Zwei Wochen vor der Geburt meiner Tochter habe ich mir die Haare abrasieren lassen. Endlich habe ich mich getraut. Und bis heute werde ich darauf angesprochen und manchmal sogar für einen Mann gehalten.
Anfang Juli 2015, zwei Wochen bevor meine Tochter zur Welt kam, habe ich mir meine Haare abrasieren lassen. 3mm. Schon lange habe ich darüber nachgedacht, fand es schon immer toll und auch weiblich, aber getraut habe ich mich nie.
Nachdem nur zwei Monate vor der Geburt meiner Tochter mein Vater überraschend verstarb, dachte ich, dass nun der richtige Moment gekommen sei. Ein neuer Abschnitt im Leben eben.
Zudem war ich ja nun auch erst einmal zuhause, musste nicht zur Arbeit und wusste, dass mich nur die besuchten, deren ehrlicher, nicht wertender und verletzender Meinung ich mir sicher sein konnte. Die, meiner Familie und Freunde. Dachte ich.
“Das Kind hat dann aber Angst vor dir!” War der Knaller unter den Aussagen. Nunja.
Mittlerweile haben sich auch die, denen es nicht gefällt oder die, die dachten, dass meine Tochter Angst vor mir haben könnte (das muss man sich mal überlegen, weil ein Kind, das frisch geboren wird, Angst vor seiner Mama hat) daran gewöhnt oder auch nicht. Zumindest sagen sie nichts mehr.
Viele meiner Freunde haben auch wirklich interessiert nachgefragt oder es einfach so hingenommen.
Und natürlich freue ich mich, wenn ich neue Leute kennenlerne, ihnen erzähle wie es dazu kam und was mich dazu bewegt hat und sie das mutig und toll finden.
Nur in letzter Zeit ist mir immer mal wieder passiert, dass ich für einen Mann gehalten werde, weil ich fast eine Glatze habe. Ich stehe beim Bäcker, meine Tochter auf dem Arm und die Dame neben mir sagt: “Aber der junge Mann ist vor mir dran.”
Bei der Arbeit verlasse ich gerade die Toilette, steht eine andere Dame vor der Tür und sagt: ” Ach Gott, bin ich hier jetzt falsch?!” Ein “Bitte?” mit verdutztem Blick war meine doofe Antwort. Ich war so überrascht.
Warum mich das so beschäftigt weiß ich eigentlich gar nicht. Ich finde, dass so ein Haarschnitt sehr weiblich ausschaut und fühle mich weiblicher.
Die Kommentare verunsichern mich auch nicht. Ich finde diesen Haarschnitt hundertprozentig richtig für mich. Zumindest im Moment. Und irgendwann sind meine Haare vielleicht auch mal wieder länger, weil ich das eben so möchte.
Und gerade bei den eben genannten Beispielen war es den Leuten sichtlich peinlich. Sie waren richtig erschrocken, als sie merkten, dass sie mich gerade für einen Mann hielten.
Aber vielleicht ist es einfach die Tatsache, dass wir immer noch von bestimmten Bildern von Frau und Mann geprägt sind, wobei Männer – so denke ich – viel selbstverständlicher lange Haare haben können, als Frauen kurze. Oder gibt es auch tatsächlich noch Männer die für eine Frau gehalten werden, weil ihre Haare lang sind?
Neulich war ich mit meiner Tochter beim Friseur. ” Aber nicht, dass sie die gleiche Frisur wie die Mama hat. Mädchen haben doch lange blonde Haare…”