„Warum hast du das so gemacht und nicht anders?“ Typischerweise stellen besonders gerne Lehrer, Eltern und Partner die Frage nach den Beweggründen. Sie wollen eine Erklärung für diese und jene Handlung, um das Verhalten des anderen zu verstehen, um es gerechtfertigt zu bekommen. Dabei richten sie mehr Schaden als Nutzen an.
Die Reaktion: der Rechtfertigunsblues.
Der entscheidende Fehler war längst passiert: in dem Moment, in dem der Lehrer mich nach dem Warum gefragt hatte!
Die Frage „Warum hast du das gemacht?“ löst bei dem Menschen, dem sie gestellt wird, immer einen Rechtfertigungsblues aus. Das penetrante „Warum“ wirkt, als ob ich jemanden an die Wand stelle, mit der Pistole auf ihn zeige und ihm sage: „Erkläre dich!“ Das kann keinen guten Effekt erzielen …
Alle Beweggründe ausleuchten
Ja, Sie können mich tadeln und gerne auch diskutieren, ob ich mich meinem Lehrer gegenüber bockig verhalten habe oder nicht. Geschenkt. Viel spannender finde ich das Ergebnis der ganzen Kommunikation und den Knackpunkt der Auseinandersetzung: die Frage nach dem Warum.
Warum hatte er mich nach dem Warum gefragt? Warum fragen Sie überhaupt nach dem Warum? Weil Sie eine Erklärung wollen, wie es zu etwas kam. Die Warum-Frage zielt nach hinten, sie ist rückwärts gewandt. Sie will herausfinden, wie es zu etwas kam, die Vorgeschichte ausloten, die Beweggründe im Vorfeld ausleuchten, das Geschehene von irgendetwas ableiten, herleiten, dem Ganzen einen Grund geben.
Noch weiter: Warum wollen Sie unbedingt, dass das, was Sie mit „Warum“ hinterfragen, einen Grund hat?
In der Intimsphäre des anderen
Wenn es um etwas Fachliches geht, hat das ja seine Berechtigung. Wenn Sie die wissenschaftliche Erklärung für ein Naturphänomen suchen zum Beispiel. Oder wenn Sie als Historiker aufklären wollen, wie es zum Nahost-Konflikt kam oder dergleichen. Oder wenn Sie investigativer Journalist sind und die Watergate-Affäre aufklären wollen. Dann bitte gerne: „Warum ist das so?“ Denn Sie fragen nach dem Grund, weil Sie es verstehen wollen.
Denn Sie werden damit zwangsläufig in der Intimsphäre des Anderen herumbohren. Die Warum-Frage ist hier ein Versuch, die Situation zu kontrollieren. Achten Sie mal drauf: Derjenige, der in einem Konflikt die Warum-Frage stellt, ist immer derjenige, der den anderen dominieren will: Warum hast du dein Zimmer nicht aufgeräumt? Warum hast du mir das nicht früher gesagt? Warum kommst du zu spät? Warum haben Sie das Protokoll noch nicht fertig? – Die Fragen verweisen immer auf den Missstand beim Anderen, sie enthalten immer einen impliziten Vorwurf.
Vertrauen statt Kontrolle
Tatsächlich ist es aber so: Wenn Sie dem Leben vertrauen, wenn Sie Ihren Mitmenschen vertrauen, dann brauchen Sie Ihren Partner, Ihre Kinder oder Ihre Mitarbeiter nicht kontrollieren oder dominieren. Dann können Sie sich die Frage nach dem Warum einfach sparen. Sagen Sie lieber, was Sie eigentlich wollen.
Wenn Sie dann dem Anderen noch den Freiraum geben, sich zu erklären, wenn er will – aber ohne, dass er muss – dann werden Sie viel mehr über den Anderen erfahren, als wenn Sie ihn in die Ecke drängen, um ihn zu zwingen, seine Gründe preiszugeben.
Und wenn Sie partout eine W-Frage stellen wollen, dann probieren Sie’s mal mit der Frage, die in die Zukunft weist, anstatt in die Vergangenheit. Also mit der Frage nach dem Zweck anstatt nach dem Grund. Fragen Sie also lieber mal: Wozu?