Welche Auswirkungen hat der Brexit auf den Alltag und die Zukunft? Fotografin Andrea Lavezarro hat sich mit in Berlin lebenden Brit*innen getroffen und sich mit ihnen über ihre Situationen unterhalten.
Planänderungen im Leben vieler Brit*innen
Der Brexit – eine nie endende Diskussion mit immer neuen Abstimmungen, aber dem gleichen Ergebnis. Nach momentanem Stand verlässt Großbritannien Ende Oktober die EU und Theresa May tritt als Parteichefin der Konservativen zurück. Alles Schlagzeilen, die die letzten Wochen die Berichterstattung aus Großbritannien beherrschten.
Die Fotografin Andrea Lavezarro möchte andere Seiten des drohenden Brexits zeigen. Keine Schlagzeilen über Politiker*innen, sondern Bilder von den Menschen, die davon direkt betroffen wären. Andrea interessiert sich für Menschen, die ihren ganzen Alltag nun auf den Kopf stellen und ihre Zukunft umplanen müssen. Allen voran stehen Fragen, wie: Wie geht es beruflich weiter? Wie steht es um die Reisefreiheit oder den Brit*innen, die im Ausland leben? Was halten sie überhaupt von dem Brexit? Hier kommen Antworten:
Ayah
Bild: Andrea Lavezarro
Ayah ist 29, wurde in Russland geboren und ist in England aufgewachsen. Seit einem Jahr wohnt sie in Berlin. Sie stimmte gegen den Brexit und weiß von ihren Eltern, dass sie dafür stimmten. Sie denken die UK sollte in der Lage sein, ihre eigenen Regeln zu machen und nicht von der EU bestimmt werden. Ayah vermutet, dass es vielen anderen Menschen, die für den Brexit gestimmt haben, ähnlich ging.
Für sie ist der Brexit schockierend und traurig. Sie weiß zwar noch nicht, wie lange sie in Berlin bleiben wird, aber eins ist klar: Zurück nach England zieht sie nicht. Durch den Brexit wird sich Großbritannien den Möglichkeiten, die die EU bietet, verschließen. In ihren Augen wird der Brexit nur eine positive Sache bringen: „The one possible thing that might come out of it: It made people kind of wake up politically. Because it kind of shocks people, perhaps it will get people to be more motivated.“
Rob
Bild: Andrea Lavezarro
Seit August 2007 lebt Rob in Berlin. Die Ereignisse in Großbritannien von Berlin aus zu beobachten ist frustrierend und er fühlt sich machtlos. Für ihn wirkt es als würde die ganze Situation vor Ort außer Kontrolle geraten.
Persönlich hat er keine Angst vor den Auswirkungen des Brexits. Er hat Maßnahmen getroffen, damit ihm nichts passieren kann und eine deutsche Staatsbürgerschaft beantragt. Rob macht sich hingegen Sorgen um seine Eltern: Sie wollten nach Frankreich ziehen und dort ihre Rente verbringen, doch ihre Pläne verschieben sich erstmal. Vielen Brit*innen ginge es so: „Personally I don’t have any fears for myself but I’m worried for how it might affect others.”
Issy
Bild: Andrea Lavezarro
Issy ist 19 Jahre alt, in Manchester geboren und im Alter von zwei Jahren nach London gezogen. Nun studiert sie in Berlin und fühlt sich wohl. Aufgrund des Brexits will sie nicht mehr zurück und hat einen irischen Pass beantragt. Ende des Jahres zieht sie für ihr Studium nach Amsterdam.
Sie erzählt von einem britischen Kommilitonen, der für den Brexit gestimmt hat. Er sagte, dass er keine Regeln und Vorschriften mehr von der EU vorgesetzt bekommen wolle. Für Issy waren seine Argumente schlecht: Ja, die EU schreibe uns Regeln vor, aber in Issys Augen seien es gute Regeln und Gesetze. Sie selbst war zu jung, um ihre Stimme abzugeben und das Ergebnis macht sie wütend: „I was 17 when the vote happened and I couldn’t vote. So I was so angry that these like 50 years old people were choosing what would happen to me for the rest of my life.”
Jo
Bild: Andrea Lavezarro
Jo ist 32 Jahre alt und seit vier Monaten im Rahmen in Berlin. Auch sie stimmte für die EU und gegen einen Austritt. Das Ergebnis der Wahl konnte sie nicht fassen. Als Grund für das Ergebnis vermutet sie die überwiegend negative Berichterstattung.
Ihre Heimat sei momentan ein Ort voller Hass und Unstimmigkeiten über die Regierung. Trotzdem kann und möchte sie nicht in Deutschland bleiben: Zusammen mit ihrem Mann hat sie ein Haus in Großbritannien und keine Zusatzkosten für ihre medizinische Versorgung. Selbst wenn es diese Gründe nicht geben würde, bleibt ein ausschlaggebender bestehen: „You need people in the UK to remind others not to vote for the party which brought us the Brexit and all the chaos. So I think I need to go back and I need to be there on the ground. Pressuring the Government to make sure the right thing is done.”
Ana
Bild: Andrea Lavezarro
Ana ist Schottin und im Alter von zehn Jahren in die Nähe von London gezogen. Nun wohnt sie in Berlin und stimmte von dort aus für einen Verbleib in der EU. Vor der Abstimmung gab es ihrer Meinung nach viele Lügen in der Presse, Medien waren nicht informativ und klärten nicht über die Folgen eines Brexits auf.
Sie kennt Personen, die dafür gestimmt haben: Ein Mitschüler erzählte, dass er für den Brexit gestimmt habe, seine Begründung lautete aus Spaß. Er habe nicht damit gerechnet, dass es wirklich passieren würde. Ana schätzt das Ergebnis der Wahl so ein: „Now that it is happen, it could be a good thing. But I don’t think it will be because it is more about who is in charge of the country. And obviously, the people that are in charge right now, are ruining most people’s life.”
Tom
Bild: Andrea Lavezarro
Toms Umzug nach Berlin hatte mit dem Brexit nicht viel zu tun, aber dafür ist er heute umso mehr davon betroffen. Als Creative Director ist er viel in Europa unterwegs. Nun macht er sich Sorgen, dass seine Arbeit unter dem Brexit leiden wird.
Er hält es für sehr wichtig, dass es die Abstimmung gab und man sein Wahlrecht nutzt. So vermutet er, dass die Menschen im Norden der UK durch die Wahl ihre Frustration gegenüber der Regierung kundgemacht haben. Seine persönliche Meinung ist, dass der Ärger sich gegen die britische Regierung hätte richten sollen und nicht gegen die EU. Der größte Nachteil vom Brexit ist die momentane Unwissenheit: „The Problem is, that we just don’t know what will happen. There’s a lack of clarity what we gonna get. That’s the most annoying thing I know.”
Nick
Bild: Andrea Lavezarro
Seit acht Jahren lebt Nick in Berlin, seine Mutter ist nach Australien ausgewandert und sein Bruder lebt in London. Daher hat er keine starke Verbindung mehr zur UK, doch der Brexit wird seine zukünftige Stabilität und Bewegungsfreiheit gefährden – das macht ihn enorm wütend. „I have definitely considered having children in the future but after the Scottish referendum and now Brexit, I just feel such an unease and instability towards the UK at the moment. I have considered maybe resettling back in the UK when I start a family but I think that’s out of the question for me now with the mess it’s in.“