollen. Ich bin sehr gut vernetzt und kann jederzeit in den unterschiedlichsten Themen um Rat bitten.“

Sprechen wir über Geld. Gründer sind häufig klamm und auf externes Kapital angewiesen. Wann fasziniert Sie als Investorin eine Idee, die Sie dann unterstützen?

„Manchmal ist es ganz einfach. Sie schauen sich tagein tagaus eine Menge an und dann halten Sie etwas in den Händen, wo Sie sagen: interessant, das muss ich mir genauer ansehen.“

Das ist mir zu schwammig. Dann so: Was lesen Sie in einem Businessplan zuerst?

„Mich interessiert vor allem das Pitch Desk. Dort ist alles kurz und knapp beschrieben: vom zu lösenden Problem, über das Geschäftsmodell, die Markteinschätzung und das Team. Ich habe mehr als einmal gesehen, dass in ein Unternehmen nicht investiert wurde, weil das Team nicht überzeugend war. Eine wichtige Komponente auch für mich.“

Kommen die Gründer eigentlich auf Sie zu oder läuft das eher umgekehrt?

„Beides passiert. Ich habe ein sehr gutes Netzwerk an Unternehmerinnen und Unternehmer, die gerne investieren. Wenn mich dort jemand auf einen Deal oder ein junges Unternehmen aufmerksam macht, dann weiß ich dass es sich mit meinen Ansprüchen an ein Investment deckt und die Qualität des Deals grundsätzlich gegeben ist.“

Welchen Tipp können Sie Gründern geben, die Investoren von ihrer Geschäftsidee überzeugen wollen?

„Sich darüber im Klaren zu sein, was sie tatsächlich benötigen, um ihre Idee erfolgreich umzusetzen und zu entwickeln. Ist es wirklich Geld oder sind es die richtigen Kontakte meiner potenziellen Investoren. Oft wird die Lösung eines Problems präsentiert, das es nicht gibt. Der klassische Pitch sitzt trotz vieler positiver Beispiele nicht. Es wird zu klein gedacht oder Marktchancen werden falsch eingeschätzt. Es passiert ebenso, dass zu viele Gründer an Bord sind und eigene Interessen die Geschäftsidee torpedieren können.“

Welche Aufgaben nehmen beim Gründen den Großteil der Zeit in Anspruch?

„Interessanterweise nicht das Gründen an sich. Die Vorarbeit, sich zu entscheiden was man erreichen will und vor allem die Frage nach dem Wie?“

Wie funktioniert in der Regel die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und den Gründern – geben Sie konkrete Zielvorgaben? Und: Welche Rolle spielt der Umsatz?

„Ich bin nie nur die alleinige Investorin. Wenn abgesehen von meiner finanziellen Einlage meine Expertise und mein Netzwerk dazu beitragen ein junges Unternehmen nach vorne zu bringen und in der Entwicklung zu unterstützen, dann mache ich es gerne. Ist aber kein Muss.“

Und der Umsatz?

„Das kommt darauf an in, welcher Investitionsphase des Unternehmens sie einsteigen. Für mich ist die Phase des Early Stage am spannendsten. Wenn hier investiert wird, dann spricht man von einem Seed-Investment. Der Name sagt eigentlich schon, dass hier Kapital in ein Produkt oder eine Idee fließt, die noch dabei ist zu entstehen. Alles ist ganz am Anfang und das Risiko enorm hoch. Das reizt mich.“

„Alles ist ganz am Anfang und das Risiko enorm hoch. Das reizt mich.“

Sind Sie auch mal Zockererin oder handeln Sie eher aus Passion?

„Ich investiere mein eigenes Geld und alles auf eine Idee oder in ein Unternehmen zu setzen schließt sich für mich aus. Es ist ein großes unstillbares Interesse am technischen und digitalen Fortschritt das mich anspornt. Auf der Suche nach neuen unternehmerischen Wegen und wirtschaftlichen Möglichkeiten.“

Schonmal ein Investment in den Sand gesetzt – und wie fühlt sich das an?

„Mehr als eins. Und es war jedes Mal das Gründungsteam oder der Gründer, die sich unkooperativ verhalten haben. Wenn man im Seed-Bereich investiert, dann kalkuliert man das Risiko mit ein. Es ist sehr schade, wenn eine extrem gute Unternehmensidee am Ego des oder der Gründer scheitert.“

Welche persönlichen Tipps haben Sie in diesem Kontext denn an die Gründer? Klingt ja ganz danach, als wäre Größenwahn der sicherste Weg ins Unglück…

„Wenn es ganz am Anfang um die Frage nach der Bewertung geht, dann sind viele Startups nicht realistisch. Und zwar in beide Richtungen. Ich habe oft gesehen, dass Startups zu viele Anteile zu viel zu niedrigen Bewertungen abgegeben haben. Vielen Gründern geht schnell die Puste aus, weil der gering verbliebene Anteil am Unternehmen unattraktiv für weitere Investoren ist.“

Also im Zweifel doch eher noch eine Schippe drauflegen?

„Das Thema ist vielschichtig. Ich sehe auf der anderen Seite bereits im Seed-Investment Bewertungen in surrealer Höhe. Allein die Ankündigung das nächste große Facebook zu sein, reicht in meinen Augen nicht, um Kapital auf dieser Bewertung einzusammeln.“

Woran erkennen Sie, wann Sie ein gutes Gründerteam vor sich haben?

„Gute Gründer haben im Unternehmen eine klare Aufgaben- und Kompetenzverteilung, die sich sehr gut ergänzt. Sie haben das, was ihnen vorhin zu schwammig war, nämlich eine sehr gute Intuition und ein großes Bedürfnis etwas zum Positiven zu verändern. Dabei gehen sie bewusst ins Risiko und können sich aus eigener Kraft in Stresssituationen kontinuierlich selbst motivieren. Oft hilft eine gewisse Beratungsresistenz, um sich über die fehlende Vorstellungskraft des Umfelds hinweg zu setzen. Für mich ist elementar, dass sie ihre Begeisterung für die Idee nicht nur in ein hohes Arbeitspensum umsetzen, sondern es über lange Zeiten schaffen ihr Team anzuspornen und auf die unternehmerische Reise mitzunehmen.“

Wie beurteilen Sie die deutsche Startup-Infrastruktur im Vergleich mit dem Silicon Valley?

„Wir sind in Deutschland trotz zahlreicher Bemühungen sehr rückständig, was sowohl die Gründerkultur, als auch die -struktur betrifft. Die Zahlen der Gründungen in Deutschland sind weiterhin rückläufig. Sich zu vergleichen bringt dennoch nichts, weil daraus keine Innovation entsteht. Wenn Deutschland im Internetgeschäft vorne mitspielen möchte, dann muss es pragmatische Lösungen für Unternehmer geben, die nicht nur die Infrastrukturen, sondern auch die steuerlichen Themen und das unkomplizierte Einstellen von internationalen Talenten weltweit berücksichtigen.“

„Wir sind in Deutschland trotz zahlreicher Bemühungen sehr rückständig, was sowohl die Gründerkultur, als auch die -struktur betrifft.“

Frau Hinrichs, ich danke Ihnen für das Gespräch!

Das Interview mit Daniela Hinrichs wurde von Carina Kontio geführt. Es erschien zu erst bei unserem Partner dem Handelsblatt. Herzlichen Dank, dass so auch unsere Leserinnen und Leser den Artikel lesen können.

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