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Abgelehnt, weil ich schwanger werden könnte – dagegen klage ich nun

Arzthelferinnen begegnet Diskriminierung vom Bewerbungsgespräch bis zum Arbeitsalltag immer wieder. Unserer Community-Autorin reicht es. Deshalb verklagt sie nun einen potenziellen Arbeitgeber.

Sexismus war als Zahnarzthelferin allgegenwärtig

Als ich im August 2018 leider keinen so sehr erhofften Studienplatz bekommen hatte, war ich gezwungen wieder in meinem alten Beruf als Zahnarzthelferin
zu arbeiten. Ich schreibe bewusst „gezwungen“, da ich eigentlich
nie mehr in diesem Beruf arbeiten wollte. Und das hing damit zusammen, dass ich in diesem Beruf jahrelang Erfahrungen mit Diskriminierung gemacht habe.

Ein Rückblick: 2013 schloss ich meinen Ausbildung ab. Da in meiner Ausbildungspraxis Streit unter Kolleg*innen und Überstunden an der Tagesordnung waren beschloss ich mich, trotz der Aussicht auf eine Übernahme, nach einem neuen Betrieb umzusehen. Ich, damals 22 und noch frohen Mutes, bewarb mich in jeder Zahnarztpraxis im Umkreis, die jemanden suchten.

Das ich kein großes Einkommen zu erwarten hatte, wurde mir bereits
in der Berufsschule beigebracht: „Eure Ausbildung ist für
Schüler mit Hauptschulabschluss vorgesehen“, und
„Wahrscheinlich werdet ihr nicht ohne einen Partner/Ehemann von
eurem Gehalt leben können“, waren nur zwei von vielen
Weisheiten meiner Lehrer*innen. Ebenso wie der Ratschlag: „Setzt euer
Gehalt nach der Ausbildung erst einmal etwas niedriger an und
arbeitet euch dann hoch, sonst bekommt ihr als Berufsanfänger*in
keine Stelle“.

Die Diskriminierung fing im Bewerbungsgespräch an

Da mir damals Spaß an meiner Arbeit wichtiger war als das Einkommen und ich meinen Lehrer*innen vertraute, nahm ich mir den Ratschlag zu Herzen. Es folgten ca. zehn Bewerbungsgespräche, die mich bis heute geprägt haben. Als
mich die verschiedenen Praxisbesitzer*innen nach meinen Gehaltsvorstellungen fragten, blieb ich brav und setzte mein Gehalt 200 Euro unter dem üblichen Tarif an. Um so erschreckender, dass mich viele immer noch weiter runter handeln wollten. Einige versuchten mich sogar mit gezielten Fachfragen, die nichts mit meinem Aufgabenbereich zu tun hatten, zu verunsichern, um den Grund für eine dermaßen schlechte Bezahlung zu rechtfertigen.

Damals blieb ich stets höflich und sah die Schuld bei mir. Ich dachte (obwohl ich
Klassenbeste war), ich hätte nicht genug gelernt und kaufte mir jede
Menge teurer Fachbücher, um mir mehr Wissen anzueignen.

„Festanstellung? Mach doch erst mal ein unbezahltes Praktikum”

Ich arbeitete dann auch einen Tag bei einem dieser Zahnärzte zur Probe. Am Ende des Tages sagte dieser mir, wie zufrieden er mit mir sei und morgen
früh soll ich direkt einen Arbeitsvertrag mit ihm abschließen. Ich war sehr froh etwas gefunden zu haben und die schreckliche Bewerbungsphase hinter mir lassen zu können. Am nächsten Tag fuhr ich super stolz zu der Praxis und ging ins Büro des Chefs. Er schaute mich lächelnd an und hielt mir einen Vertrag hin. Ich fiel aus allen Wolken als ich auf die vor mir legenden Blätter sah und „Praktikumsvertrag“ las. Aber auch in dieser Situation blieb ich
höflich und dachte vielleicht hätte ich mich nicht klar über meine
Wünsche und meine angestrebte Position in seiner Praxis geäußert. Ich sprach ihn darauf an. Er entgegnete mir, wenn er zufrieden mit mir sei, würde er
mich nach einem Monat (unbezahlten) Praktikums fest einstellen.

Ich war so geschockt, ich dachte wirklich für einige Sekunden darüber nach den Praktikumsvertrag zu unterschreiben. Dann setzte aber doch noch rechtzeitig mein Verstand ein. Ich sagte, ich müsse darüber nochmal nachdenken und würde mich bei Bedarf wieder bei ihm melden. Seine Mimik änderte sich auf der Stelle von freundlich zu eiskalt. Ich verabschiedete mich. Als ich mich umdrehte, um sein Büro zu verlassen, spürte ich wie die Blätter gegen meinen Rücken prallten und zu Boden fielen. Er hatte mir den Vertrag hinterhergeworfen, mit dem Kommentar: „Dummes Weib, das ist bei Berufsanfängern normal“.

Ich drehte mich nicht um und ging einfach schnell weiter, da ich
merkte wie mir der Atem stockte und mir Tränen in die Augen
schossen. Ich schaffte es noch der Dame an der Anmeldung zu sagen,
sie sollen sich nicht mehr bei mir melden und rannte aus der Praxis. Draußen brach ich vor lauter Anspannung und Emotion fast zusammen. Das war der Tiefpunkt meiner damaligen Arbeitssuche. Danach verlangte ich bei jedem Vorstellungsgespräch immer ein anständiges Gehalt, um direkt zu testen, welcher*welche Arbeitgeber*in seine*ihre Angestellten ordentlich
behandelt.

Nach einer Kündigung und meinem Fachabitur gehe ich nun zurück in den Beruf

Zum Glück fand ich wenig später auch einen Betrieb mit einem super Chef, der mich zumindest für damalige Verhältnisse fair bezahlte. Dort blieb ich
zwei Jahre lang. Leider gab es auch dort wieder Streit unter den
Kolleginnen und ich sah keinen Ausweg außer nochmal ganz neu
durchzustarten. Ich kündigte kurzerhand und entschloss mein Abitur
auf dem zweiten Bildungsweg nachzuholen um selbst Zahnmedizin zu studieren.
Immer mit meinem Ziel vor Augen wurde ich auch hier Klassenbeste und
beendete dieses Jahr die Schule mit einem Durchschnitt von 1,7. Leider reichte dieser nicht um direkt zum Studium zugelassen zu werden. Ich stehe auf der Warteliste.

Um dieses Wartezeit zu überbrücken, gehe ich also zurück in meinen Beruf. Alles auf Anfang. Als das klar war, fing ich an mich nach Arbeitsplätzen zu erkundigen. Doch eine Sache ist jetzt anders: Meine bisherigen Erlebnisse haben mich selbstbewusster gemacht. Mit 27 kann ich mittlerweile sagen: Ich weiß nun wer ich bin, was ich kann und was ich will. Das ist extrem wichtig, denn auch wenn fünf Jahre seit meinen letzten Bewerbungsgesprächen vergangen sind, sind viele Zahnärzte immer noch riesen Ars…ähm, nicht nett …

Das realisierte ich prompt, als ich Absagen mit den abenteuerlichsten Begründungen zugeschickt bekam. Absagen gehören dazu, klar, aber die Hälfte meiner (teuren) Bewerbungsunterlagen bekam ich nicht einmal zurück. Wirklich ärgerlich.

Der Sexismus ist immer noch präsent

Doch dann ein vielversprechendes Vorstellungsgespräch. Die Praxis war sehr modern, die Kolleginnen sehr nett und auch die Chef*innen (Gemeinschaftspraxis) sehr offen und freundlich. Wir einigten uns sogar ohne Diskussionen auf ein gutes Gehalt. Sie suchten mehrere neue Arbeitskräfte, da zwei ihrer „Mädels“ schwanger geworden sind. Das ist nichts ungewöhnliches in meinem Beruf, den überwiegend Frauen ausüben. Ich hatte ein durchweg gutes Gefühl.

Anschließend arbeitet ich auch dort einen Tag zur Probe. Dieser Tag bestärkte mir nur nochmal mein positiven Eindruck. Am Ende dieses Tages verabschiedeten wir uns alle sehr freundlich, die Ärzt*innen würden sich in der kommenden Woche bei mir melden. Ich hätte wirklich alles was ich besitze darauf verwettet, dass sie mich kurze Zeit später anrufen würden, um mir die Stelle anzubieten.

Naja, zum Glück habe ich nicht gewettet. Als ich auch sechs Tage später noch keinen Rückruf bekommen hatte, hatte ich innerlich schon mit der Sache abgeschlossen. Dann klingelte mein Handy – kein Anruf, sondern eine SMS. Ich war auf alles gefasst, aber was ich dann las lag wirklich außerhalb meines Vorstellungsbereiches:

„Sehr geehrte Frau B., vielen Dank für das Probearbeiten. Sie haben einen positiven Eindruck hinterlassen; allerdings ist unsere Befürchtung, dass Sie eher als uns lieb wäre, auch schwanger werden werden könnten. (…) Dies ist das Einzige, was aus meiner Sicht gegen ihre Einstellung spricht. Lieben Gruß D.“ (Original Zitat der SMS)

Eine Frau ab Mitte 20 könnte ja jederzeit schwanger werden …

Was für ein Schlag. Und da war ich wieder das 22 Jahre junge, unsichere, verletzbare Mädchen. Ich fing auf der Stelle an zu weinen. Ich war natürlich traurig, dass ich die Stelle nicht bekam, aber mehr noch wütend auf mich selbst, dass ich eine Frau von 27 Jahren bin und eben theoretisch Kinder kriegen kann. Ich war in dem Moment alleine zuhause und rief meinen Vater und meinen Freund an. Ich wollte mit jemandem sprechen, der mich beruhigt und mir Kraft und Rückhalt gibt. Das konnte mir leider keiner geben.

„Das ist aber nicht nett, ruf ihn an und frage was das soll“, war ein nett gemeinter Ratschlag meines Freundes, aber leider wenig hilfreich. Als ich meinem Vater aufgebracht und unter Tränen schilderte, wie verletzt ich über die Nachricht bin, sagte er: „Stell dich nicht so an, du tust so, als ob du vergewaltigt worden wärst“. Eine absolut katastrophale Antwort, die mich nur noch wütender machte. Alleine meine Mutter gab mir Rückhalt und den Rat: „Lass dir nix gefallen!“ Das baute mich wieder ein wenig auf.

Endlich wusste ich, was es war: Diskriminierung

Nachdem meine Tränen getrocknet waren, fing ich an zu überlegen. Langsam bekam ich klare Gedanken. Was kann ich dafür, dass ich eine Frau bin? Was kann ich dafür, dass ich Kinder bekommen kann? Wie kann man einfach davon ausgehen, dass ich Kinder bekommen will? Hätte ich diese Nachricht bekommen, wenn ich ein Mann wäre? Hätte ich viele der beschriebenen Erfahrungen machen müssen, wenn ich ein Mann wäre?

Alle diese Fragen kreisten den ganzen Tag um mich herum. Bis ich auf das Wort DISKRIMINIERUNG kam. Es dauerte, aber danach war die Kämpferin in mir entfesselt. Ich wollte nicht mehr leise bleiben. Obwohl mir alle Personen in meinem Umkreis davon abrieten, setzte ich mich mit verschiedenen Anwält*innen in Verbindung. Ohne, dass ich wusste auf was ich evtl. klagen kann, musste ich mich irgendwie dagegen zur Wehr setzten.

Und deshalb klage ich jetzt

Und tatsächlich habe ich einen Anwalt gefunden, dem es neben Aussicht auf Verdienst, auch eine Herzensangelegenheit ist mir zu helfen. Es war mir sehr wichtig von einem*einer Anwalt*Anwältin vertreten zu werden, der*die in dieser Sache wirklich zu 100 Prozent auf meiner Seite steht. Dass das nicht selbstverständlich ist, musste ich in dieser Zeit auch lernen.

Nun klagen wir auf Schadensersatz wegen Diskriminierung. In Deutschland gibt es nämlich das Gleichstellungsgesetz. Das ist immerhin eine kleine Genugtuung für mich. Versteht mich bitte nicht falsch, es geht nicht um gekränkte Eitelkeit, weil ich eine Absage bekommen habe. Ich kann es halt nicht jedem recht machen und das gehört auch zum Leben dazu. Ich möchte auch nicht schnell das große Geld durch die Schadensersatzklage machen. (Dass ich Geld bekommen könnte, war mir ja zu Anfang gar nicht bewusst). Es geht vielmehr darum, dass Frauen im Jahr 2018 immer noch nicht mal ansatzweise den Männern gleichgestellt sind. Obwohl es gesetzlich geregelt ist, dass alle Menschen gleich behandelt werden sollen, halten sich so viele offensichtlich einfach nicht daran und schlimmer noch, dieses absolut unangebrachte Verhalten wird von der übrigen Gesellschaft einfach toleriert und als „nicht so schlimm“ empfunden. Wer dagegen angeht und sich wehrt ist ein*e Querulant*in und wird verstoßen. Ich möchte gerne dafür kämpfen, dass sich niemand so fühlen muss wie ich in dem Moment als ich diese SMS las.

Wie müssen uns wehren, wenn wir können!

Damit sich etwas ändert, muss einfach ein grundsätzliches Umdenken in unserer Gesellschaft stattfinden! In meiner Geschichte beginnt die Herabsetzung des weiblichen Geschlechts bei den Lehrer*inenn, geht über ausbeuterische und unverschämte Arbeitgeber*inenn bis hin zu verständnis- und machtlosen Mitmenschen. So kann Frau sich in bestimmten Situationen natürlich schnell wertlos und schwach fühlen. Es gibt selbstverständlich noch andere Faktoren, die unser Selbstbewusstsein tagtäglich beeinflussen und ich habe hier nur exemplarisch meinen Berufsweg dargestellt. Ich möchte allen Frauen mit meiner Geschichte Mut machen sich zu wehren. (Ja, ihr dürft das!) Selbst wenn alle Personen im Umfeld gegen einen zu sein scheinen, kann euer Weg trotzdem der richtige sein. Wir können nicht damit rechnen, dass jemand den Platz für uns frei räumt. Wir müssen unser Schicksal und Recht selbst(-bewusst) in die Hand nehmen. Auch wenn das meistens mit Komplikationen oder Konflikten verbunden ist.

Zu guter Letzt habe ich nun einen neuen Arbeitsplatz gefunden mit einem sehr freundlichen Arbeitgeber in einer Praxis, in der ich mich wirklich rundum wohl fühle. Also habt keine Angst, lasst euch nix gefallen, ich habe es geschafft meinen Weg zu gehen und ihr könnt das auch!

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