Wo bist du gerade? Der Fluch immer erreichbar zu sein
Wo bist du gerade? Der Fluch immer erreichbar zu sein
Neulich klingelte mein Telefon Sturm, auf meinem Handy erreichte mich eine SMS und über Facebook schrieben mich fünf Freunde gleichzeitig an…dazu blinkte der Messenger heftig im Takt. Dann klingelte es an der Tür und ich schreckte hoch aus meinem Paniktraum. Wann hat das eigentlich angefangen mit dem ständig erreichbar sein müssen?
Damals in den 1980ern gab es bestenfalls ein gemeinsames Haustelefon (wirklich nur eins für alle Familienmitglieder!), lange Telefonate kamen eh nicht in frage: “..denk an die Rechnung.” und “..ihr habt euch doch gerade erst gesehen.” waren die Kommentare der Eltern, an Handys und Computer war noch nicht mal zu denken. Dann kamen ganz schleichend die ersten Handys in den 90er Jahren, große unhandliche Dinger, die Gebühren waren extrem hoch und eigentlich konnte man sich das noch gar nicht leisten. Einige Jahre später hatte man den ersten PC, das Internet (Zugang auch noch sehr teuer!) wurde langsam populär. Aber alles noch sehr gemäßigt.
Immer erreichbar
Jetzt, knapp 20 Jahre später, hat so gut wie jeder mindestens ein Mobilfunkgerät und eine passende Flat. Das ist soweit auch schön und gut (und auch mein Herz klopft schneller, wenn ich merke, dass ich das Handy nicht dabei habe, weil es könnte ja was wichtiges sein). Man kann von unterwegs mal schnell beim Freund/Bruder/den Eltern anrufen um ein Lebenszeichen von sich zu geben oder die Einkaufsliste noch mal zu besprechen. Oder mitzuteilen, dass die Bahn später kommt oder dass man im Stau steht. Inzwischen kann man sogar auf dem Weg von A nach B E-Mails checken, kurz im Chat für 50plus vorbeischauen und sich auf diversen Community Seiten informieren, wer was gekocht hat, wo was los ist und ob der Tag gut oder schlecht verläuft und dabei selbst schnell noch einen “ich befinde mich gerade hier” Status abgeben. Alles prima.
Akku leer und andere Katastophen
Doch dann die Schattenseite: Akku leer, Handy liegt irgendwo in den Tiefen der Tasche, kein Empfang! Natürlich kommt genau in diesem Moment ein wichtiger Anruf, die besorgte Gegenstelle fragt sich, warum um alles in der Welt nun nur die Mailbox angeht oder man einfach nicht ans Telefon geht…entführt, getürmt oder gar die langjährige Freundschaft gekündigt? Bloß mal schnell Zigaretten holen? Was ist da los? Eventuell die Polizei verständigen?
Auf Facebook wurde man auch schon einige Stunden nicht gesehen, keine Antwort auf die E-Mails und zu Hause nur der AB….es muss was schreckliches passiert sein (während man eigentlich in aller Ruhe im Kino sitzt, irgendwo ein Bier trinkt oder den Wellness Bereich einschließlich befeuchteter Luft des neuen Schwimmbads testet). Spätestens am nächsten Tag ist dann Aufklärungsarbeit angesagt, wahrscheinlich bleibt dabei sogar immer ein kleiner Zweifel, ob das wirklich alles so stimmt (es sollen schon einige Beziehungen und Freundschaften dabei schon zu Grunde gegangen sein).
Bei allem Komfort , die einem die moderne Technik bietet, muss man echt aufpassen, dass man sich nicht zu ihrem Sklaven macht. Hut ab vor den Leuten, die sich diesem Dilemma noch entziehen können, indem sie einfach kein Internet und Handy haben, auch wenn diese inzwischen wohl sehr dünn gesät sind.