Der neueste Bericht der Allbright-Stiftung zeigt, dass vor allem traditionelle Familienunternehmen von einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis in den Führungsetagen noch weit entfernt sind.
Ein langer Weg bis zur Gleichberechtigung
Große Familienunternehmen behaupten gerne von sich, besonders familienfreundlich zu sein und werben außerdem mit jahrelang bestehenden Traditionen und Sicherheit. Dabei ist ihr Führungsverständnis meist so alt wie die Unternehmung selbst: Am 1. März 2020 waren weniger als sieben Prozent der Mitglieder in den Geschäftsführungen Frauen. Diese Zahl stammt aus einem neuen Bericht der Allbright-Stiftung, die heute veröffentlicht wurde und deutlich macht, dass noch ein langer Weg bis zur Gleichberechtigung in den Führungsetagen liegt.
Betrachtet man die 100 umsatzstärksten Familienunternehmen Deutschlands, zu denen zum Beispiel Aldi, Bertelsmann und Otto zählen, wird die Notwendigkeit einer Modernisierung in den Mitarbeiter*innenstrukturen deutlich: Weniger als ein Drittel dieser Unternehmen, nämlich 29 Prozent, hat überhaupt eine Frau in der Geschäftsführung und nur beim Unternehmen B. Braun Melsungen arbeiten zwei Frauen in der Führungsebene. Selbst die Bilanz der 160 an der Frankfurter Börse gemeldeten Unternehmen wird von den tristen Zahlen der Traditionsunternehmen unterboten.
Familienfremde Akteur*innen fördern den Frauenanteil
Eine weitere Erkenntnis, welche das Team der Allbright-Stiftung aus dem neuen Bericht zieht: Je höher die Transparenz des Unternehmens und je größer der Einfluss familienfremder Akteur*innen, desto höher ist auch der Frauenanteil in der Geschäftsführung. Der Frauenanteil in diesen Unternehmen ist mit 10,3 Prozent höher als beim Durchschnitt der Familienunternehmen. Ist ein Unternehmen vollkommen im Besitz der Familie, schneidet es durchschnittlich noch schlechter ab: Hier liegt der Frauenanteil in den Geschäftsführungen bei nur 4,8 Prozent.
Grund dafür ist laut dem Bericht, dass Aufgaben wie die Geschäftsführung meist immer noch den männlichen Nachkommen anvertraut werden und die weiblichen Familienmitglieder eher in anderen Bereichen eines Unternehmens beschäftigt sind. Unter den Aufsichtsratsvorsitzenden waren am 1. März nur drei Frauen zu finden: Catharina Claas-Mühlhäuser bei Claas, Simone Bagel-Trah bei Henkel und Bettina Würth bei der Würth-Gruppe.
Von den Vorteilen einer gemischten Führung profitieren
Dr. Wiebke Ankersen und Christian Berg sind die Geschäftsführer der Allbright-Stiftung, die jedes Jahr die Entwicklung des Frauenanteils in den Führungspositionen von Unternehmen dokumentiert. Zu den ernüchternden Ergebnissen des Berichts schreiben die beiden: „Beim Frauenanteil in der Unternehmensführung haben (die Unternehmen) noch einen ,Blind Spot‘, den sie dringend angehen sollten: Gerade in der aktuellen Krise und der Zeit danach könnten sie von den betriebswirtschaftlichen Vorteilen einer robusten, gemischten Führung profitieren und zugleich ihrem Anspruch, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, besser gerecht werden.“
Ankersen und Berg sehen die Familienunternehmen in einer Art Vorreiter*innenrolle: „Über ihre machtvolle Position könnten die Familien ihre Unternehmen schnell und pragmatisch als Vorbilder an die Spitze bringen – sie müssen nur die strategischen Vorteile erkennen.“