Foto: Dorothee Elfring

Das ist der erwachsene Weg, Nein zu sagen

Wir sollten uns nicht länger den Kopf darüber zerbrechen, warum man Nein zu etwas sagt. Denn es gibt häufig einen ganz einfachen Grund.

 

Du musst nichts!

Kürzlich war mal wieder Yoga – 90 Minuten bei der wunderbaren Ina hier bei mir in Gauting, nach sieben Wochen Sommerferien waren wir alle ganz schön eingerostet. Seit vielen Jahren bin ich sehr begeistert vom Yoga bei Ina – nicht esoterisch, mit guter Stimmung und viel Wissen. Jetzt fühle ich mich deutlich aufrechter, beweglicher und gestreckter. Gut so! Auch wenn ich – wieder mal, wie geradezu immer – keinen Kopf- und keinen Schulterstand gemacht habe.

Warum nicht? Ein Kind würde jetzt sicher antworten „Na, darum nicht!“. Gefällt mir ziemlich gut, diese Antwort.

Meine „erwachsene“ Variante lautet: Weil ich nicht mag.

Peng! Na sowas. Also wirklich, wo doch jeder weiß, wie wertvoll Kopf- und Schulterstand im Yoga sind: Umkehrhaltungen generell steigern die Sauerstoffzufuhr, stimulieren die Schilddrüse und kommen der Atmung zugute. Und überhaupt:

Was man im Yoga nicht mag, das kann man auch nicht richtig, weil man nicht übt und gerade deshalb sind diese Übungen so wichtig. Echt, jetzt!

Ina hat das ungefähr ein Jahr lang immer wieder betont, beteuert und wiederholt. Sie würde auch Hilfestellung geben und überhaupt.

Nein. Nein! Ich mag einfach nicht. Punkt. Ohne tiefenpsychologische Gründe, ohne Trauma oder Angst … ich mag einfach nicht. Inzwischen ist Inas Standardsatz dann immer: „Alle machen Kopf-oder Schulterstand – die, die nicht mögen, machen das, was Bettina macht.“

Na bitte – geht doch!

Wo diese Haltung auch funktioniert?

Ich hab mir vor einem Monat ein Tablet zugelegt. Großartig, das Teil! Ich nutze und genieße es sehr. Es fährt superschnell hoch, ist  handlich und lädt zum Surfen auf der Couch ein, passt in die Handtasche  für die Präsentation beim Kunden. „Ach echt jetzt?“, wirst Du jetzt vielleicht schmunzeln, „Ist ja gaaaanz was Neues, Tablets gibt’s doch schon ewig.“

Stimmt. Und doch hab ich erst jetzt eines. Weil ich nämlich nicht jeden Techniktrend sofort mitmache. Ach, weisst Du– eigentlich bin ich ja noch viel schlimmer. Achtung – jetzt folgt das große Outing! Viele waren deshalb schon wirklich betroffen und fassungslos, viele fragen mich, wie man überhaupt so existieren könne und noch dazu erfolgreich im Businessleben bestehen kann! Bist du bereit? Halte dich fest: Isch ‘abe gar kein Smartphone! Sondern nur ein Nokia Handy.

Na? Vom Stuhl gefallen? Schnappatmung oder Lachflash bekommen? Oder zumindest heftig mit dem Kopf geschüttelt? Tjahaa, ich trau mich was, oder? Mein Handy reicht mir. Ich mag nur telefonieren und smsen. That’s it.

Ich vermisse nichts, ich komme vorwärts und bin oft genug online, um meinen Kunden schnelle Antwort zu geben. Ich frage in fremden Städten nach dem Weg, ruf mein Taxi mit dem Telefon und schau in der S-Bahn aus dem Fenster oder ins Buch – ich brauche kein Smartphone.

Drittes Beispiel: Gerade hab ich in einer Frauenzeitschrift (wieder einmal) gelesen, dass sich die Frau ab 50 doch besser die Haare tönen oder färben solle, weil

„grau, weiß und silbern im Haar macht unnötig älter und steckt Sie vielleicht in eine ganz falsche Schublade.“

Hmm, in welche Schublade? In die der 50+ Frauen? Ja Gott, da pass ich doch perfekt rein mit meinen 51 Jahren.

Ich liebe meine silbernen Strähnen im Blond, ich werde sogar darauf angesprochen, wie raffiniert ich mir die wohl habe reinfärben lassen und meine Haare sind viel gesünder und lebendiger, seit ich nicht mehr färbe. Und sie machen mich auch nicht „unnötig älter“, weil ich mit Make-up und Farbe in der Kleidung schon dagegen zu steuern weiß. 

Es wird langsam klar, worauf ich hinaus will, nicht wahr?

Vieles mach ich mit, weil ich es klasse finde. Ich liebe Twitter, trage gerne Kleider im Bohemien-Style, mag Pulled Pork, lese den Business Punk und finde das Trendgetränk Ingwer-Shot lecker. Ich bin also modern.

Und ich liebe solch seltene Werte wie Demut oder Achtsamkeit, mag mein Festnetz-Telefon, schreibe schrecklich gerne noch mit der Hand, bin mit meinem Musikgeschmack weitestgehend in den 70ern und 80ern hängengeblieben, esse immer noch gerne wie als Kind Vanilleeis mit heißer Schokoladensauce, finde Justin Bieber doof und viele Blockbuster von heute langweilig. Ich bin also altmodisch.

Ich bin halt Bettina. 51 Jahre. Mensch mit Vorlieben und Abneigungen. Frau, die Sachen genial findet und andere dämlich. Und wenn mir mal wieder jemand sagt, ich müsse doch endlich mit der Zeit gehen und mir so ein gottverdammtes Smartphone anschaffen, dann sag ich: Einen Scheiss muss ich!

Bild: Silvia Sala – Flickr – CC BY-NC-ND 2.0

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