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Hört auf mit dem Bashing gegen Luisa Neubauer!

Die Initiatorin der Bewegung von Fridays for Future Luisa Neubauer erlebt seit einiger Zeit einen heftigen Gegenwind. In den Social Media Kanälen hat sich ein Shitstorm entwickelt und Luisa wird immer wieder für ihr eigenes Leben und ihr Tun kritisiert. Wer sind diese Leute? Und was wollen sie zum Ausdruck bringen?

 

Eine junge Frau geht auf die Straße, sie kämpft für eine gute Sache, sie problematisiert politisches Vorgehen, sie fordert ein Umdenken, sie klärt auf und hat die Bewegung Fridays for Future – nach dem Vorbild der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg – initiiert. Sie hat eine Menge junger Leute erreicht, die gemeinsam mit ihr jeden Freitag auf die Straße, anstatt in die Schule oder in die Uni, gehen, um auf den Klimawandel mit seinen Folgen aufmerksam zu machen. All diese jungen Menschen möchten etwas in Bewegung bringen, einen Diskurs eröffnen, Veränderungen herbeiführen, weil sie verstanden haben, dass wir mit unserem einzigen Planeten so umgehen, als wären noch weitere Erden vorhanden.

Luisa Neubauer ist 22 Jahre alt, Studentin und mischt sich aktuell offensiv in die Klimaschutzdebatte ein. Und es scheint als gäbe es zwei Lager: Pro oder Contra Luisa. Mittlerweile ist sogar ein richtiges Bashing gegen Luisa im Netz entstanden – ähnliches gilt auch für Greta Thunberg. Der Vorwurf: Luisa sei eine „Vielfliegerin“ und daher unglaubwürdig in der Klimaschutzdebatte. Zugegeben, es ist durchaus legitim sich die Frage zu stellen, weshalb eine Klimaschützerin in den letzten drei Jahren um die halbe Welt fliegt und gleichzeitig ein Zeichen für ein Umdenken setzt. Doch das was aktuell an hasserfüllten Kommentaren im Netz zu lesen ist, ist keine legitime oder konstruktive Kritik mehr. Es sind bösartige Beleidigungen bis hin zu Drohungen, die gegen Luisa im Netz kursieren. 

Beispiele aus Facebook:

„Dann soll sie erstmal ihre Langstreckenflüge einstellen und auf dem Bio-Bauernhof arbeiten. Kritik ist nicht gleich Hass, dass versteht das Blondchen anscheinend nicht.“

„Den Klimawandel stoppen die daran glauben, glauben auch an die Märchen der Gebrüder Grimm. Wenn Mutter Natur eine Warmzeit machen will, dann macht sie es. Die Menschen können sie daran nicht hindern. Da könnt ihr nächsten Freitag mit Greta Dummberg in Brüssel schreien was ihr wollt. Lernt lieber was fürs Leben, als solche sinnlosen Aktionen vom Stapel zu lassen.“

„Jemand, der um die ganze Welt fliegt, will einem der täglich zur Arbeit fährt, das Auto wegnehmen… mehr denken – weniger fliegen.“

Luisa Neubauer trifft anscheinend einen Nerv – und zwar vor allem bei älteren Herren. Ich möchte hiermit nicht alle Männer (höheren Alters) die gleiche Absicht unterstellen (das wäre zu kurz gedacht und nicht korrekt), doch ist es sehr eklatant, dass insbesondere diese Gruppe offensichtlich ein Problem mit Luisa bzw. mit jenen jungen Menschen hat, die freitags auf die Straße gehen um zu demonstrieren.

„Haha Selbst um die Welt reisen & dann auf Moralposten machen. Mädel, Deine Doppelmoral stinkt zum Himmel & ich werd mir bestimmt nicht für irgend etwas die Schuld von einer Rotzgöre zuweisen lassen. Die halb so jung ist, dafür aber mindestens 5x mehr Klimaschäden verursacht hat.“

Aber wie kommt es, dass Luisa Neubauer nicht nur Anerkennung und Zuspruch für ihre Bewegung erhält (ja, das bekommt sie glücklicherweise), sondern auch ganz viel Hass, Beleidigungen und Denunziationen erfährt? Was möchten diese Menschen mit solchen und ähnlichen Kommentaren erreichen? Und was sagen diese Kommentare über die Verfasser selbst aus?

Es fällt auf, dass keine sachliche Kritik geäußert wird, vielmehr wird der Mensch Luisa Neubauer zur Zielscheibe der Hater. Auf diese Weise soll versucht werden Luisa mundtot zu machen, sie einzuschüchtern, sie (wie ein kleines Kind) zurechtzuweisen, ja sie gar zu eliminieren mit dem Ziel, dass sie irgendwann von selbst aufgibt und womöglich noch sagt: „Ja, ihr alle meine Kritiker hattet recht. Nun bin ich wieder brav und gehe zurück zur Uni und halte meinen Mund.“ 

Aber das tut Luisa nicht! Sie geht weiterhin jeden Freitag auf die Straße, sie verschafft sich Gehör, sie geht ihren Weg und lässt sich eben nicht einschüchtern oder wie ein kleines Kind behandeln. 

„Hallo Luisa, bitte geh doch wieder zur Schule. Auch du wirst irgendwann erwachsen. Dann darfst du dir dein Geld selbst verdienen. Geh doch in die Automobil Forschung & Entwicklung. Falls es dann noch Jobs dort gibt. Aber bis dahin, geh uns doch bitte nicht auf die Nerven und poste weiter Instagram Selfies von deinen Flugreisen.“

Luisa Neubauer ist jung, Studentin und eine Frau. Das sind gleich drei Gründe, weshalb man sie diskreditieren kann. Da fühlen sich womöglich einige (nicht alle!) Männer auf den Schlips getreten. Denn wie kann es sein, dass eine junge Studentin, dazu noch eine Frau (!), eine Botschaft öffentlich sendet und ja, sogar ein Umdenken einfordert? Wie kann es sein, dass ein junger Mensch sich so offensiv in die Politik – also in das überwiegende Metier der (älteren) Herren – einmischt? Muss da nicht eine Grenze gesetzt werden? 

„Ach wie schön, jetzt will man auch noch eine deutsche Symbolfigur basteln. Ach, welch eine Überraschung, wieder eine Frau, diesmal sogar hübsch, ach wie praktisch, dann kann man jedem der das anerkennend erwähnt Sexismus und Reduzierung auf das Äußere vorwerfen.“

Der Ruf der Jugend war schon immer schlecht, zu allen Zeiten sind sie zu faul, zu frech oder zu ungehorsam. Heutzutage ist oft zu hören, die jungen Leute hängen nur an ihren Smartphones, spielen zu viel und zu lange mit ihrer Konsole (ausschließlich Ballerspiele, natürlich!) und engagieren sich nicht für gute Zwecke, sondern seien zu sehr mit sich selbst beschäftigt (weil sie ja nur Selfies machen und diese auf Instagram und Facebook posten). Dieses Bild ist in der Tat zu einseitig, denn wie wir ja alle sehen, sind aktuell sehr viele junge Menschen hoch engagiert. Sie gehen für eine Sache auf die Straße, die ihnen wirklich am Herzen liegt – weil sie ihre, ja unsere aller, Zukunft bedroht sehen. 

„Erstmal das Smartphone in die Tonne, dann reden wir weiter! Die Ökobilanz dieser Teile ist nämlich erschreckend.“

„Klimawandel ist genauso alt wie die Erde und der Kindergarten möchte es ändern.“

„Unmöglich das hier Kinder vor den Karren gespannt werden. Und sie fühlt sich erwachsen und wichtig. Geh in die Schule und lern das Leben erstmal kennen.“

„Hallo Luisa, bitte nutze dein Handy, Computer nur noch für den Notfall. Den die Stromproduktion produziert sehr viel CO2. Lass dich nicht mehr zur Schule fahren von Mama. Werfe kein Essen weg. Kaufe nicht ständig neue Kleidung um hip zu sein. Luisa sei ein Vorbild für Erwachsene. Kleidung nur noch Secondhand sowie Möbel usw. Nutze kein Waschmittel mit grünen, blauen oder roten Kügelchen. Gelangen ins Wasser und in den Nahrungkreislauf. WORTE NIX ALS WORTE. ANKLAGEN KANN JEDER. TUN IST WICHTIG IM PRIVATEN BEREICH.“

Ja, es ist ein leichtes auf Verhaltensweisen hinzuweisen, die – wie natürlich jeder weiß – klimaschädlich sind. Und so wird Luisa für einige Menschen (auch Frauen zählen dazu!) zu einer Hassfigur, weil sie Dinge sagt, die wehtun, die ein Umdenken erfordern (raus aus der Komfortzone), aber selbst dabei ein Mensch ist. Luisa darf also erst dann Kritik äußern und wird erst dann (vielleicht) gehört, wenn sie selbst eine weiße Weste hat. Sie muss schließlich als Vorbild für alle dienen und uns zeigen, wie es geht: Sie muss sich gefälligst konsequent vegan ernähren, sie darf kein Smartphone sowie Auto benutzen, keine neue Kleidung kaufen, sollte das Essen selbst anpflanzen und eigenen Strom erzeugen – also kurz, sie muss fernab von der Zivilisation leben. Und ganz wichtig: Sie darf bloß nicht fliegen! Ja, erst dann könnte sich Luisa als Klimaschützerin etablieren, weil sie ja ansonsten angreifbar sei und man würde sie nicht ernst nehmen. Diese Denke dient als Legitimationsgrundlage um gegen Luisa Neubauer vorzugehen. 

„Die kleine Luisa sollte erst mal mit bestem Beispiel vorangehen und auf die digitalen Annehmlichkeiten wie Smartphone, Tablet und co. verzichten, denn wenn Sie öfter in der Schule wäre, statt auf der Straße rumzulungern, dann wüßte Sie um die enorme Umwelt- Klimabelastung beim Abbau der Rohstoffe und der Herstellung dieser Geräte, dummes, kleines Gör.“

„Wieso sollte ich diese Nixwisserin in Sachen Klima, oder Greta ernst nehmen? Lernt erst.mal was, bevor ihr Stuß labert!“

„Mach erst einmal die Eierschalen hinder den Ohren weg und werde Erwachsen dann kannste mitreden.“

Leider werden junge Menschen nach wie vor (noch) nicht von allen gleichermaßen ernst genommen und als gleichwertige Gesprächspartner respektiert. Junge Menschen, dazu noch weiblichen Geschlechts, erfahren noch immer öffentliche und gesellschaftliche Ausgrenzung sowie Diskriminierung. Auch das Patriachart scheinen wir offensichtlich nicht überwunden zu haben. All diese Kommentare sind Beispiele hierfür. 

„Noch so eine Umwelt-Grete, die gerne auf Papas Geldbeutel um die Welt jettet und den Erwachsenen diese dann erklären will. Geh, sorg für dich selbst, schaffe etwas von Substanz in deinem Leben und wenn du dann auf eigenen Beinen stehst, nicht von Transferleistungen (öffentlicher Dienst, Abgeordnete der Grüninnen, o.Ä.) lebst, deine Kinder gross ziehst, dann, erst dann, darfst du mich ansprechen.“

Anstatt sich konstruktiv mit Luisa Neubauer und der Bewegung Fridays for Future auseinanderzusetzen, sowie mit den jungen Menschen in einen echten Diskurs zu gehen, Argumente hervorzubringen und sich ernsthaft für das Anliegen dieser Generation zu interessieren, findet hier im Gegenteil eine Welle an Erniedrigung und Verachtung statt. Eine ganze Generation wird für unfähig degradiert und nicht vollständig oder in einer angemessenen Weise wahr- und ernstgenommen. Luisa Neubauer ist eine von ihnen, die das zu spüren bekommt. 

Eine ehrliche, ernsthafte und konstruktive Auseinandersetzung würde jedoch bedeuten, dass Menschen auch über ihr eigenes Verhalten, ihre Privilegien und ihre Denkmuster reflektieren müssten. Es würde bedeuten, dass die Älteren von den Jüngeren etwas lernen könnten. Und es würde womöglich bedeuten, dass altbekannte und bis dato legitime Strukturen in Frage gestellt werden. Sich all dem zu stellen ist unbequem und schmerzhaft. Sich diesem Schmerz auszusetzen ist keine leichte Aufgabe und erfordert Mut, Mitgefühl und die Fähigkeit des Perspektivenwechsels. Häufig steht auch die Angst vor der Schuldfrage, die Angst vor der Anklage oder die Angst die eigene Identität zu gefährden, dahinter, weswegen sich Individuen nicht in eine aufrichtige Auseinandersetzung mit bestimmten Themen begeben wollen bzw. können. 

Sobald Menschen keine sachlichen Argumente für eine durchaus legitime Kritik finden, greifen sie zu anderen Mitteln. Es werden Machtspielchen getrieben, um den vermeintlichen Gegner – in diesem Falle Luisa Neubauer – herabzusetzen, niederzumachen und klein zu halten. Man möchte sich auf diese Weise selbst erhöhen und die eigene Macht demonstrieren. 

Luisa Neubauer, Greta Thunberg und all die anderen jungen Menschen, die ein politisches Standing haben, sich engagieren und mitreden wollen, verdienen unsere Wertschätzung und unseren Respekt. Sich öffentlich und klar zu positionieren benötigt Courage und ganz viel Vertrauen in das eigene Tun und das eigene Selbst. Und all die Hasskommentare, die im Netz verbreitet sind und werden, sagen nichts – aber auch rein gar nichts – über jene Menschen aus, an die sie adressiert werden. Sie sagen vielmehr etwas über die Hater selbst aus, nämlich, dass sie eigentlich nicht andere verachten und erniedrigen, sondern vielmehr sich selbst. 

Um ehrlich zu sein: Ich hätte damals, mit 16 oder Anfang 20, nicht den Mut gehabt mich öffentlich zu positionieren. Daher bewundere ich den Mut und das Selbstvertrauen dieser jungen Leute und möchte sagen: Ihr seid wunderbar! Wir brauchen mehr von dieser Sorte Menschen, die eine reflektierte Meinung haben und die sich politisch äußern. Wir brauchen mehr Menschen, die sich für unsere Erde, für unsere Demokratie und für die Menschenwürde einsetzen und dabei auch laut sind – ganz egal welchen Alters. Und noch eine Sache: Eine klare Position in Bezug auf jedweder Art von Diskriminierung im Netz, in der Öffentlichkeit oder im Privaten ist wichtig. Denn, wer nichts macht oder nichts dagegen sagt, macht die Hater stärker und schwächt die Betroffenen. Daher sage ich in aller Deutlichkeit: Hört auf mit dem Bashing gegen Luisa Neubauer! 

Dieser Beitrag ist zuerst auf Sandras Blog “Die kritische Schreibwerkstatt mit Herz” erschienen.

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