Foto: readyforhillary.com

Yes, she can!

Hillary Clinton tritt zum zweiten Mal zum Rennen um das Weiße Haus an. Amerikanische Medien fragen sich: Welches wird ihr großes Kampagnenthema sein?

 

Brillant vernetzt und enorm erfahren

Es war nur eine Frage der Zeit: Mit einem Video hat Hillary Clinton ihre zweite Kandidatur für das Oval Office öffentlich gemacht. 2008 scheiterte Hillary Clinton im Vorwahlkampf an Barack Obama, und bekam viel Anerkennung dafür, dass sie damals nicht beleidgt den Rückzug antrat, sondern ihm vier Jahre als Außenministerin diente. Nicht wenige Kommenatoren sind der Meinung, dass die USA außenpolitisch besser dastünden, wenn damals Clinton das Rennen ums Weiße Haus gemacht hätte oder zumindest weitere vier Jahre im Außenministerium geblieben wäre – in den USA wird Obamas Strategie im Irak oder Syrien als zu zögerlich kritisiert, Clinton als eine Politikerin beschrieben, die weniger Probleme hat, eine harte Hand zu zeigen.

Obama jedenfalls hat erst vor kurzem gesagt, Hillary Clinton würde eine „exzellente Präsidentin” abgeben. Zuletzt stand Clinton heftig in der Kritik, weil sie als Ministerin Emails ausschließlich von ihrer privaten Emailadresse verschickt hatte – das passte ins Bild, das Kritiker vom Ehepaar Clinton haben: Selbstverliebt, selbstherrlich, intransparent. Kritiker bemängeln, es fehle Hillary am letzten guten Argument, warum sie die nächste Präsidentin werden sollte, außer dem Gefühl, sie sei jetzt einfach mal dran. Das kann man aber auch zu ihren Gunsten auslegen: Sie ist brillant vernetzt und hat in den letzten zwei Jahrzehnten enorme Erfahrungen gesammelt, als First Lady, Senatorin und Außenministerin. Sollte sie bald als Präsidentin zu den Krisenherden der Welt reisen, war zu lesen, dann gäbe es unter den beteiligten Staatschefs wahrscheinlich niemanden, mit dem sie nicht schonmal Tee getrunken hätte.

Bodenständig, herzlich, nahbar

Ihr Antrittsvideo deutet an, wie sich Hillary Clinton im Wahlkampf positionieren will: Als bodenständige, herzliche und nahbare Politikerin, die das Leben ganz normaler Amerikaner verbessern will – den Begriff „Mittelklasse“ wird sie vermeiden, er steht nicht mehr für materielle Sicherheit, die Rede ist nun von „everyday Americans“. Und das Video ist geradezu ein Musterbeispiel für diversity: Ein schwarzes Paar freut sich auf sein Baby, ein Latino-Gespann aus Vater und Sohn erzählt von seinen Business-Plänen, eine junge Frau mit asiatischen Wurzeln erzählt vom College, eine alleinerziehenden Mutter will für ihr Kind in einen besseren Schulbezirk zu ziehen, ein schwules Paar erzählt von der geplanten Hochzeit. Auffallend viele Frauen tauchen in dem Video auf, kein Wunder, als erste weibliche Kandidatin in der Geschichte der USA werden logischerweise Frauen eine enorm wichtige Wählergruppe für Clinton sein, sie sieht sich selbst als Feministin und hat das Thema Gleichberechtigung schon öfter als „the great unfinished business of the 21st century“ bezeichnet.

Und noch etwas wird essentiell sein für Hillarys Kampagne: Das Thema Menschlichkeit. 2008 wirkte sie gegen Barack Obama oft kühl, roboterhaft, noch heute wird ihr Video parodiert, mit dem sie damals 2007 ihre Präsidentschaftskandidatur verkündete, wie sie auf einer Couch saß und sagte, sie wolle ein Gespräch beginnen, „mit Ihnen, mit Amerika“: Damals war sie die einzige Person, die im Video vorkam. Jetzt geht sie in die Emotionsoffensive, in der Huffington Post veröffentliche sie ein Schusskapitel ihrer Biografie und schreibt ausführlich über die Geburt ihrer Enkelin. Hillary Clinton also als Granny der Nation mit Herz für hart arbeitende Amerikaner.

Was ihr helfen wird: ihr exzellentes Netzwerk, und ihr Kampagnenteam, das im Bereich Social Media neue Maßstäbe setzen wird. Ihr 35-jähriger Kampagnenmanager Robby Mook ist laut New York Times bekannt dafür, neue Technologien, Daten und Analysetools effektiv einzusetzen. Die New York Times schreibt, es sei nicht überraschend, dass Clinton sich dafür entschieden habe, ihre Kandidatur in einem Video bekanntzumachen, das auf Social Media-Kanälen verbreitet wurde. Seit sie das Außenministerium Anfang 2013 verlassen hat, habe sie mit Twitter einen ihr sehr willkommenen Ort gefunden, wo sie ihre Meinung in knappen Botschaften verbreiten und damit Pressekonferenzen kann. Und die New York Times fragt sich, was ihr „rationale“, quasi das Motto ihrer Präsidenschaft sein wird, und hält es für essentiell, in dieser Frage überzeugender zu sein als 2008, als ihr schlichtes Statement lautete: “I’m in. And I’m in to win”.

Auch “The Atlantic” fragt sich, was das Thema ihrer Kampagne sein wird und findet, trotz der Email-Affäre starte Clinton das Rennen ums Weiße Haus aus einer beneidenswerten Position: „Kein anderer Kandidat, ob Demokrat oder Republikaner, kann eine derartige Kombination aus Erfahrung, Bekanntheit, Fundraising-Potenzial und der historischen Möglichkeit, die erste weibliche Präsidentin der Vereinigten Srtaaten zu werden, vorweisen.

Das “New York Times Magazine” bringt schon seine Gründe, „warum Hillary Clinton 2016 wahrscheinlich gewinnen wird.”

Aber auch darauf wird natürlich ständig hingewiesen: 2008 sah es lange richtig gut aus – bevor Clinton am Ende von einem relativ unbekannten Senator aus Chicago überholt wurde, der der erste schwarze Präsident der Vereinigten Staaten werden sollte.

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