Kuba steht im Fokus der Reise-Community und von allen Seiten ertönt es: Sofort fahren, bevor es zu spät ist. Was ist dran an dieser Massen-Panik? Ist es wirklich schon zu spät?
Besser jetzt, bevor…
„Ich fliege jetzt nach Kuba, bevor sich alles ändert.“ „Besser jetzt, bevor die Amis kommen.“ Immer wieder fielen in den letzten Monaten diese Sätze – eine globale Einstellung zu Reisen nach Kuba, die dazu führte, dass sich der Tourismus in Kuba im Jahr 2015 verdoppelt hat und im ersten Quartal 2016 noch einmal um 15% angestiegen ist.
Mit Blick auf die ’Besser-Jetzt-Touristen’, diein der Hochsaison durch das Land gereist sind, zwingt sich auch mir die Frage auf: Bin ich zu spät hingefahren? Ist das Land nicht völlig überrannt?
Anfangs war ich überzeugt, ich hätte vor Jahren nach Kuba reisen sollen. Mittlerweile sehe ich das anders, denn die Fragen, die sich eigentlich stellen sind diese:
Oldtimer, karibischer Strand und Lebensfreude
Die meisten Leute, die nach Kuba fliegen, freuen sich auf die alten Autos, auf karibische Traumstrände, historische Sehenswürdigkeiten, auf Zigarren, ein bisschen Musik a la Buena Vista Social
Club, aufs Salsa tanzen, die beeindruckende Architektur und kubanische
Lebensfreude.
Das alles wird es auch geben, wenn sich die Touristenzahlen erhöhen. Vielleicht sogar mehr Lebensfreude, wenn mehr Jobs im privaten Tourismussektor entstehen. Bisher liegen die Durchschnittseinkommen in staatlichen Jobs zwischen 15 bis 25 Euro pro Monat und damit kann man auch in Kuba nicht viel kaufen.
Leben aber mehr Menschen vom Tourismus und steigen die Gehälter, verbessert sich die Lebenssituation für viele.
Noch mehr Lebensfreude.
Wenn das Embargo weiter gelockert oder zukünftig sogar aufgehoben wird, wird neben den steigenden Touristenzahlen der Import von dringend benötigten Lebensmitteln und Konsumgütern möglich werden. Viele
Produkte werden dann vor allem für die Kubaner erschwinglicher werden. Das
wichtigste jedoch: Es wird sie überhaupt geben.
Das wird der Stimmung im Land gut tun und auch zur Freude der Touristen beitragen, die dann überall Milch für den Kaffee erhalten, und nicht bei der Frage nach Milch hören: „No hay. Gibt es nicht.“ Es sind oft die grundlegendsten Dinge, die nicht erhältlich oder für kubanische Verhältnisse unbezahlbar sind.
Es liegt etwas in der Luft.
Bestimmt werden einige der alten Autos vom Straßenbild verschwinden. Aber so wie in Berlin weiterhin Trabis für die Touristen zur Verfügung stehen, werden auch in Zukunft Oldtimer über Kubas Straßen rollen, extra für die Touristen. Mit neueren und zusätzlichen Autos wird der Vorteil darin liegen, dass die Infrastruktur im Land ausgebaut wird, dass nicht nur die Touristen einfach und zu guten Preisen von A nach B fahren können, sondern auch die Einheimischen nicht mehr Wochen im Voraus ein Ticket reservieren müssen. Und mit neueren Autos wird sich die Qualität der Luft verbessern.
McDonalds, Starbucks, BurgerKing.
Große Firmen und Investoren stehen ganz sicher in den Startlöchern, um auf dem neuen Markt aktiv zu werden. Aber in Kuba liegt die Kraft in der Ruhe. Die Menschen sind nicht hektisch, kaum jemand hat es jemals eilig. Es ist ein Land, in dem in vielen Städten Pferdekutschen zum Straßenbild gehören, bürokratische Prozesse gemütlich ablaufen, viele Leute erst jetzt eine
Debit-Karte bei der Bank beantragen, an manchen Orten die Zeitung einen Tag
später ankommt und der Zugriff auf das Internet limitiert und überteuert ist.
Für Änderungen und Neueröffnungen von privaten Geschäften sind Genehmigungen der Regierung nötig. Das benötigt Zeit. Die Regierung wird alle Prozesse regulieren und genau überwachen, so dass der Wandel in kommunistisch geordneten Bahnen verlaufen wird. Die Zeichen von 58
Jahren Revolution werden nicht in ein paar Wochen, Monaten oder Jahren spurlos verschwinden.
Es wird interessanter werden.
Wenn die Lockerungen kommen, die Einwohner mehr Freiheiten erhalten, weniger überwacht und kontrolliert werden, dann wird es interessanter werden in Kuba, denn dann werden die Kubaner viele aufschlussreiche Geschichten erzählen, die heute verschwiegen werden, weil möglicherweise Ärger droht, wenn jemand zu offen ist. Die Erfahrungen aus 58 Jahren Mangel und Necessidad (Notwendigkeit) wird keiner vergessen und die Spuren werden auch noch in Jahren spürbar sein.
Es ist nie zu spät!
Also: Ist es zu spät für Kuba? Das wäre fast so als würde man nicht mehr nach Vietnam, nicht nach Ostdeutschland, nicht nach Myanmar oder nicht nach Russland fahren. Nirgendwo dürfte man mehr hinreisen – hat sich ja überall was geändert – und ändert sich weiter.
Jetzt schon besser reisen.
Was aber hilft um ein originales Kuba kennenzulernen: Spanisch sprechen, in der Nebensaison einfliegen, in den Osten des Landes reisen, an kleinen unbekannten Orten und nicht nur in den Touristenvierteln verweilen.
—-
Zuerst in abgewandelter Form erschienen auf
meinem Blog: www.just-not-enough-time.de