Antonia Albert hat vor einem Jahr gemeinsam mit ihrem Bruder Careship gegründet. Ein Unternehmen, das Pflege- und Betreuungspersonal an Senioren vermittelt. Ausschlaggebend war dafür eine Erfahrung, die sie mit ihrer eigenen Familie gemacht haben.
„Wir wollen mit Aufmerksamkeit und Zuneigung gegen die Einsamkeit vorgehen“
Wie finden wir eine gute Betreuung für Familienmitglieder, die pflegebedürftig werden? Genau diese Frage trieb Antonia Albert (26) und ihren Bruder Nikolaus (27) letztes Jahr um, als ihre Großmutter in die Situation kam. Und das war dann auch der ausschlaggebende Punkt, um Careship zu gründen – ein Unternehmen, dass Pflege- und Betreuungspersonal an Senioren vermittelt. Was genau hier angeboten wird, wie sie die individuell richtige Betreuung für die Senioren finden und wie es ist, als Geschwister zu gründen, das hat uns die 26-Jährige erzählt.
Antonia, du hast Careship gemeinsam mit deinem Bruder gegründet. Wann genau und was war der ausschlaggebende Punkt? Gab es ein persönliches Erlebnis, dass euch dieses Thema nähergebracht hat?
„Anfang letzten Jahres wurde unsere Großmutter plötzlich pflegebedürftig, und es war unfassbar schwierig für unsere Familie, eine passende Betreuungskraft für unsere Großmutter zu finden. Das Thema war sehr präsent in unserer Familie und es war eine unglaublich frustrierende Erfahrung für uns alle. Danach habe ich mich mit meinem Bruder zusammengesetzt, und wir haben einfach mal ein Blatt Papier genommen und aufgezeichnet, was in unserem Fall alles schiefgelaufen ist und was wir uns gewünscht hätten. Und daraufhin haben wir Careship gegründet: um anderen Familien einen einfacheren Zugang zu qualifiziertem und passenden Pflege- und Betreuungspersonal zu ermöglichen und sie so in einer sehr schwierigen Situation zu unterstützen.“
Wie ist es eigentlich, mit dem eigenen Bruder ein Unternehmen hochzuziehen?
„Mein Bruder und ich waren immer schon sehr eng, und wir sind auch nur genau ein Jahr auseinander. Wir kennen uns in- und auswendig, verstehen uns ohne zu sprechen und haben eine sehr tiefe Vertrauensbasis. Die allerwichtigste Entscheidung einer Gründung ist mit wem man gründet, und ich bin unfassbar dankbar, mit meinem Bruder gegründet haben zu können.“
Antonia und Nikolaus Albert, Gründer von Careship. Bild: Careship
Sicher ist es wichtig, dass jeder seinen Bereich hat. Wie habt ihr euch im Unternehmen aufgeteilt, wer übernimmt hier welche Aufgaben?
„Wir ergänzen uns zum Glück sehr gut – mein Bruder hat einen super technischen und mathematischen Hintergrund – er hat Maschinenbau und Luft- und Raumfahrttechnik studiert – und ich habe einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund. Er ist bei uns für IT, Product und Finance zuständig, ich für Marketing, Operations und HR.“
Ihr vermittelt Betreuungskräfte an Senioren, die dann verschiedene Aufgaben für diese im Alltag übernehmen. Wie genau läuft diese Vermittlung und wie stellt ihr sicher, dass hier die richtigen Personen zusammenfinden?
„Wir nehmen uns viel Zeit um unsere Betreuungskräfte, aber auch die Wünsche und Bedürfnisse unserer Senioren so gut wie möglich kennenzulernen. Dabei steht Qualität bei uns an allererster Stelle. Wir prüfen all unsere Pflege- und Betreuungskräfte in einem mehrstufigen Bewerbungsverfahren und lernen jede einzelne Betreuungskraft persönlich kennen. Wir interessieren uns neben Qualifikationen auch für Charakter und Hobbies, und können so genau die Person für Senioren und Familien finden, die am besten zu ihren Wünschen und Bedürfnissen passt.“
„Es gibt so viele Senioren, die Zuhause vereinsamen, die keine Familie und Freunde in der Nähe haben“
Welche Qualifikationen müssen eure Betreuungskräfte mitbringen?
„Wir arbeiten mit einem sehr vielfältigen Netzwerk aus Betreuungskräften, Pflegekräften und Alltagshelfern zusammen. Alle Betreuer werden von uns qualifiziert, und erfüllen die jeweiligen Voraussetzungen für die von Ihnen angebotenen Tätigkeiten. Das Angebot reicht dabei von Gesellschaft leisten bis hin zu Wegbegleitungen, leichter Pflege und Unterstützung im Haushalt. Neben der Qualifikation spielt aber auch die Erfahrung und der Charakter eine wichtige Rolle.“
Einsamkeit und Selbstbestimmung sind bei älteren Menschen große Themen. Ihr wollt Senioren ermöglichen, weiter am Sozialleben teilzunehmen. Wie tragt ihr dazu bei, dass das den Senioren gelingt?
„Es gibt so viele Senioren, die Zuhause vereinsamen, die keine Familie und Freunde in der Nähe haben und nicht mehr hinausgehen, weil sie eine kleine Stufe vor der Tür oder Unsicherheit daran hindern. Wir möchten Senioren das geben, was sie verdient haben: Aufmerksamkeit. Wir möchten Ihnen Lebensfreude bereiten und sie unterstützen das zu tun, was Ihnen Freude bereitet. Mit der passenden Unterstützung sind gemeinsame Ausflüge und Spaziergänge möglich, der Besuch von Theatervorstellungen oder Konzerten, Einkäufe und das gemeinsame Kochen. Aber auch das gemeinsame Zeit verbringen Zuhause, einfach da zu sein, zuzuhören und zu erzählen. Wir wollen mit Aufmerksamkeit und Zuwendung gegen Einsamkeit vorgehen und durch individuelle Unterstützung dazu beitragen, dass ältere Menschen selbstbestimmt ihr Leben genießen können.“
„Auch Angehörige brauchen mehr Aufmerksamkeit.“
Und was macht die fehlende Möglichkeit nach deiner Erfahrung mit den Senioren – aber auch mit den Familien? Ein schlechtes Gewissen ist ja auch ein wichtiges Thema, da sich viele eine umfassende Betreuung zeitlich und finanziell nicht leisten können. Oder wie siehst du das?
„Ich habe selbst gesehen was ein Pflegefall in der Familie bei Angehörigen auslöst. Man wird meist sehr unerwartet mit einer Situation konfrontiert, die man viel zu lange vor sich weggeschoben hat. Die meisten Menschen möchten im eigenen Zuhause alt werden, doch Angehörige haben oft gar keine Zeit die Pflege oder Betreuung zu übernehmen, da sie entweder im Berufsleben stehen, nicht vor Ort wohnen oder selbst mal eine Auszeit brauchen. Und Angehörige, die die Pflege übernehmen, sind meist sehr überlastet. Auch Angehörige brauchen mehr Aufmerksamkeit, in Form von Unterstützungs- und Entlastungsangeboten. Die meisten Angehörigen kennen jedoch ihren Anspruch gar nicht, denn auch für Betreuungsleistungen gibt es viele Unterstützungsangebote. Es ist enorm wichtig, dass man sich gut zu seinem Leistungsanspruch informiert, und dann sehr offen in der Familie über die einzelnen Möglichkeiten spricht, und vor allem den zu Pflegenden miteinbezieht.“
Sie gab den Anstoß: Die Großmutter von Antonia und Nikolaus. Bild: Careship
Wird euer Angebot bezuschusst oder muss das komplett aus eigener Tasche bezahlen? Und bei welchem Betrag beginnt eine Betreuung durch eine Kraft von euch?
„Unsere Leistungen reichen wie gesagt von Gesellschaft leisten bis hin zu Wegbegleitungen, leichter Pflege und Unterstützung im Haushalt. Bei Pflegestufe können diese Leistungen über die Pflegekasse finanziert werden, zum Beispiel über die sogenannte Verhinderungspflege mit bis zu 2.418 Euro pro Jahr. Das schockierende ist, dass die Verhinderungspflege nur von 6 Prozent aller Anspruchsberechtigten genutzt wird. Und das nicht, weil sie die restlichen 94 Prozent nicht brauchen, sondern weil sie sie nicht kennen. Deswegen ist es so wichtig, sich gut zu informieren. Unsere Leistungen können aber auch privat bezogen werden, ab 15 Euro pro Stunde, abhängig von der gewünschten Tätigkeit und der Qualifikation des Alltagshelfers.“
Welche Dienstleistung wird bei euch am häufigsten gebucht? Wo herrscht der größte Mangel bzw. der größte Bedarf? Sind es eher die kleinen Dinge oder geht es hier ans Existenzielle?
„Familien buchen am meisten Betreuer für das Gesellschaftleisten Zuhause, aber auch für Besuche und gemeinsame Zeit in Pflegeheimen, wenn sie nicht so oft da sein können. Senioren wünschen am meisten Begleitdienste und Unternehmungen draußen, meist ist es jedoch eine Kombination aus mehreren Leistungen. Und da herrscht auch der größte Bedarf: individuell das zusammenzustellen, was sich jeder einzelne Kunde wünscht. Und zu ermöglichen, dass immer derselbe Betreuer kommt, denn das wünschen sich die meisten Kunden.“
Apropos Geld: Die Pflegebranche ist ein zukunftsträchtiger, attraktiver Markt – aber auch hier geht es eben nicht ohne Kapital. Wie habt ihr eure Gründung finanziert?
„Wir haben Careship genau vor einem Jahr gegründet. Wir wurden anfangs mit einem Investment von Axel Springer Plug and Play unterstützt. Anfang 2016 haben wir dann eine neue Finanzierungsrunde mit einigen Business Angels abgeschlossen, unter anderem Christophe Maire. Das gibt uns die Möglichkeit, Careship auszubauen. Wir sind mittlerweile in mehreren Städten aktiv und haben noch viel vor.“
Eine medizinische Versorgung bietet ihr nicht an. Ist ein Vorstoß in diese Richtung vorgesehen?
„Nein, wir konzentrieren uns auf Seniorenbetreuung, Begleitdienste, Hauswirtschaft, und Unterstützung bei leichter Pflege. Medizinische Versorgung bieten wir aktuell nicht an, und ist für die nächste Zeit auch nicht geplant.“
Und zu guter Letzt: Was ist das Beste sowie vielleicht auch das weniger Angenehme, wenn man mit einem Familienmitglied gemeinsam arbeitet?
„Das Beste ist, dass man sich so gut kennt, dass man immer sehr offen sein kann und dass man sich zu 100 Prozent aufeinander verlassen kann. Das Heikle ist, dass man trotzdem auch noch andere Sachen gemeinsam macht außer zu arbeiten, sodass es zu Weihnachten auch noch andere Gesprächsthemen gibt (lacht).“
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