Perfektionismus und Risikoaversität hindern Frauen oft, die ganz großen Karriereträume in die Realität umzusetzen. Es hilft: Die Anti-Angst-Skala.
Warum gibt es so wenige Frauen in den Führungsetagen?
Wenn es um Frauen geht, geht es immer wieder um das große Warum. Kaum ein Networkabend, Kongress oder eine Podiumsdiskussion mit Frauenbesetzung vergeht, ohne dass die all umfassende Frage einmal im Raum steht.
Die Gründe liegen im Wesen der Geschlechter: Frauen steigen oft nicht in die obersten Etagen auf und entscheiden sich oft nicht dafür, Unternehmen mit großen Visionen zu gründen, weil sie sich schneller verunsichern lassen. Sie zweifeln an ihren Fähigkeiten und Qualifikationen. Simpel und wahr.
Frauen wollen etwas können, bevor sie etwas machen
Das ist vielleicht auch eine ehrenwerte Eigenschaft, bringt uns aber nicht weiter. Genauso wenig wie die Neigung der Frauen, sich auf die Sache zu reduzieren – im Gegensatz zu dem Prozess-Fokus der Männer, wollen Frauen etwas machen, was Sinn macht. Für Männer macht es Sinn, etwas zu machen, was funktioniert und Geld bringt.
Bevor wir uns das schön reden, hier das eigentliche Problem: Die meisten unter uns haben das Nervenkostüm nicht, extrem belastende gesellschaftliche Situationen durchzustehen. Wir haben Schiss. Männer sind da schlichtweg cooler. Es geht hier um das Gewinnen.
Angst gehört im Job dazu
Rede ich aus Erfahrung? Naja. Ich war schon immer ein Paradebeispiel für Optimismus und Kühnheit – aber auch ich hatte oft schon Angst. Als ich 2005 die Chance hatte, mit einem verrückten Team Schulen zu gründen, habe ich natürlich sofort ja gesagt. Also sofort, nachdem ich unzählige Gespräche mit meinem Mann und anderen Unternehmern geführt habe und nachdem eine Partnerin von der Boston Consulting Group (wo ich bis dahin angestellt war) mir den Schubs gab: „Auf was wartest du? Take it and run.“
Das war ein guter Rat, und ich habe meine Entscheidung nie bereut. Dennoch: Bei jeder neuen Schuleröffnung, bei jeder Finanzierungsrunde: war ich ängstlich – ob alles klappt. Aber mit jeder positiven und auch negativen Erfahrung habe ich gelernt: Mut ist nicht, keine Angst zu haben. Mut ist, Angst zu überwinden.
Was ist das Schlimmste, das passieren kann?
Was mir immer geholfen hat, ist der „Zehner-Skala-Denkansatz“: Wenn ich in einer schwierigen Situation bin, vor der ich Angst habe, bewerte ich das Scheitern oder den möglichen Schaden auf einer Skala von eins bis zehn. Die Eins ist Pille-Palle, sie gilt einem zerbrochenen Teller, die Zehn steht fürs Terminale – also zum Beispiel für unheilbare Krankheit und Tod.
Wenn ich mein Problem oder die möglichen Konsequenzen im unternehmerischen Umfeld einschätze, lande ich schnell bei einer fünf oder sechs. Das lässt mich aufatmen und mehr wagen. Das macht mich ruhig und cool. Und das hilft auch im Umgang mit sensiblen Mitarbeitern, die Startup-Unsicherheit nicht gewohnt sind. Probiert das mal aus. Es lässt mich ruhiger werden.