Foto: Blond and Bieber / Lukas Olfe

Essi und Rasa: Handwerkerinnen der Zukunft

Das Designstudio „Blond and Bieber“ setzt auf Handarbeit pur. Ein Gespräch über die Ästhetik der Alge, die Zukunft des Handwerks und den Wert von Design.

 

Mit Algen drucken?

Die Designerinnen Rasa Weber und Essi Johanna Glomb vom Designstudio „Blond and Bieber“ haben eine Schwäche für spezielle Materialien. In Ihrem Projekt „Algaemy“ haben sie ein neues Verfahren dafür entwickelt, Textilien und Leder zu bedrucken. In dieser Handarbeitstechnik arbeiten Rasa und Essi mit Algen. Das Besondere am Druckstoff? Er verändert sich im Sonnenlicht: aus zartrosa wird orange, aus grün wird blau. Mit ihrem eigenwilligen Konzept machten die Gestalterinnen Firmen und Institutionen aus unterschiedlichsten Branchen auf sich aufmerksam: Zu ihren Kooperationspartnern gehören unter anderem das Bundesministerium für Bildung und Forschung, aber auch der Schuhhersteller Trippen.

Rasa, Essi, ihr habt noch während eures Studiums an der Kunsthochschule Weißensee das Designstudio „Blond and Bieber“ gegründet. Wie kam es dazu?

Rasa: „Wir kennen uns aus dem Studium an und sind über eine Projektarbeit zusammengewachsen. Es war gar nicht so, dass wir von Anfang an ein Studio gründen wollten. Die Idee ist vielmehr aus unserer Arbeit heraus entstanden und weil das Feedback so gut war.“

Essi: „Rasa ist Produktdesignerin, ich bin Textildesignerin. Das ist eine tolle Kombination. Wir harmonisieren im Denken sehr, sodass wir über das reine Produkt- und Textildesign hinauswachsen können. Und die Zusammenarbeit macht uns einfach viel Spaß.“

War das damals schon das Algen-Projekt?

Essi: „Die Idee ist dort entstanden, hat sich aber sehr schnell verselbstständigt. Wir haben sie dann aus der Hochschule herausgenommen und unser eigenes Studio aufgemacht. Jetzt machen wir unabhängig weiter.“

Und das Studium habt ihr inzwischen abgeschlossen?

Essi: „Wir sind dabei.“

Rasa: „Es eine kleine Herausforderung, weil wir tatsächlich noch nicht fertig sind, gleichzeitig gibt uns die Hochschule auch Rückhalt und Raum für Experimente. Trotzdem ist es uns ganz wichtig, als Studio wahrgenommen zu werden und nicht als Studenten.“

Essi: „Das macht sich auch an unserer Arbeitsweise bemerkbar: Es geht bei uns gar nicht in erster Linie darum, ein Produkt möglichst schnell auf den Markt zu bringen, sondern experimentell, fast schon forschend, an das Design heranzugehen.“

Rasa: „Das wirkt sich wiederum auf die Kunden aus, die auf uns zugehen. Es ist nicht das typische Designerpublikum, sondern reicht ziemlich weit. Wir haben Anfragen aus der Forschung und Entwicklung und werden da ziemlich stark wahrgenommen, aber auch aus dem klassischen Design, aus der Mode und auch aus der Kunst. Für uns ist es ziemlich spannend, alles auszuprobieren. Ich glaube, das es ein neuer Zugang zum Design ist, nicht nur an Designprodukte zu denken, sondern Design als Mittel der Recherche und der Materialinnovation zu betrachten.“

Apropos Material: Wie seid ihr eigentlich auf die Alge gekommen?

Rasa: „Ganz intuitiv. Wir wollten mit einem Material arbeiten, in dem ein Potential steckt. An der Alge wird derzeit viel geforscht. Aus ihren Ölen versucht man Treibstoff zu gewinnen oder sie für Wasserstoffmotoren oder als Essen der Zukunft nutzbar zu machen. Auch ein paar kleine Designprojekte gibt es. Die haben aber immer eine sehr sterile, sehr laborhafte Ästhetik. Das wollten wir ändern. Warum muss denn alles so glatt aussehen wie ein Macbook? Unsere Idee war es, einen ästhetischen Zugang zu einer neuen Materialressource zu schaffen und dadurch Wärme hineinzubringen.“

Essi: „Der Schlüsselmoment war dann im Rahmen unserer Recherche im Fraunhofer Institut in Stuttgart, wo Algenforschung betrieben wird. Dort waren diese ganzen Algen in getrockneter Form. Als Gestalter sieht man diese ganzen Farben, diese unglaubliche Farbpalette. Für die Forscher ist alles grün, es sind alles Algen. Man selber sieht genau das Gleiche, aber ein ganz anderes Potential.“

Rasa: „Algen gelten per se als unästhetisch. Sie werden als Unkraut wahrgenommen, sind irgendwie eklig. Zumindest in unserem kulturellen Raum. Das wollten wir umdeuten. Viele, die unsere bedruckten Textilien sehen – die farbenfrohen, schönen Muster – können gar nicht glauben, dass es sich bei dem Druckstoff um Algen handelt.“

Kann man die Stoffe direkt bei euch kaufen?

Rasa: „Diese Frage wurde uns in der letzten Zeit sehr oft gestellt, aber wir können als Designer keine Produktion im Hinterzimmer aufmachen. Wir sind keine Druckerei. Klar, wir können die Produkte als Prototypen herstellen, aber im derzeitigen Entwicklungsstadium keinen großen Markt bedienen. Deswegen ist es für uns ganz essentiell über Hersteller in Produktionsprozesse einzusteigen. Was wir aber gemacht haben, um auf kleinere Anfragen eingehen zu können, sind limitierte Editionen. Das wird es bei den Schuhen geben, die wir in Zusammenarbeit mit Trippen entwickelt haben, das gab es bei den Textilien, die wir auf der DMY gezeigt haben.“

Könnt ihr von „Blond and Bieber“ momentan leben?

Rasa: „Als junges Studio ist man am Anfang sehr abhängig von Förderungen, die von Stiftungen kommen.“

Essi: „Wir haben eine gewisse Basis in unserem Rücken, durch die wir leben können und am Rest arbeiten wir.“

Rasa: „Ich glaube, dass sich momentan ganz grundsätzliche Fragen an den Wert von Design stellen. Das herkömmliche Modell ist: Man entwickelt ein Produkt, eine Firma findet es gut und launcht das Produkt auf dem Markt. Der Designprozess fängt aber nicht beim Produkt an, sondern schon viel früher. Der Designer sollte schon für eine Entwicklungsarbeit entlohnt werden. Das ist das, was wir leisten können. Wir haben bisher kein vollständiges Produkt auf den Markt gebracht, das hat uns auch bei Ausstellungen sehr von den anderen Ausstellern abgehoben. Bei uns steht der Prozess und die emotionale Geschichte im Vordergrund. In Deutschland liegt der Fokus noch sehr stark auf dem fertigen Objekt, bei uns geht es mehr um das Konzeptionelle. Der holländische Markt ist da schon weiter und versteht das viel besser.“

Wie wichtig ist euch der handwerkliche Aspekt eurer Arbeit?

Essi: „Diese handwerklichen Zitate haben das Potential, auf die Emotionen des Betrachters zuzugreifen und ihn nicht nur intellektuell oder visuell anzusprechen.“

Rasa: „Essi hat einen Begriff erfunden, der für uns sehr wichtig ist: Future Crafts. Das Handwerk, das als zurückgewandt, traditionell empfunden wird, übersetzen wir neu. Es geht nicht nur darum, Luxusprodukte zu entwickeln, die nur einen kleinen Markt ansprechen. Gerade findet insgesamt ein starkes Umdenken statt, weg von dem reinindustriellen Produkt. Die Leute haben ein Verlangen danach, eine andere Art von Haptik wiederzuentdecken. Ich glaube, dass gerade das interessant wird für den Markt.“

Wie stark muss man als Designer unternehmerisch denken?

Essi: „Wir lernen das immer mehr.“

Rasa: „Das kann man nicht aussparen. Es ist ein romantischer Gedanke, etwas in den Werkstätten zu entwickeln. Natürlich ist das Teil der Arbeit, aber es steckt auch viel Marketing dahinter, das man dann Learning by Doing entwickelt. Das kann man nicht am Reißbrett entwerfen, sondern geschieht in Interaktion mit den Zielgruppen, die auf uns zugehen, und durch Kooperationen. Wir sind Designer, keine Künstler. Man entwirft alles in Hinblick auf einen Markt, auf eine Produktion.“

Vimeo

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Algaemy-Textiles from Rasa Weber design and research on Vimeo.

Die Mode entstand in Kooperation mit der Modedesignerin Ylenia Gortana, die Schuhe in Kooperation mit dem deutschen Schuhhersteller Trippen.

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