Wie sehr sinkt die Chance auf einen Job, wenn man Anfang 40 ist und ein Kind hat? Sehr, sagt Karin Bodewits – und hat sich ihre Gedanken darüber von der Seele geschrieben. Hat sie damit recht?
Wie viel muss ich im Lebenslauf preisgeben?
Im Vergleich mit anderen Ländern erzählen die Deutschen ganz schön viel über sich selbst im Lebenslauf. Und ich spreche hier nicht über die klassischen „Lebenslauf-Bausteine“ wie „Arbeitserfahrung“ und „Ausbildung“, mit denen man seine Fähigkeiten darstellen kann und soll. Ich spreche hier von den persönlichen Angaben. Ein Bild der Bewerberin im Business Look, das Geburtsdatum, alle Kinder mit Altersangabe oder der Familienstand – all diese Daten gelten bei vielen in Deutschland als selbstverständliche Bestandteile eines klassischen Lebenslaufes. Aber warum? Wie viele persönliche Daten muss oder soll man eigentlich preisgeben, wenn man sich auf einen Job bewirbt?
Schließlich ist es vollkommen legal, sich „anonym“ zu bewerben und sämtliche Angaben zu Geschlecht, Name und Geburtsdatum wegzulassen – mal abgesehen von den Kontaktdaten, denn die sind natürlich immer hilfreich. Und doch ist eine solche Bewerbung alles andere als empfehlenswert, wenn man nicht gerade an einem der seltenen Pilotprojekte zur anonymen Bewerbung teilnimmt und die Stellenausschreibung einen ausdrücklich dazu auffordert.
Eine Bewerbung ohne Bild? Das geht so nicht!
Eine anonyme Bewerbung habe ich selbst noch nicht abgeschickt, aber dafür einige ohne Bild – sogar eine ganze Menge! Warum? Ich sah einfach keinen Sinn darin, ein Bild beizufügen. Schließlich sollte es hierbei um mein Profil und nicht um mein Aussehen gehen. In den Niederlanden war die Erfolgsquote meiner Bewerbungen ohne Bild ziemlich hoch, in Deutschland dagegen exakt Null.
Meine Strategie änderte ich erst, als ein Freund sagte: „Aber Karin, offensichtlich willst du gar keine Stelle, sonst würdest du doch ein Bild mit reinnehmen.“ Also schickte ich meine Initiativbewerbungen noch einmal los: gleiche Firmen, gleiches Anschreiben, gleicher Lebenslauf, aber diesmal mit Bild. Und, siehe da: Ich erhielt eine Einladung nach der anderen! Meine Erfolgsquote, zu Gesprächen eingeladen zu werden, stieg quasi über Nacht von 0 auf 20 Prozent – und nicht eine Firma hatte bemerkt, dass ich mich schon einmal bei ihnen beworben hatte. Was ich daraus ziehe? Lebensläufe ohne Bild sind in Deutschland chancenlos, weil sie gar nicht erst gelesen werden.
Ob ich Mutter bin? Das geht keinen etwas an!
Diese Lektion hatte ich also gelernt. Doch interessiert es eigentlich jemanden – oder darf es überhaupt jemanden interessieren – ob man verheiratet ist oder nicht? Und ob man Kinder hat? Den Arbeitgeber schon, denn auf Basis dieser Angaben scheint der Lebenslauf oftmals gleich im Müll zu landen. Zumindest dann, wenn man eine Frau ist. Ein verheirateter Mann mit zwei Kindern wird als sichere Wahl gesehen, schließlich ist er ortsgebunden und in gefestigten Lebensumständen – und so verbessern sich seine Chancen im Vergleich zum freien und vielleicht unsteten Single-Mann.
Im Gegensatz dazu wird eine Frau mit zwei Kindern schnell in die mit dem Etikett „schwierig“ versehene „Mutti-Kiste“ gesteckt. Sie fällt ja ständig durch Krankheiten der Kinder aus und muss mühsam Schulferien überbrücken, sie hat ihren Kopf stets bei Ihren Bälgern und nicht bei der Arbeit und sieht die Beschäftigung sowieso nur durch die Brille einer Zuverdienerin. Mein Eindruck: Einen 20-Stunden-Langeweiler-Job gibt man Mutti ganz gerne, aber für die herausfordernde Top-Position, lädt man dann doch lieber die nächste Kandidatin ohne Kinder ein.
Der größte Albtraum für Personaler
Es scheint, als sei das Schlimmste, was man einem Personaler antun kann eine Bewerbung einer Frau unter 42, mit genau einem Kind. Um Gottes willen! Sie bekommt bestimmt bald ein zweites und steht zudem schon jetzt voll im Kinderstress!
Und eine verheiratete junge Frau ohne Kindern? Das ist eine hormonelle Zeitbombe! Finger weg, rette sich wer kann!
Also liebe Damen, nehmt Kinder und Familienstand aus dem Lebenslauf raus. Wieso sollte man etwas preisgeben, das nur dazu dient, die Bewerbung schneller auszusortieren? Schließlich haben Studien zur anonymen Bewerbung ergeben, dass Bewerber im Vorstellungsgespräch selbst tatsächlich nach ihren Qualitäten bewertet werden und dadurch annähernd gleiche Chancen haben, egal ob sie Frau, Mann, Mutter sind – oder einen Migrationshintergrund haben.
Natürlich muss man dafür die Hürde bis zur Gesprächseinladung erst einmal überwinden. Steht euch hier nicht selbst im Weg. Ich bin mir sicher, eure Erfolgsquote wird deutlich steigen, wenn ihr die persönlichen Angaben ausmistet. Versucht es doch einmal!
Karin Bodewits ist Biochemikerin, Autorin von „Karriereführer für Naturwissenschaftlerinnen- Erfolgreich im Berufsleben“, Seminarleiterin und Mitgründerin von ScienceMums und NaturalScience.Careers.
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