Foto: unsplash – Anh Phan

Was zur Hölle ist eine echte Frau?

Es ist kompliziert, eine Frau zu sein. Wer aktuell das Glück hat, besonders „echt“ zu wirken, gilt als Role Model, darf für Kosmetik werben und Magazin-Cover zieren. Aber was bitte schön ist eine echte Frau?

 

Sei wie ein Mädchen, aber bitte nicht zu sehr

Seitdem ich eine Tochter habe,
stelle ich mir umso mehr die Frage, was ich dazu beitragen kann, dass kleine
Menschen und insbesondere Mädchen das natürliche Selbstbewusstsein behalten,
mit dem sie auf die Welt kommen und ihrer Umwelt begegnen. Sie haben noch keinen
Knacks im Selbstbewusstsein, sie lernen ja erst, sich selbst und alles um sie
herum bewusst wahrzunehmen. Mein Baby weiß nicht einmal, dass die Welt um sie
herum sie als Mädchen betrachtet und dieses Label ihr Leben prägen wird, auch
wenn sich neulich erst wieder eine Passantin danach erkundigte „was es denn
sei“, sie könne das ja gar nicht erkennen. 

Ich kann meine eigenen
Unsicherheiten heute wenigstens zum Teil erklären, denn die Erwartungen an mein
Verhalten, egal ob als Mädchen oder als Frau, waren und sind vor allem von Widersprüchen
geprägt. Wenn ein Mädchen
wild im Wald herumtobte und Widerworte gab, wurde sie ermahnt, sie sei zu frech
für ein Mädchen, traute sie sich hingegen nicht, den Baum hinaufzuklettern oder
in die Brennnesseln zu fassen, sollte sie „nicht so ein Mädchen“ sein. Es gilt
noch immer als abfälliger Kommentar, jemandem zu sagen, er mache etwas „wie ein
Mädchen“ – unabhängig vom Geschlecht der beschimpften Person. 

Was
nehmen wir also aus den Erfahrungen mit? Ein Mädchen zu sein, ist nicht das
Beste, was dir passieren kann. Der logische nächste Schritt? Die Mädchen
beeilen sich ein wenig, mit der Kindheit fertig zu werden und ein wenig
schneller in das Leben als Erwachsene zu gelangen: als Frau. Dort angekommen, ist das, was als Mädchen meist gut funktionierte – nämlich nett und niedlich zu sein – auf einmal ein riesiger Nachteil. Schnell müssen die Frauen sich Dinge von den Männern abschauen, autoritär und extrovertiert werden, um nach ihren Regeln Karriere zu machen, dürfen dabei aber nicht „vermännlichen“, sonst bekommen sie keinen der Herren ab und wir sterben aus. (Sorry, aber zum einen können Frauen prima ohne Ehemann Kinder bekommen, zum anderen richtet sich unser Leben wirklich nur nachrangig daran aus, Männern zu gefallen.)

Um es abzukürzen:
das Leben als Frau ist noch ein wenig komplizierten und widersprüchlicher als
das eines Mädchens. Egal wie man sich verhält oder aussieht, richtig ist es nie. Klar, das Leben ist ein wenig einfacher, wenn man schlank ist, weiß ist,
hetero ist, cis ist, körperlich und seelisch gesund ist und aus wohlhabenden
Familien und industrialisierten Ländern stammt, aber im Prinzip sind wir alle
in einem Boot. Die neuen Idealbilder für Frauen wechseln so schnell wie
modische Trends und setzen damit neue Normen, denen wir, wenn wir ehrlich sind,
ebenfalls nur hinterher hetzen können und sie nur wenig dazu beitragen, dass wir
uns in unserer Haut wohler fühlen können. Mal eben kurvig, mal eben muskulös, mal eben fabelhaft geht eben nicht so einfach. Von den Idealbildern von Frauen, die
gerade modern sind, profitieren daher immer nur einzelne Gruppen, die dieser neuen
Norm zufällig nah sind.

Echte Frauen haben Kurven?

Genau so steht es auch um das Label
„echte Frauen“, an dem besonders Markenkommunikation so großen Gefallen
gefunden hat, seien es Kosmetikhersteller, die mit „echten Frauen“ werben oder
Medienmarken, die „echte Frauen“ auf ihre Titelbilder hieven. Aber was zur
Hölle soll das sein – eine echte Frau?

Aktuell wird das Label im Prinzip
als Metapher für „nicht dünn“ benutzt – und Frauen damit wiederum aufgrund
ihres Aussehens in eine Kategorie gepackt. Ist das wirklich ein Fortschritt?
Wenn „echt“ wieder nur als Abgrenzung gegenüber anderen Frauen verstanden wird,
ist es das falsche Label, um inklusiver zu werden. Denn jeder Frau, der wir die
„Echtheit“ absprechen, senden wir das Signal, sich ändern zu müssen.

Die Komödiantin Mindy Kaling wird
oft als Beispiel gebracht, wenn es um die so genannten „echten
Frauen“ geht und belegt werden soll, dass eine Frau ohne die Maße eines
Laufstegmodels und typische andere Hollywood-Attribute Erfolg haben kann.
Brillant wie sie ist, hat Kaling zum Glück durchschaut, dass es niemanden
weiterbringt, wenn „echte Frauen“ die neue Norm sein sollen, die Frauen
bitteschön anstreben sollen. Und so schreibt sie dazu in ihrem neuen Buch:

“I don’t want to be real! When I
think of things that are ‘real’, I think of income taxes and Putin’s invasion
of Ukraine. Real is bad! I want fantasy!”

Das ist genau die Botschaft, die ich
meiner Tochter mitgeben möchte: Was es bedeutet, eine Frau zu sein, liegt in
deiner Fantasie – und was du träumen kannst, kann anders sein als alles, was du
kennst und siehst. Und selbst wenn du dich einmal nicht daran erinnern kannst, was in deinem Kopf in der Nacht passierte – so wie du aufwachst, bist du immer richtig.

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