Frauen fördern andere Frauen nicht und wollen gar nicht führen? Diese und weitere Vorurteile über Frauen im Beruf widerlegt eine neue Studie.
Das verbotetene Wort: Rabenmutter
Die „Rabenmutter” ist eines der Vorurteile, das Frauen in Deutschland kulturell Steine in den Weg ihrer Karriere legt. Solche Stereotype zu überkommen ist vielleicht schwieriger, als konkrete Maßnahmen für gleichberechtigte Berufslaufbahnen zu schaffen. Denn: Kitas erleichtern es für Familien, dass beide Elternteile arbeiten. Sowohl öffentliche als auch betriebliche Betreuungsplätze werden ausgebaut. Doch das ändert nichts daran, dass insbesondere Frauen, die nach der Geburt schnell wieder arbeiten gehen, sich Fragen zu ihrer Mutterliebe gefallen lassen müssen und ein schlechtes Gewissen mit sich herum tragen. Mehr Gleichberechtigung braucht also beides: Tatsächliche Lösungen und kulturellen Wandel.
Um Vorurteile zu überkommen, muss man sie als solche identifizieren und entschlüsseln. Denn oftmals werden Klischees als Alltagswissen interpretiert und anekdotisch gestützt. Es ist bequemer, auf eigenen Erfahrungen zu vertrauen und Geschichten aus dem Bekanntenkreis weiterzugeben, als sich auf wissenschaftliche Ergebnisse zu berufen.
Eine KPMG-Studie, die in diesem Jahr veröffentlicht wurde, hat einschlägige Mythen über geschlechterspezifische Unterschiede im Beruf widerlegt. Die Studie „Cracking the code“ sollte herausfinden, welche Dinge Frauen dabei unterstützen Karriere zu machen, und ob sich diese Dinge von den Bedürfnissen von Männern unterscheiden. In der Pressemitteilung zur Studie stellte KPMG UK klar: Die Forschungsarbeit will nicht das „Fixing women“-Narrativ und die verbreitete Forderung, sich einer männlich-dominierten Kultur anzupassen, unterstützen. Vielmehr will sie Unternehmen praktische Ideen zur Verfügung stellen, damit sie Daten, Führungsverhalten und Rechenschatz nutzen, um den Code der Geschlechterunterschiede endlich zu entschlüsseln. Die Studie listet ingesamt zehn Mythen über Frauen im Beruf auf, fünf davon stellen wir hier vor:
1) Frauen streben keine Führungspositionen an
Falsch. Der Wille von Frauen aufzusteigen, unterscheidet sich nicht von dem Ambitionen von Männern. Frauen definieren Erfolg jedoch breiter, daher sind ihre Karriereentscheidungen komplexer, was häufig als Zurückhaltung interpretiert wird. Der Aufstiegswunsch von Frauen entsteht zudem oft erst später. Findet man zu Beginn der beruflichen Laufbahn noch stärkere Unterschiede zwischen Frauen und Männern bei der Frage, ob sie führen wollen, unterscheiden sich die Antworten ab einem höheren Karrierelevel kaum noch. Für Organisationen empfielt es sich daher, ihre Definition von Ehrgeiz offener zu halten, in den Dialog mit Frauen zu treten, was ihnen in Führungspositionen wichtig ist und die Augen für potentielle Kandidatinnen über die verschiedenen Karrierestufen hinweg offen zu halten.
2) Kindererziehung hält Frauen davon ab, bis an die Spitze zu rücken
Falsch. Eine Familie zu gründen, wirkt sich insbesondere in den ersten Jahren auf das berufliche Weiterkommen von Frauen aus; Männer werden häufiger befördert. Über den Zeitverlauf wirkt sich Eltern zu sein aber nicht auf das Erreichen von hohen Positionen aus. Organisationen, die auch spätere Karrierephasen im Blick haben, sind erfolgreicher darin, weibliche Führungskräfte zu entwickeln.
Die Forscherinnen und Forscher der KPMG-Studie raten daher Managern, junge Frauen dazu zu ermutigen, ihre Karriere in einem größeren Kontext zu sehen, und sich von der Herausforderung kleine Kinder und den Beruf zu vereinbaren, nicht abschrecken zu lassen – von beidem. Unternehmen sollten zudem selbstkritisch Daten dazu erheben, wie sich Kinder auf den beruflichen Aufstieg von Frauen und Männern auswirken, um Umleichbehandlung zu identifizieren.
3) Frauen fehlen Führungsqualitäten
Falsch. Typische Führungsqualitäten sind bei Managerinnen und Managern nahezu gleich verteilt. Die Unterschiede sind subtil, aber auch komplementär: Wo Managerinnen besondere Stärken aufweisen, haben ihre Kollegen noch Defizite. Die Forscher der Studie fanden jedoch heraus, dass Qualitäten, die man häufiger bei Männern findet, überproportional gewichtet werden, wenn es um Beförderungen geht. Für Organisationen bedeutet das, ihre Kriterien für Führungspositionen zu evaluieren, um ein möglichst breites Spektrum von Fähigkeiten bewerten zu können.
4) Frauen fehlen die Netzwerke, die ihnen Türen öffnen
Falsch. Frauen nutzen Netzwerke anders. Karriereorientierte Frauen haben sehr wohl verstanden, berufliche Netzwerke in ihrem Sinne zu nutzen. Sie nutzen jedoch vor allem formale Netzwerke, während ihre Kollegen häufiger informelle Kontakte nutzen um aufzusteigen. Laut der KPMG-Studie profitieren sowohl Frauen als auch Männer am meisten in Netzwerken, die über die eigene Organisation hinaus gehen. Daher hier der Tipp der Forscher an Manager, die Nachwuchs fördern wollen: Öffnet eure Netzwerke – auch die informellen – für Frauen, damit sie Entwicklungsmöglichkeiten finden.
5) Frauen fördern andere Frauen nicht
Falsch. Die KPMG-Studie fand heraus, dass Frauen in Führungspositionen hart daran arbeiten, andere Frauen nachzuziehen, und sie zudem Motivator für jüngere Frauen sind, beruflich weiterkommen zu wollen. Zudem sind Männer als Vorbilder für Frauen genauso wichtig, wie andere Frauen. Was Frauen in höheren Positionen indes besser gelingt als ihren männlichen Kollegen, ist Netzwerke zu öffnen und talentierte Frauen zu erkennen, wenn sie zum Beispiel nur in Teilzeit arbeiten.
Die Forscher fordern aber sowohl Managerinnen als auch Manager dazu auf, ihre Nachwuchsarbeit zu intensivieren: Manche Frauen fürchten, es entstünde ein falscher Eindruck, wenn sie jüngere Frauen förderten. Männer hingegen fühlen sich für „Frauenförderung“ nicht immer verantwortlich. Wichtig ist jedoch: Alle Personen auf Führungslevel sind – ganz gleich ob Mann oder Frau – für Mentoring verantwortlich. Da persönliches Mentoring bei Frauen besonders gut funktioniert, ist es ein wichtiger Ansatz für Unternehmen, die ihr weibliches Talent gezielt fördern wollen.
„Die Karrierewege von Frauen haben oft einen anderen Rhythmus“, schreibt Helena Morrissey vom 30% Club, die die Studie mit in Auftrag gab, in ihrem Vorwort, „doch eine unterstützende und inklusive Organisationskultur, in denen das Führungspersonal sich für Wandel einsetzt, wird weibliches Talent erkennen und halten können.“ Weitere fünf Mythen über Frauen im Beruf, könnt ihr in der Studie nachlesen. Wer sie kennt, kann dabei helfen, sie aus der Welt zu schaffen.
Titelbild: Depositphotos.com
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