Welche Studentin eines geisteswissenschaftlichen Fachs kennt sie nicht: die Frage: „Was willst du denn damit mal werden?” Wie geht man damit sinnvoll um?
Die Angst vor der Perspektivlosigkeit
Ich bin 22 Jahre, Bachelorabsolventin in den Fächern Germanistik sowie Kommunikations- und Medienwissenschaften, Perfektionistin und Zweiflerin. Ich gebe zu, durch meine Studienwahl sind Zukunftsängste eigentlich schon vorprogrammiert. „Was kann man denn später damit arbeiten?“, und „Wie willst du deine Miete bezahlen?“, sind Fragen, die nicht nur ich selbst mir 100 Mal gestellt habe.
Ich habe mich zwar bewusst für diese Fächer entschieden, allerdings muss ich häufig auch Fremden Fragen zu meiner Zukunft beantworten und habe mitunter sogar das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen. Scheinbar scheint sich das Vorurteil zu halten, dass besonders Germanistik-Studenten vor allem ein entspanntes Studium wollen – und sich dann nach 20 Semestern und den ersten Jobbewerbungen umorientieren müssen, da sie keinen passenden Beruf gefunden haben oder als Schriftsteller überraschenderweise gescheitert sind.
Von guten und schlechten Tagen
An guten Tagen gelingt es mir, diesen Vorurteilen keinen Raum zu geben. Schließlich hat man auch mit geisteswissenschaftlichen Studienfächern gute und vielseitige Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt. Dafür muss man allerdings zielstrebig sein und braucht, wie überall im Leben, das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Und dann gibt es eben auch die „schlechten Tage“.
Ja, es gibt Momente, in denen mich die Fragen nach meiner Zukunft verunsichern. Meine Kommilitonen kennen diese Ängste nur zu gut und ich bin mir sicher, nicht nur Geisteswissenschaftler hadern manchmal mit ihrer Studienentscheidung. Jeder hat irgendwie Angst, vielleicht doch den falschen Weg eingeschlagen zu haben. Einen Weg, der einen vielleicht nicht ans erhoffte Ziel bringt. Zumindest wenn man das Privileg hat, sich solche Fragen zu stellen.
Die Generation Y und ihr „Luxusproblem“
Fragt ihr euch auch manchmal: „Was hält mich denn eigentlich davon ab, der Mensch zu werden, der ich immer sein wollte? Mit einem tollen Job, in der Stadt, die ich mag, mit den Menschen, die ich liebe?” Der Generation Y stehen doch eigentlich alle Möglichkeiten offen, wieso also jammern? Nie war es so einfach aus wenig viel zu machen und die Auswahlmöglichkeiten so groß. Theoretisch ist alles möglich. Der Theorie muss man jedoch manchmal ein Schnippchen schlagen.
Oft machen es einem die vielen offenen Türen nur auf den ersten Blick einfacher. Viele offene Türen bedeuten genau so viele Entscheidungen und mindestens dreimal so viele „Wenns“ und „Vielleichts”. Ich glaube, das ist die Entscheidung mit der sich viele sehr schwer tun – eine Tür zu wählen und den Weg, der sich hinter ihr befindet, zu gehen. Wir haben 1.000 Möglichkeiten – bleiben genau 999 Optionen, die dem eingeschlagenen Weg stetig Konkurrenz bieten.
Was mir bei meinem eingeschlagenen Weg am meisten Angst macht, ist die Angst vor dem Scheitern – sich doch für die falsche Tür entschieden zu haben und irgendwann zu merken, dass es nicht mehr weiter geht. Diese Angst hängt sicherlich mit meiner Studienwahl zusammen. Als Germanistik-Studentin bekommt man besonders häufig zu hören, man ende sowieso als Taxifahrerin. Mittlerweile kann ich diesen Stimmen ganz gut die Stirn bieten. Doch trotzdem kommen ab und an diese Selbstzweifel, ob ich es schaffen kann, ob ich nicht doch lieber etwas „Solides“ lernen sollte?
Ich kann das nicht schaffen, will ich von mir nicht mehr hören!
Aber vielleicht ist das mit sich Hadern gerade gut. Zweifeln ist zwar anstrengend, aber diese Phasen sind doch notwendig, um zu erkennen, was man ändern muss, um sich mit dem eingeschlagenen Weg hinter Tür X wieder anzufreunden. Schließlich hat man ihn ja nicht grundlos eingeschlagen. Wenn diese Zweifel aufkommen, versuche ich mir deshalb immer vor Augen zu führen, was die Alternativen wären. Dann stelle ich immer wieder fest, dass eine Ausbildung zur Versicherungskauffrau für mich eben nicht das Richtige gewesen wäre.
Gerade bei Entscheidungen, die man in Bezug auf seine berufliche Laufbahn macht, sollte man viel mehr auf sein Bauchgefühlt hören, finde ich. Denn der Bauch kennt einen selbst und die eigenen Stärken oft am besten. Ehrgeiz und Leidenschaft für etwas entwickeln sich eben oft aus dem Bauch heraus und können nicht vom Kopf erzwungen werden. Man braucht also immer die nötige Geduld, damit sich die Dinge entwickeln können, den Mut, neue Dinge auszuprobieren und die nötige Gelassenheit, denn nicht alles klappt von jetzt auf gleich.
Deshalb: ruhig bleiben!
Wenn ich zurückblicke, stelle ich fest glücklicherweise, dass ich mit meinem bisherigen Weg gut gefahren bin. Meine Praktika und Nebenjobs haben immer Spaß gemacht und mir viele neue Erfahrungen ermöglicht. Und ich kenne viele positive Beispiele unter meinen Kommilitonen, die durchaus ihre Miete bezahlen werden können.
Wahrscheinlich wird in Zukunft nicht immer alles perfekt klappen, aber ein Weg geht nie streng geradeaus und man kann durchaus mal auf Abwege geraten – sei es durch eine schlechte Note, einen blöden Job oder das falsche Praktikum. Aber genau diese Abwege und „Fehlentscheidungen” zeigen uns ja auch, wo wir nicht hinwollen. Es ist also ein Irrglaube, nicht Scheitern zu dürfen. Das Scheitern führt uns vielleicht am Ende auf den richtigen Weg, auch wenn es diese lästigen Selbstzweifel mit sich bringt. Und ja, manchmal ist einfach alles Mist. Aber das ist ja das schöne in meiner Generation: um die nächste Ecke wartet vielleicht schon eine neue Möglichkeit, die genutzt werden will.
Und bei der großen Frage: „Wie werde ich eigentlich der Mensch, der ich immer sein wollte?“, geht es ja ums Werden, nicht ums bereits Sein. Zweifel sind immer wieder wichtig und hilfreich, aber sie sollten nicht in eine dauerhafte Panik verfallen. Lasst uns deshalb optimistische Zweiflerinnen sein!
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