Telekom-Vorstandsfrau Claudia Nemat hat große Pläne. Ein Gespräch über ihren Weg in den Vorstand und die Bewegung eines Telekommunikationsriesens.
Claudia Nemat: Den eigenen Weg gehen
Durchhalten, auch mal einstecken können, die Dinge nicht persönlich nehmen. All das kennt Claudia Nemat nur allzu gut. Die Physikerin ist seit Oktober 2011 im Vorstand der Deutschen Telekom AG. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende René Obermann holte sie als Europa- und Technikchefin in den Vorstand. Auch jungen Frauen rät Nemat, ihren eigenen Weg zu gehen und sich von niemandem hineinreden zu lassen: „Lasst es nicht zu, dass andere über euer Schicksal bestimmen.“
Als sie bei der Telekom anfing, kannte sie die Telekom bereits seit Jahren. Zuvor hatte sie 17 Jahre für die Unternehmensberatung McKinsey gearbeitet, die Telekom war lange Zeit ihr Kunde. Zuletzt verantwortete sie in der Beratung als Senior Partner den High-Tech-Sektor für Europa, den Mittleren Osten und Afrika. Sie und die Telekom: Ein gutes Match. Ihre Entscheidung von der Beratung in das Großunternehmen zu wechseln wurde positiv davon beeinflusst, dass sie und ihr späterer Arbeitgeber sich bereits kannten. „Ich fühlte mich bereits wie ein halber Insider. Es war ein großer Vorteil, die Strukturen, Pläne und Menschen bereits zu kennen. Aber es war auch von Vorteil, dass ich lange in den Vereinigten Staaten und in Brasilien gelebt hatte und in unterschiedlichen europäischen Ländern, um auch eine ganz andere Sichtweise mitzubringen“, erzählt Nemat im Interview.
30 Prozent Frauen bis 2015?
Die zweifache Mutter gilt als durchsetzungsfähig und charmant. Im Gespräch mit uns lacht sie manchmal plötzlich laut auf, ihr Markenzeichen. In den vergangenen Jahren bewegte Nemat in ihrem Zuständigkeitsbereich einiges, wie sie berichtet. Die Deutsche Telekom war 2010 das erste Dax-30-Unternehmen, das sich eine Frauenquote selbst auferlegt hat. „Mit mehr Frauen an der Spitze werden wir einfach besser“, hatte Obermann im März 2010 nach dem Beschluss zur Einführung der Frauenquote gesagt.
Bis 2015 sollen 30 Prozent der oberen und mittleren Führungspositionen im Unternehmen mit Frauen besetzt werden. Die Telekom sei auf einem gutem Weg dahin, erzählt Nemat. „Wir haben mittlerweile einen Prozentsatz von 25 Prozent Frauen im Management“, sagt sie. Man freue sich über das Geschaffte, aber bis zu den 30 Prozent sei es natürlich auch noch ein Weg.
Die Telekom habe die Herausforderung, dass der Anteil weiblicher Studienabsolventinnen aus den MINT-Fächern geringer ist, als der Anteil der männlichen Absolventen. Im Osten Europas gebe es jedoch wesentlich mehr Absolventinnen – neben der Frühförderung für technische und naturwissenschaftliche Fächer zum Beispiel über die Telekom-Stiftung setze Nemat deshalb gezielt auf internationale weibliche Führungskräfte.
Ein Team muss man zusammenschweißen
Bereits als Beraterin hatte sich Nemat auch mit Fragen der Führungs- und Leistungskultur und dem Einfluss von Diversity auf den Unternehmenserfolg beschäftigt. Ihr selbst sei es nicht schwer gefallen, sich in die Vorstandsstrukturen einzuleben. Bewegt hat sie bereits einiges – ihr Bereich Europa und Technik habe zu großen Teilen aus deutschen Männern bestanden als sie 2011 anfing, mittlerweile gebe es etwa 30 Prozent Frauen, 30 Prozent Menschen mit internationalem Hintergrund, sagt Nemat. Auch in den Landesgesellschaften selbst habe es häufig nationale Team gegeben. Insgesamt habe sie eine bessere Durchmischung erreicht.
„Ich bin überzeugt davon, dass Menschen mit unterschiedlichem Fachhintergrund, aus unterschiedlichen Ländern und mit unterschiedlichem Geschlecht die besten Ergebnisse erzielen, allerdings nur dann, wenn es ihnen gelingt, das Team unter einer großen Vision zu vereinen. Sonst gibt es nur Chaos”, so Nemat. Ein Team müsse man zusammenschweißen. Dies gelinge nur, indem man sich selbst als Chef nicht so wichtig nehme. Und auf starke Menschen und ein starkes Team um sich herum setze.
„Ich versuche ein inspirierender Leader zu sein. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Top-Leute nicht unter Kommando arbeiten. Sie brauchen ein großes Ziel und Menschen, die dafür kämpfen“, so Nemat.
53.000 Mitarbeiter arbeiten in Claudia Nemats Bereich. 52.000 Mitarbeiter davon nicht in der Zentrale in Bonn, sondern in den zwölf Ländergesellschaften. Sie selbst führe gern, sagt sie. Und das muss sie auch. Ihre inhaltlichen Ziele hat sie hoch gesteckt. Was für den Endkunden oft einer Aneinandereihung von unerklärbaren Vokabeln nahe kommt, ist Claudia Nemats täglicher Job.
Ein paneuropäisches Netz
Sie will mit der Deutschen Telekom AG ein paneuropäischen Netz bauen. Es gehe um eine einheitliche IP-Sprache aller Netze in Europa. Verschiedene Piloten gebe es zum Beispiel in Mazedonien oder in Ungarn. Bis 2020 will die Telekom die Technologie in ganz Europa realisieren. Ihr Ansatz sei klar über Pilotprojekte zu zeigen, dass die Realisierung möglich ist. Innovationen sollen in kleineren Einheiten entstehen, so Nemat.
Die Technologieentwicklung sei für die Telekom der zentrale Hebel für den Erfolg in Europa, um international Produkte einzuführen.
Nachhaltiger Personalumbau
Die Telekom befindet sich insgesamt im Marktkonsolidierungsprozess, der auch Umstrukturierungen im Personal mit sich zieht. Insgesamt sehe sich die Telekom weniger mit Personalabbau, als mit Personalumbau konfrontiert, erzählt Nemat. Dies sei Ergebnis einer radikalen technologischen Disruption. „Zudem ist Europa im klassischen Telekommunikationsgeschäft weitgehend ein schrumpfender Markt. Als Europachefin muss ich seit Jahren das Verhältnis von Personalbestand und Marktrealität im Blick haben. Denn wir haben die Notwendigkeit, auch ein vernünftiges Ergebnis zu erwirtschaften.“
Dabei achte die Telekom beim Personalumbau auf den Dialog mit den Landesgesellschaften und sozialverträgliche Lösungen. Ein Beispiel dafür seien die Umstrukturierungen in Griechenland, die auch innerhalb der Politik als vorbildlich gelten würden. So stellte die Telekom nach Umstrukturierungen in der Landesgesellschaft 500 neue junge Mitarbeiter in Griechenland ein.