Geht ein Partner auf Reisen, fällt die ganze Famile in einen Alltagsjetlag. Rituale und Abläufe helfen dabei, diese Zeit gut und ohne schlechtes Gewissen zu überstehen.
Meine Frau und ich arbeiten beide in Vollzeit. Unsere Jobs machen uns Spaß und geben uns auch in beruflicher Sicht eine Erfüllung. Als wir wußten, dass wir Eltern werden, haben wir uns ganz bewußt dafür entschieden, unsere Berufe zu behalten und alle Lasten und Freuden auf zwei Paar Schultern zu verteilen. Uns geht es sehr gut mit dieser Lebenseinstellung und wir unterstützen andere gern dabei , den eigenen Alltag auch so zu gestelten. Fast vier Jahre nach der Geburt unseres Sohnes haben wir einen Familienalltag geschaffen, der uns sowohl Familie als auch Beruf ermöglicht.
Von Vereinbarkeit wollen wir eigentlich gar nicht sprechen, das hat so einen Touch von wegorganisieren oder abarbeiten – obwohl es genau das manchmal natürlich ist.
Jedenfalls klappt es ganz gut und Junior macht nicht den Eindruck, als würde ihm etwas fehlen. Im Gegenteil, er ist ein fröhliches Kind und entwickelt sich super. Es klappt also eigentlich ganz gut – EIGENTLICH, denn manchmal müssen wir auf Dienstreise gehen. Das bedeutet, dass einer von uns dann nicht aktiv am Familienalltag teilnehmen kann und der andere seinen Job und den Familienalltag allein meistern muss.
Ich schreibe diese Zeilen gerade in einem großen, anonymen Tagungshotel am Rande von Frankfurt. Seit gestern bin ich hier und habe das obligatorische schlechte Gewissen, das unterbewusst ständig da ist. Als Vater möchte ich für meine Familie da sein, Zeit für meinen Sohn und meine Frau haben und meinen Beitrag zur Erledigung der täglichen Hausarbeiten leisten. Aus der Ferne ist das schwer – aber nicht unmöglich!
Für mich ist es am Wichtigsten, mit der Familie in Kontakt zu sein und zu wissen, dass es allen gut geht. Also muß die Kommunikation stehen. Auf einer Dienstreise falle ich zwangsläufig aus dem Familienrythmus raus. Ich unterliege Tagungsprogrammen, Gesprächsterminen oder Flugzeiten. Also muß eine zeitversetzte Kommunikation möglich sein. Meine Frau und ich haben dafür Rituale entwickelt, die es der Familie ermöglichen, an der Dienstreise teilzunehmen.
Wir machen kurze Videos vom Flugzeug oder der Bahn und zeigen ausführlich, wie unser Hotelzimmer aussieht. Per Kamera zeigen wir so, wie wir die Zeit in der Ferne verbringen und helfen unserem Sohn, unser Kurzzeittzuhause kennenzulernen und zu wissen, wie Mama oder Papa gerade untergebracht sind. So ein Video können wir jederzeit aufzeichnen und sind nicht an feste Zeiten gebunden. Im Gegenzug gibt es von der Familie zu Hause auch ein Video und beide Seiten wissen, dass es allen gut geht.
Ich weiß also, dass zu Hause alles in Ordnung ist. Wie kann ich aber auch aus der Ferne meinen Teil der Hausarbeit erledigen? Natürlich kann ich nicht mal eben eine Waschmaschine anschmeißen oder das Abendessen vorbereiten. Aber mal ehrlich, viele Sachen lassen sich von überall erledigen und die Zeit dafür ist auch auf Dienstreisen da. Wir nutzen zum Beispiel für den Wocheneinkauf einen Lieferdienst. Ich kann also problemlos während der Fahrt den Speiseplan für die kommende Woche überlegen und in einer Pause im Hotelzimmer den Einkauf für die nächste Woche machen – Anlieferung ist dann am Tag nach meiner Rückkehr. Überhaupt lassen sich viele Sachen von unterwegs erledigen. Meine Frau kann ganze Familienfeiern inklusive aller Geschenke organisieren. Ebenso lassen sich Arzt- und Behördentermine, Handwerkereinsätze und sogar Urlaube planen. Geht mal durch euren Alltag, ihr werdet staunen, was man alles ortsunabhängig erledigen kann.
Dienstreisen sind anstrengend, dass ist keine Frage. Man unterliegt einem fremdbestimmten Rhythmus und Pausen sind knapp. Nichts desto trotz gibt es Leerlauf-, Reise- und Pausenzeiten, die im Sinne der Familie genutzt werden können. Hat man dabei erstmal eine gewisse Routine entwickelt, bleibt immer noch genug Zeit um sich auszuruhen und die Akkus zu laden. Denkt dabei immer dran, dass der Partner zu Hause gerade auch keinen Urlaub hat und sich durch einen ungewohnten Rhythmus hangeln muss. Die ganze Familie unterliegt quasi einem Alltagsjetlag.
Abschließend bleibt noch das obligatorische Mitbringsel. Das obliegt natürlich jedem selbst. Wir halten es so, dass es nach einer Dienstreise ein kleines Geschenk gibt. Etwas zum Bauen, zum Lesen oder zum Zuhören – eine Kleinigkeit reicht völlig, ist aber ein direktes Versprechen auf eine gemeinsame und ganz exklusive Zeit mit dem Elternteil, das weg war. So wird dann im Nachgang der Reise gemeinsam gebastelt oder gelesen und beide Seiten genießen diese Zeit ungemein.
Wir versuchen die Häufigkeit von Dienstreisen so gering wie möglich zu halten, können im Falle einer Reise aber guten Gewissens auf unsere erprobten Abläufe und Rituale zurückgreifen und so den Familienalltag aufrechterhalten und das ist doch die wahre Vereinbarkeit von Familie und Beruf .