Wer übernimmt im Haushalt welche Aufgabe? Bei Paaren, wo der Mann noch an Mainzelmännchen glaubt, ist das eine einfache Sache.
Unsichtbare kleine Helfer
Es ist Sonntag. Wir sitzen am Frühstückstisch und trinken Kaffee. Draußen regnet es. Es ist November und die Blätter fallen von den Bäumen. Auch vor unserer Haustür.
„Man sollte mal draußen fegen“, sagt Heinrich „Also die Blätter, meine ich“.
Ich sehe ihn an, nicke.
„Ja“, sage ich. „Stimmt. Man müsste“, sage ich.
Wir schweigen wieder.
Nach einer Weile sagt Heinrich: „Ich glaube, man muss sogar. Wenn sich jemand vor unserer Haustür ein Bein bricht, weil er auf einem nassen Blatt ausgerutscht ist, sind wir schuld“.
„Oh“, sage ich während ich mein Ei köpfe. „Ja, dann muss man das in der Tat tun“.
So weit sind wir uns einig. Das einzige Problem an der Sache ist das „man“. Wen meint Heinrich eigentlich damit? Wenn er sich selbst gemeint hätte, hätte er „ich“ gesagt. Hat er aber nicht. Und wenn er mich gemeint hätte, hätte er „du“ gesagt. Hat er aber auch nicht.
Glaubt mein Mann insgeheim etwa an ein geheimnisvolles Wesen, das sich „man“ nennt und welches alles für ihn erledigt, unsichtbar, dienend und immer verfügbar? Etwa so wie die Mainzelmännchen, die in Köln nachts in die Häuser schlichen um dort die Arbeit ihrer Besitzer zu erledigen? Welch ein paradiesischer Zustand. Einem Zustand ohne Arbeit und ohne Verantwortung: nur unendliche Geborgenheit und ein ja fast schon kosmisches Aufgehobensein. „Ozeanisch“ nannte Freud dieses Gefühl – auch wenn er meinte, dass ein erwachsener Mensch dieses Gefühl zu überwinden habe.
Andererseits: Wer wünscht sich nicht eine Welt voller kleiner „mans“, die um einen herumwuseln, pausbäckig, mit roten Zipfelmützchen und immer mit einem fröhlichen Liedchen auf den Lippen, stets bereit uns jeden Wunsch von den Lippen abzulesen? Zumindest darf man ja wohl noch von so einem Leben träumen, oder nicht? Wer immerzu Wunschvorstellungen unterdrückt, sagte Freud, bekommt irgendwann Wahnvorstellungen in Form der sogenannten„Rückkehr des Verdrängten“.
Wetten, dass die Frauen vor der Zeit von Alice Schwarzer von diesem Phänomen gewusst haben? Warum sonst haben sie jahrhundertelang die Hausarbeit auf sich genommen? Natürlich nur, um ihre Männer in dem Glauben an die Mainzelmännchen und damit in dem ozeanischem Gefühl zu lassen, was sonst?
Haben wir Feministinnen einmal darüber nachgedacht, was es bedeutet, wenn wir uns zunehmend weigern, unsichtbare, dienende, allzeit verfügbare Mainzelmännchendienste zu leisten?
Ich sehe Heinrich an. Was, wenn ihn der Schock darüber, dass es kein „man“ gibt, bei ihm zu einer fixen Idee führt. Wahrscheinlich würde er demnächst anfangen, mit dem „man“ zu reden, ihn in die Arbeit mitzunehmen und mit ihm in Urlaub zu fahren. Ich sehe Heinrich an. Ein erfolgreicher, vernünftiger Mensch in der Blüte seines Lebens. Kann ich es verantworten in ihm eine Psychose auszulösen, nur weil ich heute morgen keine Lust habe, das Herbstlaub zu fegen?
Wie unendlich egoistisch von mir …
„Mach dir keine Sorgen“, sage ich. „Man wird das Laub morgen früh fegen“.
„Ach so.. ja…äh.. wunderbar“, sagt Heinrich beruhigt.
Na bitte, denke ich. Alles ist gut.
Titebild: depositphotos.com
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