Ein einmaliges Experiment in Europa: Die neu gewählte Koalition in Finnland will ein Grundeinkommen einführen.
Weniger Bürokratie wagen
Eine Regierung, die ein Experiment wagt? In Finnland ist es nun soweit. Die neue Regierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, ein bedeutendes soziales Experiment zu wagen: Allen Bürgerinnen und Bürgern soll ein Grundeinkommen ausgezahlt werden. Es soll weder an das Alter noch an das Einkommen der Menschen in Finnland geknüpft sein. Damit soll vor allem Bürokratie abgebaut und der Sozialstaat effizienter werden: Statt vieler einzelner Leistungen, wie dem Kindergeld oder Wohngeld, soll es eine Leistung geben. Die Finnen unterstützen diese Idee: Knapp 80 Prozent der Bürger sprachen sich in Umfragen dafür aus.
Genau Pläne sind im Koalitionsvertrag nicht geregelt, zum Beginn des Projektes ist aktuell noch nichts bekannt. Auch die Höhe der Geldleistung steht noch zur Diskussion. Die Vorschläge verschiedener Parteien schwanken zwischen 400 und 1.000 Euro. Die größte Regierungspartei des skandinavischen Landes, die Zentrumspartei, und der neue Premierminister Juha Sipilä unterstützen die Idee schon länger. Die weiteren Regierungspartner, die rechtspopulistischen „Die Finnen“ und die konservative Nationale Koalition haben sich öffentlich noch nicht zum Thema geäußert. So gut das Vorhaben zunächst klingt, ist jedoch deutliche Skepsis angebracht, da die neue Regierung auch angekündigt hat, dass „schmerzvolle“ Maßnahmen ergriffen werden müssen, um das Land zu konsolidieren – mutmaßlich auch auf dem Rücken des Wohlfahrtstaates. Widersprüchliche Signale also.
Wie wirkt ein Grundeinkommen?
Es ist dennoch das erste Mal, dass ein europäisches Land ein groß angelegtes Experiment wagt. In Deutschland gibt es gerade die Miniaturausgabe „Mein Grundeinkommen“, das als Crowdfunding-Projekt aufgezogen ist. Jedes Mal, wenn 12.000 Euro zusammengekommen sind, wird ein Grundeinkommen à 1.000 Euro für zwölf Monate verlost.
Zuletzt gab es Pilotprojekte vor allem in ärmeren Ländern, darunter Indien, wo 2011 die Vereinigung selbständig tätiger Frauen (SEWA) ein von UNICEF unterstütztes Projekt durchführte. Über einen Zeitraum von zwölf Monaten wurde in acht Dörfern alle Erwachsenen mit einer bedingungslosen Zahlung von 200 Rupien versorgt, alle Kinder erhielten davon die Hälfte. Die Auswertung des Projektes zeigte vor allem Erfolge bei der gesundheitlichen Versorgung und beim Zugang zu Bildung.
Die Auswirkungen eines Grundeinkommens in einem hoch entwickelten Land dürfen in anderen Bereichen vermutet werden. Wir finden: Es ist höchste Zeit, diese Idee zu testen und ihre Wirkungen zu erforschen.
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